Wie saistaed auch meinte: Das geht am ursprünglichen Vorschlag ein bisschen vorbei. Es geht wie gesagt nicht um Eigentum und ich nehme an, die kommunalen Träger werden zwar schon günstiger sein, aber nicht so günstig. Es geht vermutlich eher um private, aber nicht-kommerzielle Vermieter, bei denen Mieter auf jahrzehnte alten und kaum angepassten Mietverträgen sitzen. Es ist jetzt natürlich auch nicht garantiert, dass die pure Möglichkeit, Mieten zu erhöhen, das dazu führen würde dass sie auch erhöht werden, aber das ist zumindest der Hebel, den der Vorschlag sich so vorstellt.
Ich bin jetzt schon ein paar Jahre im groben Umfeld der kirchlichen und sozialwirtschaftlichen (Zweck)Immobilie angestellt. Zwar sind klassische Mietverträge bei mir auf dem Tisch eher Randthema, aber ich hab schon immer wieder damit zu tun. Irgendwie kann ich der Idee immer noch nicht vollständig folgen, eventuell reden wir da aneinander vorbei? Bischen ausführlicher, damit man mich evtl versteht und weil ich gerade Zeit totschlage:
Kommunale Wohnungen sind meines Wissens meist von der Gemeinde / Stadt direkt betreut, Wohnraum ist da eigentlich eher die typische Dienstwohnung oder Wohnraum, der für "sonstiges" geschafft wird oder reserviert wird. Beispiele für letzteres sind Flüchtlingsunterkünfte, Obdachlosenheime oder ähnliches. Rein private Vermietung geschieht eher über ausgegliederte Wohnbau-GmbHs oder ähnliche Konstrukte. Daneben gibt's dann 'die' Sozialwirtschaft. Entweder klassische Stiftungen (wie mein Mutterkonzern), die aus dem kirchlichen Kontext, sehr selten aus privaten Aufbauten, entstanden sind. Die vermieten _unter anderem_ an privat. Oder Komplexträger, die neben integrativer und pflegerischer Leistung auch einen Teil an privaten Mieteinheiten besitzen.
Gemeinsam ist allerdings allen, dass sie primär den sozialen Auftrag haben: D.h. dass sie viel Wohnraum für Bedürftige unterschiedlichster Schichten zur Verfügung stellen müssen. Die Mietpreise dafür kriegen sie zwar vom Staat/dem Land/der Kasse wieder, allerdings halt nur in gedeckeltem Rahmen, der sich i.d.R. nicht so wirklich rechnet. Bzw. dieser Preis ist so ausgelegt, dass er gerade so den Unterhalt des Gebäudes und der dazu notwendigen Verwaltung deckt, aber nicht sonderlich viel mehr. An eine Förderung ist man auch 20-40 Jahre gebunden.
Konkret hat das jetzt Folgen: Wenn du die Immobilie wirklich gut in Schuss halten willst, brauchst du Geld (Daumenregel wäre eine jährliche Rücklagenbildung von 2% des Gebäudewertes für Instandhaltung). Zwar können die Immobilien jetzt in bester Lage stehen, sie kosten aber Geld und bringen wenig. Es ist schonmal wenig Anreiz da, das Ding über die absolute Notwendigkeit hinaus zu sanieren, weil das Gebäude wenig bringt, der Grund umso mehr (vgl. die Daumenregel mit tatsächlichen Rücklagen und es wird ein enormer Instandhaltungsstau ersichtlich). Aktuell ist der Abriss außerdem viel, viel zu billig, als das es sich lohnt wirklich über Nachnutzungskonzepte und entsprechende Modernisierung nachzudenken.
Was auch immer an privat vermietet wird, wird von den Einrichtungen in der Regel zu Marktpreisen vermietet, quasi so hoch es eben geht. Ist auch logisch, weil das ja quasi den anderen Teil des Geschäfts quersubventionieren muss. Also wirste hier nicht "die" Alten finden, die den Wohnraum blockieren, weil die entweder da qua Förderung leben (gewollt) oder es sich nicht leisten können (in eurem Sinne).
