Hm ja, ich finds halt schwierig bei solchen Themen. Mir ist klar, dass es in unserer politischen Kultur eigentlich keine großen Würfe gibt, darum ist inkrementeller Fortschritt der way to go. Das macht es natürlich schwierig, wenn man gern relativ weit vom Status quo abweichende Vorstellungen verwirklicht sehen würde, die aber nicht in jedem Einzelaspekt den Status quo verbessern.
Ich habe bei dem Thema relativ radikal-sozialistische Vorstellungen, weil ich zwar nicht Immobilien per se, aber den Raum selbst als öffentliches Gut ansehe, das entweder gar nicht in private Hände gehört oder nur unter strengen Auflagen der Sozialverträglichkeit.
Mag schon sein, dass halbgare Maßnahmen, bspw. ein schlecht gemachter Mietendeckel, in der Summe dann mehr schaden als nützen. Berlin wollte das Experiment ja wagen, was ich an sich gut fand, weil sich sonst halt politisch eh nichts bewegt - obwohl ich die konkrete Umsetzung schon ziemlich mies fand. Leider gibt das GG den Ländern hier offenbar keinen Spielraum, solange der Bund sich nicht mal zu einer Öffnungsklausel durchringen kann - für die man imo seitens Grünen und SPD viel mehr kämpfen sollte. Als nächstes sind wir dann nämlich beim Thema Enteignungen, die verfassungsrechtlich afaik viel weniger bedenklich sind und aufgrund dieses politischen Patts dann schon fast die letzte verbleibende Möglichkeit für Länder bzw. Kommunen sind, die wirklich großen Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen wollen.
Der beste Weg zu einem gesunden "Mietmarkt" ist imo, wenn ein möglichst großer Anteil der Mietwohnungen gemeinwohlorientiert bewirtschaftet wird. Ideal: Du legst das von Anfang an so fest. Und wenns so wäre, würden wir jemals diskutieren, ob wir das abschaffen sollten, weil doch alle profitieren, wenn man sich ein paar Heuschrecken ins Boot holt? Imo eine absurde Vorstellung.
Warum tun wir uns gleichzeitig so schwer mit dem Gedanken, solchem Treiben radikale Grenzen zu setzen?
Klar hätte ich mir auch gewünscht, man wäre hier schon immer klüger gewesen und hätte niemals so viel staatlichen Grund- und Boden sowie Wohnhäuser verhökert, um die Kasse zu stopfen. Aber nur weil Politiker mal extrem kurzsichtig und dumm waren, sehe ich nicht, dass die Bevölkerung das dauerhaft einfach so hinnehmen muss. Wie gesagt, ich find "aberrrr Eigentuuuum!" bei dem Thema eher so "äääh ja, ne, not really, stfu".
Denselben Effekt sehe ich übrigens bei der Mietenregulierung: Wenn man, sobald so ein Problem hochkocht, schnell und entschlossen handelt, dann braucht man über Mietendeckel erstmal nicht reden, weil es eine effektive Mietpreisbremse mit fairen Steigerungsmöglichkeiten, die sich an Inflation oder Lohnentwicklung orientieren, auch tut. Wenn man natürlich erstmal 10 oder 20 Jahre mit ideologischen Grabenkämpfen ins Land gehen lässt, dann ist die Situation an vielen Enden bereits so schmerzhaft, dass man sie lieber direkt zurückdrehen als nur auf die Bremse treten will. Deswegen ist mein Motto bei dem Thema: mehr reden hilft nichts, wir müssen endlich was tun. Es gibt da imo einfach nicht so viel zu befürchten. Horrorszenarien, wonach nach einem misslungenen Experiment mit Mietenregulierung über Jahrzehnte niemand mehr in Berlin investieren will, sind doch Ammenmärchen. Wo man Geld verdienen kann, wird auch Geld verdient werden.
Und mal ehrlich (Achtung Milchmädchenrechnung): Berlin will 20.000 neue Wohnungen pro Jahr. Sagen wir mal, die sollen im Durchschnitt 50 qm haben und der Neubau kostet etwa 4.000 EUR pro qm. Kosten pro Jahr: 4 Milliarden oder 10 Prozent des Berliner Haushalts (aus dem sowas obviously nicht bezahlt würde). Das ist ja wohl keine Investition, die der Staat absolut nicht zu leisten im Stande ist, wenns hart auf hart kommt und Private sich völlig aus dem Wohnungsneubau zurückziehen, weil ihnen die Mieten zu billig werden.
Also was soll diese blödsinnige Panikmache von wegen wir müssten doch bitte irgendwelche Investoren bauchpinseln, damit Wohnraum entsteht? Ich find das einfach affig.
Eine vom Staat gebaute und öffentlich/gemeinnützig verwaltete Wohnung ist für die Allgemeinheit deutlich wertvoller als eine, deren Bewirtschaftung auf Profit ausgelegt ist.
