Das hört sich für mich ziemlich unwissenschaftlich und beliebig an.
1. Auch wenn Dinge vom BVerfG kritisch gesehen werden, kann man sie als politisch verfolgen. Vielleicht kann man sie ja in abgeschwächter Form umsetzen, oder man schafft es eine entsprechende Gesetzesänderung durchzubringen. Ich sehe da kein ernsthaftes Problem. Wir haben in den letzten Jahrzehnten doch schon viele grundlegende Kehrtwenden in den Urteilen des Gerichtes erlebt.
2. "Widerspricht der politischen Kultur" und "Illiberal" empfinde ich als völlig beliebige Bezeichnungen in diesem Kontext. Andere Länder haben Konzepte wie von der AfD gefordert schon lange umgesetzt (Australien, Kanada) und keiner kommt auf die Idee diese Länder so zu bezeichnen. Ja unsere Situation ist eine andere, weil wir natürlich eine große Zahl an EU-Binnenmigranten haben. Aber auch dieser Zustand ist 1. kein Naturgesetz und lässt sich 2. ändern, im schlimmsten Fall durch einen EU-Austritt (den btw weder ich noch die AfD befürwortet, bevor hier wieder geraged wird, ich will nur kein "geht nicht" gelten lassen).
Wir reden hier von politischen Einstellungen. Das sind alles Wertfragen, wie könnte das wissenschaftlich sein? Es ist ja nicht irgendwie "wissenschaftlicher", Minderheiten im eigenen Land zu goutieren als sie abzulehnen. Dass dir Verfassung und Europarecht relativ enge Grenzen setzen, nach Gruppenzugehörigkeit zu diskriminieren, ist ja nun kein Geheimnis und macht auch Sinn, ansonsten könnte man ja die Personenfreizügigkeit der EU relativ leicht aushebeln. Gerade Kanada hat eine viel positivere Einstellung zu Einwanderung als du hier suggerierst und Australien wird andauernd darauf hingewiesen, dass selbst ihre Umgehensweise mit Bootsflüchtlingen rechtlich ziemlich problematisch ist (und da reden wir von ganz anderen Zahlen als sie in Deutschland zu erwarten wären). Wenn deine Antwort ist "aber wir könnten ja auch aus der EU austreten", dann würde ich dich wiederum fragen, inwiefern das Problem die Lösung rechtfertigt.
Was du hier vorschlägst würde bedeuten, Deutschland komplett umzukrempeln. Warum ist das gerechtfertigt? Du blendest komplett aus, wie man auf diese Meinung kommt, wenn man sie denn vertritt und das ist genau, worum es hier ursprünglich ging. Du kannst alle möglichen Einstellungen haben, aber wenn du sagst "wir haben ein gefühltes Spatzenproblem, also würde ich gerne für mehrere Milliarden Euro Kanonen anschaffen um es zu lösen", dann muss man sich fragen woher das kommt und was damit erreicht wäre wenn wir die Lösungen akzeptieren, die diese Leute fordern. Selbst wenn man annimmt, dass die Politik nur eine Maschine ist, die quasi aus den Wünschen der Bevölkerung irgendwie policy machen soll, müsste man sich fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass irgendwem tatsächlich dadurch geholfen ist, diese (in meinen Augen größtenteils imaginären) Probleme zu bearbeiten. Aber es ist ja so, dass wir das in Deutschland gerade nicht so sehen: Die Abgeordneten sind ihrem Gewissen unterworfen. Wir haben hier eine sehr starke Festlegung darauf, dass wir Ethnozentrismus als ethisches Fundament nicht gelten lassen. Das weiß auch die AfD, deshalb scheint das im Programm nur durch, anstatt dass ihre Forderungen explizit mit Ethnozentrismus begründet werden, aber darauf läuft es hinaus. Siehe auch:
Bitte quote mich, wo ich eine ethnische Hierechisierung gefordert habe. Ich sprach von STAATSBÜRGERSCHAFT. Hör bitte auf die Diskussion so dermaßen in den Schlamm zu fahren.
Deshalb habe ich implizit geschrieben. DU hast das nirgendwo geschrieben, aber darüber reden wir ja gar nicht. Und wenn du solche Forderungen liest wie "Kinderbegrüßungsgeld" für Eltern, wenn mindestens ein Elternteil Staatsbürger ist, dann musst du dich schon sehr dumm stellen um nicht zu realisieren, dass die AfD es gerne nur autochthonen Deutschen zahlen würde. Weil sie aber weiß, dass das nicht vermittelbar ist, weil es eben massiv gegen Gleichheitsgrundsätze verstoßen würde, nichtautochthone Staatsbürger außen vor zu lassen, ist das die bestmögliche Forderungen, die sie verteidigen können. Willst du ernsthaft bestreiten, dass das die Grundlage ist, auf der die AfD operiert?