Jetzt gäbe es noch die "typische" Kirche, also Landeskirchen und Bistümer. Ich spare mal aus, dass das i.d.R. zwar nicht die Besitzer oder die Verwalter sind, aber trotzdem: Die sind tatsächlich etwas problematisch und wären eine gute Adresse für alte Personen, die kaum Miete zahlen. Das ist aber von denen durchaus gewollt. Diverse der Kirchen haben interne Regeln für die Miete, die in etwa lauten: 30% billiger als der Marktdurchschnitt, gekoppelt an eine Vorauwahl (Bedürftige, Alleinerziehende, junge Familien, Gläubige mit hoher ehrenamtlicher Aktivität). Aber das sind gar nicht mal sooo viele Wohnungen. Der Großteil des kirchlichen Eigentums ist unter Erbpacht vergeben, zumindest bei den mir bekannten Kirchen. Und das sind dann i.d.R. eher caritative Einrichtungen, die das für 1€-Preise bekommen oder eben Privatpersonen. Die Gebäude, bzw. die Grundstücke, befinden sich meist in echt guter Lage. Dazu muss man aber sagen, dass diese Grundstücke teilweise in den 40er und 50er Jahren von der Kommune und meist von Privatpersonen für damals horrende Preise abgekauft wurden, um den Wiederaufbau zu unterstützen.
Konsequenz ist, dass bspw. die evangelische Landeskirche in Stuttgart in bester Lage nicht wenige Top-Immobilien hat, die sie allerdings damals selbst errichtet hat und jetzt auch noch relativ billig vermietet werden. Das Dumme, und hier der Hinweis auf die seltsamen Eigentumsstrukturen der Kirchen, ist: es gibt durchaus auch Immobilien, die für Apfel & Ei vermietet werden, einfach weil die real-Besitzer (Gemeinden) nichts geschissen bekommen. Da gibt es noch Mietverträge mit D-Mark-Preisen in Handschrift des damaligen Pfarrers. Tja. Aber die wirste nicht einfangen, egal wie, da müssen schon die Mieter sterben, dass sich etwas tut. Diesen Gemeinden ist es auch echt völlig scheiß-egal, ob das alles teurer wird, die geben das nicht weiter, sondern zahlen es mit dem Schulterzucken. Meist ist das eine Kombination aus zu hohem Kontostand, vergreisung der Gemeinderäte und zu wenig Interesse an der Sachlage. Egal, das Phänomen sollte auch das Kraut nicht mehr fett machen.
Mir weiterhin bekannt sind andere Vermietungskonstellationen, meist Eigentümergemeinschaften oder Genossenschaften. Aber auch die, zumindest die halbwegs rationalen, nutzen die Möglichkeiten für Mieterhöhungen vollständig aus.
Ausgeklammert die großen Kommerziellen, bspw. DW und co.: Auch die machen das professionell.
All das Beschriebene sind aber eher so 40-60% (je nach Bundesland), der Rest ist klein-klein im Privatbesitz.
Der "Privatbesitz", also das, was übrig bleibt, deckt sich meiner Erfahrung nach mit der Beschreibung von Bootys Mietern. Da würde ich definitiv keinen Homo Oeconomicus ansetzen, der rationale Entscheidungen trifft. Für die meisten dieser Personen ist die Vermietertätigkeit so ein bischen eine Mischung aus Statussymbol, Hobby und Dinge-die-ich-geerbt-habe. Die haben keinen Peil von Nichts, zumindest im Vergleich mit einem 0815-Immobilienkaufmann/frau/*es. Die kapieren ganz wenig, wenn es um Instandhaltung/Modernisierung geht, insofern, dass sie jetzt fäusteschüttelnd "Habeck an die Wand" skandieren und "wer soll das denn können?" fragen. Da gibt es so viel professionelles Halbwissen, dass es mir immer wieder die Nägel hochrollt. Exkurs:
Unter anderem betreuen wir Kirchengemeinden bei der Portfolioplanung, was nix anderes bedeutet, als Strategien zu entwickeln sinnlose Immobilien abzustoßen, energetisch zu bewerten oder zu modernisieren und alles insgesamt zu finanzieren. Im Prinzip nix anderes als bei meinen Vermietern, das ist ein Ehepaar, das insgesamt vier Immobilien besitzt, wobei mir unklar ist
WIE sie das hingekriegt haben (siehe Bootys letzter Post, wahrscheinlich war der Verdienst zum richtigen Zeitpunkt atmen zu können). Das ist ihr eigenes Haus, in dem sie leben, zwei Häuser hier in der Stadt und drei Stockwerke eines Gebäudes in einer anderen Stadt. Mein Hobby ist jetzt unsere Geschäftsideen an den zwei Besitzern auszuprobieren. Spoiler, nichts fruchtet.
