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AfD - Karnevalsverein oder Heilsbringer?

parats'

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Ich wäre mir da gar nicht so sicher.
Bisher hat noch keiner die 1100 Seiten in der Breite gesehen und rein rechtlich läuft das Verfahren noch. Davon ab gab es aus der Mitte immer die Bekundungen eines Parteiverbots bei neuen Parteien am Rande (Grüne in den 80ern und die Linke bis vor noch gar nicht so langer Zeit). Die Chance für eine Auftrennung des radikalen Flügels wäre sicherlich eine Möglichkeit.
Ein komplettes Verbot wird nichts ändern, wieso auch?
Die AfD hat programmatisch doch gar nichts zu bieten. Sollte für neue Alternativen also ein leichtes sein.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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mal so aus interesse gefragt: wer glaubt, dass sich die lage insgesamt mit einem verbot der afd verbessern wird?

ich denke, dass es genügend evidenz für ein verbot gäbe. soweit so wenig überraschend. ich wäre aber absolut unsicher was bei einem verbot tatsächlich passieren würde.

Ich finde es schwierig, die Auswirkungen eines Verbots zu prognostizieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das Verbot selbst ein net positive oder net negative wäre.

Wichtiger als ein Verbot selbst fände ich die Verhandlung eines solchen, weil doch immer noch viel zu wenigen Leuten klar ist, wo das durchschnittliche AfD-Mitglied politisch verortet ist. Da gäbe es eine Menge Konversationen, die nie wirklich geführt werden, um die man bei einer öffentlichkeitswirksamen Verhandlung vor dem BVerfG dann nicht mehr so einfach umher kommt. Der AfD wird bspw. immer noch viel zu häufig durchgehen gelassen, sich selbst nebulös als "rechts" (von der Union) zu charakterisieren (manchmal mit dem Zusatz dass es ja wohl auch ok sein müsse rechts zu sein, so wie man auch links sein kann). Das Problem des Diskurses ist aber, dass wir nie wirklich darüber geredet haben
(a) wo die Grenze der "Bürgerlichkeit" (vulgo Anstand) verläuft und was man rechts von der Union als legitime politische Meinung mitspielen lassen sollte und wo Rechtsradikalismus beginnt, den man (in meinen Augen zurecht) aus dem politischen Diskurs ausgrenzt und
(b) WIE weit die AfD rechts von der Union steht und ob sie diesseits oder jenseits dieser Grenze steht
In der AfD wird gerne so getan als wären diejenigen, die dumm genug sind sich öffentlich klar rechtsradikal zu äußern die Ausnahme, aber meine Vermutung ist wenn man auf nachrichtendienstliche Maßnahmen zurückgreift, wie das der Verfassungsschutz ja mittlerweile kann, würde sich da ein ganz anderes Bild zeigen: Die Mehrheit der AfD-Mitglieder ist gedanklich rechtsradikal; Rechtsradikale werden nicht "toleriert" sondern sind mittlerweile in der Partei tonangebend. Ich glaube darüber wurde in der Öffentlichkeit viel zu wenig geredet, weil man Rechtsradikalismus in Deutschland in der Öffentlichkeit immer noch wie eine Straftat behandelt: Rechtsradikalismus muss bewiesen werden und im Zweifelsfall ist für den Angeklagten zu entscheiden. Dabei gibt es überhaupt keinen Grund einfach mal anzunehmen, dass die AfD mehrheitlich diesseits der Grenze steht.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Bitte teile deine Defintion von Rechtsradikalismus, damit ich b) verstehen kann.

Die klassische PoWi-Definition von Rechtsradikalismus halt: Antidemokratisch, nationalistisch, rassistisch/xenophob, "starker Staat"

- Antidemokratisch: Natürlich nicht im Sinne von "Alice Weidel stellt sich uniformiert ins Morgenmagazin und sagt Wahlen sind ab jetzt abgeschafft", ist klar. Da geht es klassischerweise darum, Wahlen so abzuhalten dass die Chancengleichheit nicht gewahrt ist und man selbst sie nicht mehr leicht verlieren kann. Der Teil ist vermutlich am spekulativsten, weil wohl die wenigsten AfD-Mitglieder wirklich darüber nachdenken, was sie jenseits von Schlagworten machen wollen, wenn sie an der Macht sind. Wenn du dir allerdings anhörst, wie sie reden wenn sie unter sich sind (bspw. in Schnellroda) hörst du auch schnell den Hebel: Man habe nur noch "ein paar Jahre" Zeit, weil sonst zu viele "Nichtdeutsche" das Wahlrecht hätten, als dass die AfD Wahlen gewinnen könnte. Das konstante Bild des Rechtspopulismus vom "wahren Volk" und den "abgehobenen Eliten" passt auch gut dazu, insbesondere weil es immer wieder so genutzt wird, dass man selbst nie eine legitime Wahl verlieren kann: Wenn die AfD verliert war immer irgendwer anders Schuld, weil die Idee, dass das "wahre Volk" vielleicht doch zu den meisten Themen andere Ansichten hat als die AfD nicht ins Weltbild passt.
- Nationalistisch: Würde glaube ich nicht mal die AfD selbst bestreiten, hält sie sogar für etwas Positives.
- Rassistisch/Xenophob: Da geht es nicht zwingend darum, dass man einen "Blut und Boden"-Volksbegriff hat (obwohl den wohl auch viele in der AfD haben), sondern auch darum dass Nationalität eben nicht regularisiert durch neutrales Staatsbürgerschaftsrecht geregelt wird, sondern durch weiche Kriterien die man je nach Belieben dehnen kann und die die Staatsbürgerschaft als Privileg sieht, das die Herrschenden nach eigenem Gutdünken verteilen können. Genau so stellen sich sicherlich die meisten AfD-Mitglieder das Staatsbürgerschaftsrecht vor. Der Teil ist wohl schon durch das Gutachten des Verfassungsschutzes recht gut belegt nach allem was ich lese.
- "Starker Staat": Starker Staat, um ihn gegen die eigenen Feinde einzusetzen; schwacher Staat für einen selbst. Der Teil dürfte auch extrem einfach zu belegen sein, weil die AfD damit auch nicht hinter dem Berg hält: Wenn man selbst an der Macht ist gibt es eben keinen Liberalismus mehr, sondern man will den Staat nutzen um die eigenen Feinde zu bestrafen. Höcke ist bspw. dumm genug das immer wieder zu sagen, aber der Revanchismus kommt bei vielen immer wieder durch.
 

