Aber wenn die dem Richter zugängliche objektive Beweislage ganz klar A sagt, der Richter aber wider besseren Wissens (egal ob Bestechung oder grobe Unfähigkeit) B urteilt, dann muss es dagegen Mittel geben.
Wenn ein Richter wider besseres Wissen ein Fehlurteil fällt, dann haftet er nicht nur für die Folgen, sondern wird mit mindestens (!) einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft.
Seingalt schrieb:
1. Du hast Dich in Deiner Arroganz und Borniertheit offenar immernoch kein Stück mit den Fakten auseinandergesetzt.
Es gab in beiden Fällen längst ein Wiederaufnahmeverfahren und beide Angeklagte sind darin wegen erwiesener Unschuld freigesprochen worden.
Verzeih bitte, dass ich in meiner Arroganz und Borniertheit nicht das Internet durchsucht habe nach irgendeinem Fall, in den du dich hier im Verschwörungswahn reingesteigert hast. Ich hab den verlinkten Artikel überflogen und da nur gelesen, dass das Wiederaufnahmeverfahren gescheitert sein soll.
Seingalt schrieb:
2. Was die Haftbarkeit von Richtern angeht, so hast Du noch überhaupt nicht schlüssig begründet, warum die eine Ausnahme sein müssen.
Doch hab ich. Dir fehlt es nur an Wissen, Verständnis und vor allem am Willen, das nachzuvollziehen. Ein Richter am Landgericht ist leider nicht vergleichbar mit irgendwelchen anderen Berufen. Der Haftungsumfang ist größer und unvorhersehbarer, die Bezahlung ist zu schlecht, als dass er Schäden überhaupt ersetzen könnte und ein Gerichtsverfahren ist fehleranfälliger als Gabelstaplerfahren. Und nicht zuletzt wollen wir, dass ein Richter nach seiner Überzeugung urteilt, nicht nach mathematisch-naturwissenschaftlichen Werten.
Herrje, grobe Fahrlässigkeit ist was anderes als etwas übersehen oder ein vertretbares Urteil fällen, das später aufgehoben wird.
Und wo fängt die grobe Fahrlässigkeit an und wo hört sie auf? Die Regel ist: Wenn ein Richter - wie unsere Verfassung das verlangt - nach bestem Wissen und Gewissen urteilt, dann soll über ihm nicht die Strafandrohung des § 339 StGB schweben oder eine schwerwiegende zivilrechtliche Haftung.
Wenn ihr immer über "Unfähigkeit" redet, was soll das eigentlich sein? Ist ein Richter unfähig, der Zeugin X mehr glaubt als dem Angeklagten? Ändert sich daran etwas, wenn drei andere Richter dem Angeklagten glauben? Ist ein Richter unfähig, weil er eine Rechtsnorm anders auslegt, als der BGH? Herrje, in Jura ist alles umstritten, da wäre ja jeder dran. Genau deshalb reicht Fahrlässigkeit nicht aus. Es soll verhindert werden, dass nachher welche sagen "ja aber das hätte man doch erkennen können dass die Zeugin lügt..." Man soll dem Richter schon nachweisen, dass ihm selbst das auch bekannt war. Wenn man es ihm nicht nachweisen kann, dann ist die Lüge vielleicht doch nicht soooo offensichtlich, wie ihr das hier in einer abstrakten Diskussion tut.
Seingalt schrieb:
3. Ich hab mir über konkrete Reformmöglichkeiten noch keine Gedanken gemacht, aber mal so aus der Hüfte geschossen und an Eisens Ausführungen angelehnt:
-Wie wärs mit einer vollständigen Protokollierung von Schwurgerichtsprozessen, so dass das Protokoll bei einer Revision einsehbar ist?
-Wie wärs, wenn man die Möglichkeiten des BGH ausweiten würde, bei einer Revision auch den Sachverhalt eine gründlichen Prüfung zu unterziehen?
Vollständige Protokollierung können wir gerne machen. Nur ob es im Zweifel viel bringt ist die andere Frage. Wie wir ja oben diskutiert haben, besteht auch bei Schwurgerichtsprozessen die Möglichkeit, eine Aussage im Wortlaut ins Protokoll zu kriegen. Der Anwalt muss das nur damit begründen, dass es auf den Wortlaut der Aussage ankommt, etwa weil die Zeugin sich in Widerspruch setzt mit früheren Vernehmungen. Im Übrigen sind Wortlautprotokolle nicht das Allheilmittel, das viele darin sehen. Auch der Wortlaut lässt nicht immer erkennen was jemand sagen wollte. Also fordern wir danach dann Tonbandprotokolle. Aber da die das Bild nicht wiedergeben, kommen als nächstes Kameras. Und schon sind wir am nächsten höchst umstrittenen Punkt, nämlich dass der Durchschnittsmensch sich vor Kameras erwiesenermaßen anders benimmt, also ohne. Das nur so am Rande.
Warum der BGH keine Tatsacheninstanz ist? Weils nicht sein muss und den BGH nur heillos überfordern würde. Dann müsste man da direkt mal 1000 neue Richter einstellen. Der BGH hat nur einen Sinn: Er soll als oberstes Gericht in Straf- und Zivilsachen für eine einheitliche Rechtsprechung sorgen. Er soll sicherstellen, dass Rechtsnormen gleich ausgelegt und angewendet werden, in München genauso wie in Hamburg Düsseldorf oder Berlin. Dafür bekommt er einen feststehenden Sachverhalt vorgelegt und soll entscheiden, wie die Rechtslage ist. Tatsachenfeststellungen sollen davon abstrahiert an den Untergerichten festgestellt werden. Davon abzuweichen besteht kein Grund. Es hat sich bewährt.
Diese Aufgabe der Untergerichte respektiert der BGH. Deshalb setzt er sich bei der Beweiswürdigung nicht an die Stelle der Tatrichter, sondern prüft nur, ob ihre Feststellungen rechtmäßig erlangt wurden. Also insbesondere, ob die Beweiserhebung rechtmäßig geschehen und - sofern ihm das aus Protokoll und Urteil möglich ist - die Beweiswürdigung in Ordnung, d.h. überprüfbar, nachvollziehbar etc. ist. Was würde es im Übrigen bringen, wenn der BGH den Sachverhalt feststellen könnte? Gar nichts. Das wäre genauso fehleranfällig wie bei den Landgerichten. Ob das Landgericht auf die Zeugin X reinfällt oder der BGH, ist am Ende egal. Und komm nicht mit "ja aber dann haben wenigstens zwei Instanzen draufgeschaut". Der BGH könnte genausogut einen zunächst aus Mangel an Beweisen Freigesprochenen wieder einbuchten, weil man dort auf einmal der Zeugin glaubt. Das geht also in beide Richtungen und gleich sich wieder aus.
Zu den Reformvorschlägen: Die Wahrheit ist, es lässt sich nicht vermeiden, dass Fehler passieren. Wenn ein Opfer überzeugend genug lügt und der Angeklagte nicht überzeugend genug die Wahrheit sagen kann, dann wird er verurteilt. Ganz egal ob es einer, zwei, acht oder 100 Richter sind. In den letzten vier Jahrtausenden menschlicher Zivilisation haben wir das Problem nicht in den Griff gekriegt. Und wir werden es auch solange nicht in den Griff kriegen, bis wir Gedanken auslesen können.