Da sie obige Daumenregel der Instandhaltung nicht nutzen (wollen), ist an den Grundstücken so das nötigste gemacht worden, also halt mal der Zaun gestrichen worden (= Vollsanierung des Gartens) und eine Gastherme von 1960 ausgetauscht worden, weil es keine Ersatzteile mehr gab (= energetische Teilsanierung). Der Rückstau ist beachtlich, zumindest aus energetischer Sicht. Dafür sind die Mieten
sehr gering. Das Duo könnte problemlos alle Immobilien energetisch prüfen und verplanen lassen, Kostenpunkt so irgendwas um die 1200€ (total), wenn sie Förderungen nutzen. Wollen sie nicht, weil Aufwand und "man kann eh nichts tun" und "die Mieter stellen sich da quer". WTF zum letzten, ich bin Mieter und kenne 50% der anderen - wir alle wollen das. Sanieren geht schonmal gar nicht, weil "das ja eine Kernsanierung bedeuten würde", auch hier WTF, weil das so nicht stimmt. Gäbe genug, das man tun könnte. Gegenfinanzieren mit höherer Miete geht auch nicht, weil "sich die Mieter querstellen". Nochmal der Hinweis, da würden alle mitgehen, weil wir uns das, was verbessert wird, durch geringere Heizkosten wieder sparen würden. Aber egal, wir dürfen zumindest sanieren, was wir wollen und dafür auch etwas mit der Miete runter / paar Zahlungen aussetzen. Es ist tatsächlich extrem bescheuert.
Die Vermieter, die ich ansonsten erlebe, haben alle ähnliche Probleme oder Einstellungen. Teilweise echt verschrobene Ansichten, was "sozial" bedeutet, oder wunder, was ihnen passiert, wenn sie etwas tun. Da ist viel Angst vor langen Rechtsstreitereien und Angst vor sozialer Ächtung. Und man sollte auch nicht unter den Tisch kehren, wie viel unbewusster Rassismus und sonstige Diskriminierung an den Tag gelegt wird. Ausländisch klingende Namen mit Kleinkindern hätten z.B. bei meinen Vermietern keine Chance ("das haben wir schonmal probiert"), genauso wenig wie Studenten-WGs. Das ist auch so ein Punkt, den ich sehr oft höre: "Mit den Alten hab ich keine Probleme, die kenne ich". Änderungen bedeuten Arbeit und Arbeit ist nix, das viele dieser Vermieter wollen.
Dann gibt es natürlich auch vermehrt jetzt solche Leute, die geerbt haben und schonmal gar keine Lust auf irgendwas haben. Die verticken dann das Gebäude an den besten kommerziellen, manchmal aber auch an eine Stiftung. Damit wäre das Problem gelöst, weil dann gewirtschaftet wird. Dummerweise, Hinweis auf vorigen Post, sind diverse Käufer weder Kommerzielle, noch Stiftungen, sondern seltsame ausländische "Investoren".
Es gibt auch eine Minderheit, die ihre Immobilien sehr gut verwaltet. Aber auch da muss man wenig tun, weil die wenig Bestand schützen will und eine ungefähre Ahnung hat, was sie da tun. Die erhöhen Mieten.
Hier stellt sich mir dann die Frage, wer diese ominösen Alten sind. Ich streite deren Existenz wirklich nicht ab, ich kenne selbst durchaus den ein- oder anderen. Nur kenne ich deren Vermieter nicht und weiß nicht wie die ticken. Mir ist zumindest keiner mit billig-Wohnung begegnet, dessen Vermieter nicht 1-1 mit den meinen vergleichbar sind. Bischen weniger Rassismus, bischen mehr Modernisierung kann möglich sein. Aber unter'm Strich ist es ähnlich.
Ab hier muss man sagen, dass mir die Makro-Betrachtung des Problems auch irgendwie etwas egal ist, zumindest unter dem Blickwinkel von bezahlbarem Wohnraum für normale Personen in Metropolen und Metropolregionen. Hier verweise ich wieder auf meine Gedanken von früher: Das sind für mich Probleme anderer Leute, die unbedingt in diesen Molochregionen wohnen müssen und am besten in irgendwelchen hippen Vierteln. Für Mitgefühl hab ich zu häufig gehört "dann zieh halt um". Objektiv verstehe ich das Problem aber.
