Nachtrag: mir kam eine ganz revolutionäre Idee. Möglicherweise gibt es mehrere Gründe dessenthalben Menschen sich dazu entscheiden die AfD zu wählen.
Also srsly, das ist das wahrscheinlichste und es ist vermutlich zusammen mit dem regionalen Stadt/Land-Unterschied eine wesentliche Determinante für das Clustering der AfD-Wähler.
Habe am WE nochmal mit meiner Sozialarbeiterfreundin geredet. Die meinte, dass zwischenethnische Konflikte an der Schule tatsächlich eine gar nicht so große Rolle spielen (aber auch nicht gar keine). Bei 80-90% Kindern mit Migrationshintergrund wohlgemerkt … allerdings da auch wieder einschränkend: Viele Kinder sind nicht die Kinder neu Eingewanderter, sondern befinden sich in einer prekären Bildungssituation obwohl ihre Eltern bereits seit längerem oder schon ihr ganzes Leben in Deutschland leben. Das ihrer Ansicht nach größte Problem ist, dass die Kinder keinerlei Bock auf Arbeit haben, lieber noch länger in der Schule gammeln wollen, und vom System durch die ganzen Hilfsangebote eher in eine Art erlernte Hilflosigkeit rutschen. Ihre Diagnose: Die Ethnie ist ziemlich irrelevant, aber die autoritäre Kultur ist häufig ein Problem, suchtartiges Nutzungsverhalten von sozialen Medien, aber vor allem, dass die Schüler sehr große Wünsche und Vorstellungen haben (Studieren, Influencer werden, Manager werden) aber rein gar nichts dafür machen wollen. Ein von der Kita an besseres Bildungssystem mit tlw. weniger antiautoritärem Larifari und etwas klarerer Vermittlung von Grenzen für diejenigen die es brauchen wäre ihrer Ansicht nach sehr wichtig, um die Bildungsferne und das mangelnde Verständnis des Bildungssystems bei Migranten auszugleichen. Ihre Hoffnung: "Kannst Du vergessen, dazu fehlt es in allen Ebenen am politischen Willen, weil sich ein Teil des überbürokratischen Apparats dafür selbst abschaffen müsste."
@ync Ich würde Dir widersprechen dass unser GG die Grundlage unseres Wertesystems darstellt. Es ist mE umgekehrt. Unser Nachkriegswertesystem ist die Grundlage dessen, woraus das GG abgeleitet wurde. Beides ist natürlich Teil des Fundaments unserer Gesellschaft, aber ich finde diese Herleitung eines Verfassungspatriotismus falsch weil es mE suggeriert, dass das GG eine hinreichende Grundlage für ein gutes Zusammenleben darstellt.
Nein, ich habe keine Antwort gepostet, aber für den Fall, dass du mich mißverstehst: es gibt meiner Meinung nach auch keine. Für mich ist "deutsche Identität ein Konstrukt, dass realistisch nicht mit Leben gefüllt werden kann. Es gibt keinen benennbaren und belastbaren Kern deutscher Identität (der nicht regional ist).
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Ja schon, aber das ist mir zu schwammig. Es ist ja auch kein exklusives Merkmal. Jeder Bürger einer demokratischen Gesellschaft idealistisch zum Gelingen der Gesellschaft beitragen und sich auch an die ungeschriebenen Gesetze halten. Das ist ja nichts typisch deutsches.
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Hmh. Aber gewisse Einstellungen zur Arbeitsmoral und Pünktlichkeit sind jetzt deutscher Wesenskern? Klingt nach wenig, muss ich sagen. Primat der Ratio ist doch im wesentlichen ein Verweis auf die Kulturen, die stark durch die Aufklärung, Sakularisierung und Wissenschaft geprägt sind. Das ist aber zutreffend für alle westeuropäisch geprägten (also auch USA) Kulturen, nicht für Deutschland.