parats'

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Du schreibst immer von radikal*. Der Verfassungsschutz spricht immer von extremistisch. Meines Wissens nach sind die Definitionen aber gar nicht Deckungsgleich und der wesentliche Unterschied liegt dich in der Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele. Oder verwechsel ich gerade was?

* Du machst das ja absichtlich und das ist mir bei deinem ersten Post schon aufgefallen. Warum?
Das ist keine Unterstellung von Framing oder so, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch kein Vertipper ist.
 
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Du schreibst immer von radikal*. Der Verfassungsschutz spricht immer von extremistisch. Meines Wissens nach sind die Definitionen aber gar nicht Deckungsgleich und der wesentliche Unterschied liegt dich in der Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele. Oder verwechsel ich gerade was?
Nee das ist schon richtig afair, extremistisch geht mit antidemokratischen, auch gewalttätigen Handlungen einher
 

GeckoVOD

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Ich finde es schwierig, die Auswirkungen eines Verbots zu prognostizieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das Verbot selbst ein net positive oder net negative wäre.

Wichtiger als ein Verbot selbst fände ich die Verhandlung eines solchen, weil doch immer noch viel zu wenigen Leuten klar ist, wo das durchschnittliche AfD-Mitglied politisch verortet ist.
Ist es den Leuten unklar oder hoffst du, dass es so ist? Ich sehe das eher skeptisch, denn die Leute sind nicht vollkommen dumm oder nur ungebildet. Auf irgendeiner Ebene werden wohl selbst die meisten der Wählerschaft das übelste Gedankengut ablehnen, irgendwo scheint es ihnen aber auch herzlich egal zu sein.

Weiß nicht wie ich es sagen soll, wenn ein Sarrazin innerhalb der SPD einen Diskurs als Individuum auslöst, oder ein Palmer die Grünen als Einzelperson aufmischt, ist das was anderes als die endlosen Reihen an öffentlichen Eklats. Egal ob Lucke, Krah, Weidel, Gauland, etc. pp. - es ist doch Masche. Wenn sich da "der Wähler" nicht an einer Person aufrieb, warum soll er sich jetzt an "dem Durchschnitt" aufhängen?
Das sind auch so Leute, die Fakten skeptisch sehen. Der komplette Duktus der Partei ist "traue niemanden", wenn man da mitgeht, da glaubt man auch einer medialen Berichterstattung, egal ob Prozess oder nicht, doch auch wenig.

Oder was genau wäre das Positive an der Sache? Politischen Frust wird das Verbot nicht abbauen. Oder die Toleranz der Wähler magisch in eine Ablehnung umwandeln.
 
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Also ich finde es wesentlich spannender, wenn die AfD bleibt. Sonst ist es irgendwie langweilig.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Du schreibst immer von radikal*. Der Verfassungsschutz spricht immer von extremistisch. Meines Wissens nach sind die Definitionen aber gar nicht Deckungsgleich und der wesentliche Unterschied liegt dich in der Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele. Oder verwechsel ich gerade was?

* Du machst das ja absichtlich und das ist mir bei deinem ersten Post schon aufgefallen. Warum?
Das ist keine Unterstellung von Framing oder so, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch kein Vertipper ist.