Ich sehe weder eine Steuer auf Grund oder einen Tausch im privaten Bereich als eine Lösung, die es vom Papier in die (große) Realität schaffen könnte. Grund sind pragmatische Überlegungen - einen Teil davon hab ich im Digitalisierungs-Thread zur Grundsteuer ausgekotzt. Bis Kommunen/Bund mal eine Rechtsgrundlage schaffen, die durchsetzbar wäre, dauert es. Bis dann verbindliche, rechtssichere und umsetzbare Schätzungen über den Grund und Boden vorliegen, dauert es. Lange.
Bis das Ganze auch von der Bevölkerung verstanden wird, speziell von denen, die jetzt schon eher träge sind, dauert es. Vor allem trifft das dann wahrscheinlich nicht nur die privaten Vermieter, sondern wieder alle. Also auch die, die es schon richtig machen. Ob und wie effizient daher eine Maßnahme ist, wäre für mich echt kaum abschätzbar und hängt dann wahrscheinlich wieder von extrem vielen
regionalen Problemen ab. Klar könnte man das jetzt für vma. Berlin testen, aber da wären wir wieder beim Zeitproblem, inklusive dem Vertrauen in die berliner Verwaltung ein neuen Rekord an Inkompetenz aufzustellen. Gestern haben sie unsere Erwartungen enttäuscht, morgen enttäuschen sie ihre eigenen.
Daher meine Meinung als pseudo-CSU-Bauer. Würde man in Berlin so einen Weg mit Tausch oder Spezialabgaben testen wollen - nur zu. Aber bitte keine Flächenlösung, weil... das einfach mehr Probleme schafft als löst. Bis diese Visionen überregional Wirkung zeigen würden, wären wir 15-20 Jahre in der Zukunft. So eine Erhöhung wird ja nicht auf einen Schlag durchgesetzt, sondern schrittweise.
All das für die Problembeseitigung von "Alten Menschen in großen Wohnungen". Der Zeitfaktor andererseits spielt ja in die Hände jüngerer Familien, denn die Leute sterben stückchenweise, beginnend Heute. Und nicht nur sterben, sondern früher oder später können die einfach nicht alleine. D.h. schon etwa fünf bis zehn Jahre vor dem Tod müssten die in eine Pflegeeinrichtung. Daher fände ich es zwingender die Pflegeproblematik, speziell die Gebäude dafür, mal anzuschauen. Eventuell löst sich das Problem daher teilweise von allein. Es sind ja nicht nur die Mieter, die sterben werden, sondern vor allem auch die Vermieter. Wenn die nicht mehr können werden die Immobilien überschrieben oder vererbt. Und auch da werden dann große Teile weiterverkauft, hoffentlich an professionelle. Weil, was will ich denn als selbst-fast-Rentner mit so einem Problem, v.a. da ich es energetisch sanieren müsste?
Es fühlt sich zumindest so an, als ob das jetzt eine Sau wird, die durchs Dorf gejagt wird, wenn ich mir so die Mieterstruktur meiner Konzernmutter oder die von Kunden anschaue. Es scheint da alles im Sterben zu liegen, das alt ist. Ergo wünsche ich mir mehr politische Energie, Kommunikation und Umsetzungswillen für andere Felder, speziell der energetischen Perspektive. Denn die könnte schon auch eine Teillösung für das Problem sein.
40% unseres Co2-Ausstoßes als Staat kommt von Immobilien. Davon ist ein erheblicher Teil dem Wohnraum zuzuschreiben. Das bischen Sanierungspflicht ist noch zu wenig, da müsste viel mehr Energie rein, wenn wir was erreichen wollen. Das wiederum kostet und wird auch den Privatvermietern wenig schmecken. Dafür müssten dann halt die Mieten erhöht werden, wofür man allerdings auch was bekommt. Ich könnte mir vorstellen, dass man langfristig Lösungen für solche Privatvermieter anbieten kann, damit diese sich auf Quartiersebene professionell organisieren lassen können. Bspw. durch lizensierte Verwaltungen, die energetische Sanierungen und Energie-Nahrversorgungen koordinieren.
Egal wie, das Problem ist extrem komplex und bräuchte viel dringender Lösungen als das des reinen Wohnraums durch Steuer oder Tausch, weil es so viele Wechselwirkungen gibt.