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Ich glaube wir denken schlicht an sehr unterschiedliche Dinge. Ich denke eben nicht an regionale Traditionen oder gar an einen genuin "toitschen" Identitätskern, sondern an Dinge die unser gesellschaftliches Zusammenleben durch implizite Übereinkünfte regeln, und da gibt es mE schon einen Haufen Kleinkram der typisch deutsch ist. Wie gesagt, nichts was sich leicht kodifizieren ließe oder gar kodifiziert werden sollte, aber nichtsdestotrotz eine gewisse konstitutive Wirkung für ein Zusammengehörigkeitsgefühl hat.
Ich würde es "deutsch" nennen weil es zu Deutschland gehört, und nicht weil es irgendwie mit der tausendjährigen Geschichte des Genpoolmischmaschs der Stämme dieser Region zu tun hätte.
Klar kann man sagen "ja, das ist aber allen westlichen Kulturen gemein weil Aufklärung und so…". Da bekomme ich allerdings das Gefühl, dass Du noch nie längere Zeit in einem anderen westlichen Land gelebt hast? Das Leben ist bei allen Parallelen trotzdem extrem unterschiedlich selbst in direkten Nachbarländern, weil Dinge dort eben anders laufen. Und genau diese Differenz in tradiertem Verhalten und Konventionen im Alltag ist im Endeffekt das was man (auch) Kultur nennt.
Vielleicht denkst Du auch an ganz andere Dinge als ich. Ich möchte es ja auch nicht präskriptiv irgendwo festschreiben, sondern ein gemeinsames Verständnis, dass ein gewisser Konsens über genau diese Art von Konventionen von einer möglichst großen Menge an Mitbürgern getragen und tradiert wird, und eben keine Cluster existieren, die aktiv diese Konventionen verachten und ablehnen. Mein Verständnis ist explizit inklusiv gemeint.
Gerade Du im Ruhrgebiet solltest doch vor der eigenen Haustür sehen wie ungesund die relativ deutliche Segregation von Wohnvierteln in den Kommunen ist und wie sehr es an manchen Ecken Parallelgesellschaften gibt, die sich vor allem durch Abgrenzung und ostentative Verachtung der Deutschen definieren.
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich lebe, liebe und arbeite innbrünstig in und für unser Land. Aber die Leitkultur Debatte ist hirnverbrannter Dreck. Irgendein schwurbeliger Versuch extrem komplexe Wirkverhältnisse zu banalisieren/standardisieren. Jeder, der das versucht und iwas von "deutsche Kultur ist dies" schwadroniert ist in meinen Augen geistig behindert. Was haben wir Franken bspw. großartig mit den Sachsen zu tun? Selbst die praktizierte Sprache harmoniert nicht so wirklich. Daher würde ich am liebsten einfache Geister dieser Art aus dem öffentichen Diskurs mit einem "halt Dein dumes Mowl" ausschließen. "Unsere Kultur ist weitaus komplexer und reicher als Dein erbärmlicher Versuch den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden". Als Demokrat verbietet sich das natürlich, daher tue ich so als würde ich zuhören. Innerlich verachte ich diese Diskussion ob ihr Einfachheit/Unehrlichkeit/Übergriffigkeit allerdings.
Einerseits hast Du Recht, andererseits meine ich genau diese Dinge nicht. Siehe oben.
Mir geht es wirklich nicht um das Festdefinieren von bestimmten Dingen, sondern eben um ein inklusives Identifikationsangebot dem sich alle Menschen in Deutschland anschließen können. Du kennst wahrscheinlich noch deutlich besser als ich das typische Deutschlandproblem, dass "Deutsch sein" für viele mehr eine Opfer-/Lappen-Identität ist, der man sich gar nicht anschließen möchte, deren Pass man rein aus pragmatischen Erwägungen annimmt.