Und weil diese Menschen in der Minderheit sind und eine andere Prioritätenreihenfolge haben, als die Mehrheitsgesellschaft ist ihre Meinung und Stimme weniger wert, oder wie soll man diese Aussage verstehen?
Die Zersplitterung und Polarisierung ist übrigens nicht vom Himmel gefallen, sondern meiner Meinung nach durch zwei ganz konkrete Dinge verursacht worden.
1. Die beiden wichtigsten Themen unserer Zeit, nämlich die EU-Politik und die Migrationspolitik werden seit über zehn Jahren überhaupt nicht debattiert, bzw. nur in eine Richtung. Es gab vor der AfD keine einzige Partei im Bundestag, die einen anderen Kurs als den der Regierung gefordert hat. Das sich hier eine neue Partei etablieren können ist für eine Demokratie nur folgerichtig.
2. Die AfD wurde seit Ihrer Gründung als "rechts" und "Nazi-Partei" diffamiert, ja sogar ganz am Anfang als die gesamte Parteispitze aus alten, langweiligen Professoren bestand und ein Höcke weit und breit nicht zu sehen war. AfD-Politiker und Anhänger wurden ständig in die rechte Ecke gestellt, angefeindet und von den etablierten Parteien beschimpft. Dieses Verhalten hat das Erstarken des rechten Flügels in der AfD erst möglich gemacht und zu der "Polarisierung" geführt, die du so beklagst. In dem Gusto in dem du und andere hier über die Partei und ihre Wähler schreibt, setzt ihr den Polarisierungs-Kurs übrigens prima fort.
AfD-ler sind halt einfach dumm und wollen nicht einsehen, dass euer Gesellschaftsentwurf der einzig wahre Weg zum Heil ist
Zum Ersten: Ich sage nur dass man das mit der "Zersplitterung" vielleicht etwas dramatischer sieht als es tatsächlich ist, wenn man Teil des einen großen Splitters ist. Wenn die Gesellschaft wirklich zersplitterte würde ich mich jedenfalls wundern, warum das so krass runtergeht.
Zum Zweiten: Lächerliche Dolchstoß-Legende, ein bisschen mehr intellektuelle Ehrlichkeit bitte. Die AfD ist dorthin gerückt, wo sie gerückt ist, weil es kein Wählerpotential rechts von der Union gibt, das NICHT irgendwie einen inhärenten Ethnozentrismus bedient, das zeigt die Meinungsforschung ziemlich deutlich. Ja, es gibt genug Leute rechts von der Union für eine weitere Partei (gab es schon lange) und ja, es gäbe auch (knapp) genug Leute rechts von der Union, die nicht überdurchschnittlich stark ethnozentrisch denken und deren Meinungen rechts von der Union stehen, um damit eine kompetitive Partei zu machen, aber die meisten von denen würden in einer Welt, in der es nur Union und eine "Lucke-Partei" gibt, aus den unterschiedlichsten Gründen eben weiter Union wählen†.
Es gibt ohne inhärente Fremdenfeindlichkeit keine AfD. Es hat einen Grund, warum du selbst bei denjenigen, die heute als "gemäßigt" präsentiert werden*, quasi durch die Bank Aussagen findest, die völlig indiskutabel sind und zu Skandalen geführt haben. Weidel mit ihren geleakten Emails, Meuthen mit seiner Umvolkung, von Storch mit der Forderungen zum etwaigen Schusswaffengebrauch gegen Frauen und Kinder an der Grenze, Gauland mit seiner Behauptung Deutsche würden ungerne neben Boateng wohnen. Das sind keine Ausrutscher, das ist was diese Leute wirklich denken. Anständige Konservative sind in der AfD mittlerweile Raritäten, weil man schon sehr blind sein muss um das nicht zu sehen.
*btw: Das waren sie in der Lücke-AfD btw auch nicht; ich erinnere mich noch sehr gut, wie Weidel als radikal aufgefallen ist als sie sich das erste Mal auf einem AfD-Parteitag präsentiert hat, da wurde bloß kräftig das Overton-Window verschoben dass jetzt selbst diese Leute als gemäßigt gelten, weil sie eben nicht Höcke sind
†Zumal man nicht vergessen sollte, dass gesellschaftlich und wirtschaftlich konservativ nicht dasselbe ist; viele derjenigen, die du mit so einer Partei ansprechen würdest, sind jetzt schon in der FDP
In Zeiten eines schwachen heators brauch es einen starken mackia. Wie erlebst du eigentlich die polarisierte deutsche Gesellschaft aus den usa, gustavo? Via faz?
Medien und soziale Medien, ja. Wie erlebst du denn die "polarisierte Gesellschaft"? Befeuchtest du deinen Zeigefinger, hältst ihn kurz in der Fußgängerzone in die Luft, nickst anerkennend und bist dir sicher, dass die Gesellschaft heute mal wieder ein Stückchen polarisierter ist als vorher oder was?