Da geht es ehrlich gesagt in der Literatur drunter und drüber. Den deutschen Verfassungsschutz nimmt natürlich niemand als Instanz bzgl. politischer Ideologien wahr, insofern ist das auch nicht woran ich mich orientiere. Ich schreibe das so, weil ich persönlich eher von der Seite überzeugt bin, die Radikalismus mehr als den ideologischen Kern sieht und Extremismus mehr als eine bestimmte Art der Durchsetzung*. Insofern ist für mich die AfD durchaus rechtsradikal, aber weder rechtsextrem im Sinne ihrer bevorzugten Mittel noch rechtsextrem im Sinn der Parteien, die man gemeinhin rechtsextrem nennt, etwa die ganzen Neonazi-Parteien. Solche Leute gibt es in der AfD auch, aber sie sind sichtbar nicht in der Mehrheit.
Ich würde btw generell anmerken, dass die Rechtsprechung des BVerfG zum Parteienverbot nicht wahnsinnig gut zu Parteien wie der AfD passt. Die Parteien, anhand derer diese Rechtsprechung entwickelt wurden (SRP und KPD in den 50ern, NPD in den 2000ern und 2010ern) waren Parteien, die alle Extremisten im klassischen Sinn waren: Wenn die SRP oder die KPD an die Macht gekommen wären hätte es in Westdeutschland maximal noch "Wahlen" gegeben wie es sie in der DDR gab. Dafür gäbe es glaube ich in der AfD keine Mehrheit und wenn man den Anforderungskatalog an Verfassungsfeindlichkeit aus dem 2010er-Urteil zur NPD als Konjunktion liest dann müsste das Verbotsverfahren gegen die AfD sowieso scheitern, weil sie nicht alle Kriterien erfüllt. Allerdings wäre die Frage zu stellen, ob diese Art von Partei wirklich eine so große Gefahr in einer modernen Demokratie darstellt oder ob die realistischere Gefahr nicht eher von Parteien nach dem Muster der Fidesz oder der Republikanischen Partei in den USA ausgeht, die vordergründig die Demokratie intakt lassen wollen, gleichzeitig aber die Spielregeln so ändern dass es keine fairen und gleichen Wahlen mehr sind.





*die empirisch meistens mit einem noch extremeren Radikalismus der Ideologie einhergeht, was natürlich auch empirisch irgendwo Sinn ergibt: Wer bereit ist bspw. gewalttätig seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen hat in der Regel Vorstellungen die weit außerhalb dessen liegen, was man mit demokratischen Mitteln durchsetzen kann (ansonsten könnte man es ja auch einfach bei Wahlen versuchen)



Ist es den Leuten unklar oder hoffst du, dass es so ist? Ich sehe das eher skeptisch, denn die Leute sind nicht vollkommen dumm oder nur ungebildet. Auf irgendeiner Ebene werden wohl selbst die meisten der Wählerschaft das übelste Gedankengut ablehnen, irgendwo scheint es ihnen aber auch herzlich egal zu sein.
Weiß nicht wie ich es sagen soll, wenn ein Sarrazin innerhalb der SPD einen Diskurs als Individuum auslöst, oder ein Palmer die Grünen als Einzelperson aufmischt, ist das was anderes als die endlosen Reihen an öffentlichen Eklats. Egal ob Lucke, Krah, Weidel, Gauland, etc. pp. - es ist doch Masche. Wenn sich da "der Wähler" nicht an einer Person aufrieb, warum soll er sich jetzt an "dem Durchschnitt" aufhängen?
Das sind auch so Leute, die Fakten skeptisch sehen. Der komplette Duktus der Partei ist "traue niemanden", wenn man da mitgeht, da glaubt man auch einer medialen Berichterstattung, egal ob Prozess oder nicht, doch auch wenig.


Es ist den Leuten unklar. Ich glaube die meisten Leute machen sie keine Vorstellung davon, wie wenig die allgemeine Bevölkerung über Politik weiß. Das hat auch nichts damit zu tun, dass sie "dumm oder nur ungebildet" sind, sondern dass sie einfach andere Sachen tun. Man sollte als realistischer Demokrat anerkennen, dass es immer auch das Ziel eines politischen Systems sein sollte, Politik so zu strukturieren dass auch Leute mit niedriger politischer Kompetenz tatsächlich so wählen wie sie wählen würden wenn sie gut informierte Wähler wären.
Klar, es gibt einen Teil der AfD-Wähler, denen macht das in der Tat nichts aus oder sie finden es sogar aktiv gut. Aber der liegt eher bei 10% als bei 20% der Wähler. Man hatte es schon bei der Correctiv-Recherche ganz gut gesehen, als auf einmal über Remigration gesprochen wurde: Die AfD sah das als unfair (weil man es nicht offiziell gesagt hat), andererseits hat aber auch niemand ernsthaft bestritten, dass sowas in die Richtung das Ziel ist.


Oder was genau wäre das Positive an der Sache? Politischen Frust wird das Verbot nicht abbauen. Oder die Toleranz der Wähler magisch in eine Ablehnung umwandeln.


Na ja, das Positive an der Sache wäre für mich die Tatsache, dass die AfD erst mal keine Chance hätte in einem ostdeutschen Bundesland an die Macht zu kommen. Natürlich kann man sagen dass die irgendwie selbst Schuld wären, wenn sie eine AfD-Regierung wählen, aber die Konsequenzen spüren ja alle, auch diejenigen die sie nicht gewählt haben. Das sind ziemlich hohe Kosten nur damit der Rest der Republik sieht, dass die AfD genau dieselbe Art von Politik macht wie alle Rechtspopulisten überall sonst auch.
 
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