Ich sagte die Idee wäre gut, die Umsetzung war etwas ganz anderes. Ich denke eher ähnlich zu dem, was Gustavo viel schöner ausformuliert. Gerade weil die Empfänger der politischen Botschaft sehr diffus und irrationale Gedankengänge haben, müsste das Leitbild einfach und klar sein. Hier ein kodifiziertes Verhaltensmuster zu platzieren wirkt nicht, am Ende holst du weder den Mackia, noch deine Linksgründeppen ab. Mir stellt sich auch die Frage, was man mit dem Leitbild, der Leitkultur oder dem Leit-Ding anstellen will, wenn man es nichtmal als Biodeutscher formulieren könnte - wie soll sich denn dann ein Migrant daran halten? Verhalten im öffentlichen Raum ist schon sehr speziell, auch unter uns Biokartoffeln, man denke alleine an die Ellenbogen-Boomer mit ihrer Karen-Attitüde, auf jede gerecht entsorgte Kippe kommt irgendeine Überkorrektheit, die das Verhalten dann ruiniert.
Wir können gerne über kleine Maßnahmen reden, die gemein gelten können, vma. Säkularisierung. Bedenke dabei, dass du da ein Faß aufmachst, das indirekte Konsequenzen hat. Vma. Kopftuchverbot in öffentlichen Gebäuden, Burkini-Verbot, Verpflichtung von Schulkindern am Schwimmen mit wenig Spielraum für Freistellung, verpflichtender Ethikunterricht von Klasse 1 bis 9, etc. pp. Allerdings scheitern wir real ja schon an den Kreuzen in öffentlichen Gebäuden in Bayern, sowie der Aufrechterhaltung von Tanzverboten. Zu schweigen davon, was es letztlich für Kitas und Krippen unter kirchlicher Führung bedeuten könnte, wenn man dort in beiden Maßstäben eingreifen würde.
Unabhängig davon verstehe ich unter dem Grundgesetz, dass wir zwar Meinungsfreiheit haben und grundsätzlich Religionen akzeptieren, aber dennoch wehrhaft sind. Mir egal ob der Fackelmarsch vom dritten Weg, oder die Kalifats-Demo in Hamburg: Der Staat müsste sich hier einsetzen beides möglichst stark zu reglementieren und unterbinden, statt immer zu beobachten, ohne dass aus der Beobachtung Konsequenzen folgen. Prinzipiell sind das aber alles wieder stark lokalspezifische Maßnahmen, je nachdem was da vor Ort schief läuft. Habe kein Bild, wie viel da noch von Bund gebraucht wird, das man regional Probleme wie Parallelgesellschaften und Untergrundbewegungen angeht. Wie dem auch sei.
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Hier hätte ich gerne die Message, dass wir ein nationales Anliegen haben, egal welches, oder wie viele - das gemeinsam geschafft werden kann und für alle Chancen bietet, jedem zum Handeln auffordert.
Klar ist es schwierig. Andererseits ist es vielleicht auch eine Chance, dass niemand dem hohen Ideal 100% gerecht werden könnte, weil es dadurch auch eine Art level playing field darstellt, ohne irgendeiner Gruppe einen gefühlten Vorsprung zu geben.
Die Sache mit den Parallelgesellschaften wird (auch) aus einem wesentlichen Grund nicht angegangen: Es ist ein heißes Eisen bei dem man sich sicher sein kann, dass man sich bei den Medienschaffenden unbeliebt macht. Siehe Clankriminalität in NRW … da wird erstmal ein paar Jahre darüber diskutiert wie furchtbar rassistisch der Begriff ist weil manche in ihrer wohlstandsverwahrlosten Realität nicht wahrhaben wollen, dass es dieses Problem gibt.
Abgesehen davon ist es etwas, was nicht in einer Legislaturperiode durch ist und damit ist es schon an sich sehr undankbar.
Ich wäre zwar einerseits für die von Dir genannten Maßnahmen, allerdings würde ich sie aus genau diesem Identifikationsding heraushalten wollen. Dem letzten Satz stimmt ich sehr gerne zu.