Das sind so Gründe, weshalb ich bei dem Thema relativ entspannt bin: Wenn durch Mietenregulierung Investitionen massiv einbrechen - was ich nicht mal für absolut gesetzt halte -, kann der Staat das imo notfalls auffangen und vielleicht fahren wir damit langfristig sogar besser.
Auf Instandhaltung lässt sich das übertragen: Du setzt halt gesetzliche Mindeststandards dafür und wenn Eigentümer keinen Bock mehr haben, die zu erfüllen, weil es ihnen gar so teuer wird, dann sollen sie halt verkaufen - im Zweifel an den Staat.
Und in 2075 gehören dann einfach alle Wohnungen dem Staat: gg, freut mich, mit euch Monopoly zu spielen. (Inb4: "Omg, its Socialism, Horrooooor!")
Das führt uns dann letztlich auf die Verteilungsfrage. Da muss ich leider sagen: Eine definitve Antwort hab ich auch nicht darauf, wer ein Anrecht auf welchen Wohnraum hat. Totzdem sollte man sich imo auf gewisse Prinipien verständigen können und ich meine herauszulesen, dass wir da gar nicht so weit auseinander sind.
Ich finde die von dir beschriebenen Verteilungseffekte, z.B. kommunaler vs. privater Wohnraum, nämlich auch massiv ungerecht: Wer an eine Wohnung in öffentlcher Hand kommt, der freut sich wie Bolle, alle anderen gucken in die Röhre. Genau deshalb will ich den gesamten Mietenmarkt regulieren, damit diese Ungerechtigkeit eben wegfällt bzw. minimiert wird.
Realistisch erreichst du das imo nur durch Preisanpassung, weil nur dann ein finanzieller Anreiz besteht, Wohnraum effizient zu nutzen.
Und da ich bei dem Thema radikal denke, könnte ich mir natürlich noch viele weitere Hebel vorstellen:
-Wohnraum besteuern mit einem Freibetrag für "angemessenen Wohnraum".
-Leuten, die öffentlichen Wohnraum unterbelegen, Wohnungstausch anbieten und mit finanziellen Anreizen versehen und/oder Sanktionen von Mieterhöhung bis Sonderkündigung, wenn jemand sich partout weigert eine Wohnung bei angemessenen Tauschmöglichkeiten freizumachen.
-Um Diskriminierung am Mietmarkt zu minimieren, könnte man die Verwaltung von Wohnraum (auch privatem) komplett in öffentliche Hand legen: Wer vermieten will, außer in bestimmten Ausnahmefällen (z.B. an Verwandte), der muss die Wohnung bei einer öffentlichen Stelle registrieren und ausschreiben lassen. Wohnungssuchende registrieren sich dort auch und eine angebotene Wohnung wird unter allen Suchenden, deren Einkommen ausreicht, um die Miete zu decken, verlost.
Gegen sowas gehen natürlich alle auf die Barrikaden weil Vertragsfreiheit und so und man wird sich seine Mieter ja wohl noch aussuchen dürfen: Warum sollte man das dürfen? Es gibt wenige Fälle, wo ich das unterschreiben würde, z.B. wenn man mit seinen Mietern sehr eng zusammen wohnt. Aber davon abgesehen?
Das Nacktmachen, das von potentiellen Mietern verlangt wird, weil Vermieter sich "nur absichern" wollen, ist imo unwürdig. Stattdessen soll man einen Fonds schaffen, in den alle Vermieter verpflichtend einzahlen und wer dann doch mal ein Problem mit Mietnomaden o.ä. kriegt, wird daraus entschädigt.
-Ein Weg in die richtige Richtung wäre imo das Rechts auf Wohnungstausch. Damit ist in einigen Fällen der Anreiz größer, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, selbst wenn die Angebotsmieten deutlich über den Bestandsmieten liegen.
[Edit]
Noch zwei Bemerkungen:
1. Bodenwertsteuer. Was meinst du mit pessimistisch? Ich bin durchaus für ne Bodenwertsteuer. Ich seh nur nicht, wie die uns erschwingliche Mieten beschert.
Wie soll das gehen?
2. Noch ein Wort zum Leitungsprinzip: Bei allem Gerede über sozial ausgewogene Wohnraumnutzung wollte ich nochmal klarstellen, dass ich durchaus nicht dafür bin, dass Wohnraum nur nach sozialen Kriterien verteilt werden sollte. Auch Einheitsmieten halte ich für Quatsch - einer der ärgerlichsten Punkte des Berliner Mietendeckels war, dass er genau die für viele Wohnungen de facto geschaffen hätte.
Ich bin durchaus dafür, dass Mietpreise mit der Qualität des Wohnraums - ob nun durch Lage oder Ausstattung - skalieren.
Dass bspw. Geringverdiener langfristig aus attraktiven Wohnlagen verdrängt werden, mag man betrauern, aber letztlich ist das imo nichts, wogegen der Staat was unternehmen sollte.
Das Problem entsteht, wenn es selbst für Normalverdiener schwierig bis unmöglich wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden und die arbeitende Bevölkerung insgesamt zugunsten der Immobilienbesitzer gesöpft wird.