Ich stimme dir sogar zu. Hab es auch oben 1-2 mal erwähnt. Dieser Schröder wirkt souveräner, eloquenter und einfach sachlicher, Kauder dagegen gibt sich wie ein Gockel der umbedingt recht haben will und dann sich in Sachen verhakt von denen er mit Sicherheit weniger Ahnung hat. Heil macht das ein wenig geschickter, aber das ist nicht der Punkt.
Außerdem wirkt es natürlich auf das Publikum aus einer Perspektive der "Expertise", "Wer hat Recht bei der Sachfrage" vermutlich kontraproduktiv.
Aber das interessante ist, du sagst es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um das ökonomische. Natürlich stimmt das im Grunde, jedenfalls aus der Perpsektive der beiden Experten. Aber was machst du hier (und zwar zurecht!) du trennst die kommunikativen Bereiche, indem du sagst: hier in diesem Rund, in dieser Debatte gelten als sinnvolle und anerkannte Argumente nur diejenigen, die in wirtschaftlichen Zusammenhängen ihre Richtigkeit behaupten können. Das ist der eine Kommunikationszusammenhang, den verfolgen auch dieser Liberale und Schröder. Und wir sind uns wohl einige, dass die Experten hier einen Vorteil haben, es ist ihr Beruf so etwas zu verstehen und darin zu argumentieren. Natürlich gibt es auch fachinterne Streitigkeiten, aber das ist jetzt nicht der Punkt. Diese würden sicherlich nicht mit dem Vorwurf "hey ich hab Recht, oder bin politische legitimiert" ausgetragen, sondern mit einem Methodenstreit oder einem Angriff auf die grundlegenden Axiome.
Auf der anderen Seite sitzt nun Kauder der wohl folgendes weiss: Ich bin kein Experte in Sachen Wirtschaft und ich bin Politiker, der 1. z.Z. eine recht wichtige Mehrheit organisieren muss (er hat viel Macht) und 2. er muss irgendwie wiedergewählt werden. Das ist genauso seine Berufung als Politiker, wie Gewinne für die privaten Aktionäre bei dem Hedge Fond Manager. Diese Zielsetzung gibt beiden völlig unterschiedliche Mittel und Kommunikationsmuster in die Hand. Es ist in meinen Augen recht eindeutig, dass politische Entscheidungen auf völlig verschieden Art und Weise zustande kommen wie marktwirtschaftliche Gewinne, nicht umsonst gibt es für beide verschiedene Wissenschaften, natürlich gibt es Theorien die sich überschneiden etc. aber das können wir im Moment vernachlässigen.
Diese Unterschiede haben übrigens mit der Natur der Kommunikations zu tun, weil zwar jede Antwort möglich ist, aber nicht jede ist sinnvoll. Sinn garantiert quasi eine Stabilität von Diskursen. Aber natürlich werden die Phänomene nicht wirklich getrennt, weil sie in der Lebenswelt von Menschen wieder verzahnt sind. Die Trennung garantiert nur eine sauberere und logischer Argumentationsfolge. Genau wie hier der Gerechtigkeitsvorwurf gegen eine wissenschaftliche Argumentation ins leere geht (siehe Zwaps), andersherum gilt das ebenso.
Deshalb verstehe ich was Kauder macht, auch wenn es mir unsympathisch ist. Ich würde ihm sogar Recht geben in seiner Argumentation.
Und nochmal zum Eingangspunkt zurückzukommen: er ist sozusagen Experte für die Herstellung von kollektiv gültigen Entscheidungen und im Grunde auch von der Durchführung von Gerechtigkeitsvorstellungen, obwohl hier sicherlich Philosophen oder Priester mehr zu sagen hätten. Aber die Leute erwarten so etwas von der Politik, d.h. es fällt partiell in ihren Zuständigkeitsbereich. Und die Erwartungshaltung ist hier entscheidend, nicht die "logisch, mathematische Lösung des Problems", weil es die Zurechnung von Problemlösungskompetenzen und von Kommunikationsstil darüber entscheiden, wie etwas gelöst werden kann.
Im Mittelalter galten quasi völlig andere Argumentationsmuster gegenüber dem Tod oder der Wirtschaft. Man könnte natürlich heute sagen: die Leute waren dumm, aber dann würde man sie nicht ernst nehmen und sie niemals verstehen. In ihrer Sinnwelt (und axiomatischen) Lebenswelt war das durchhaus logisch.
Natürlich stehen wir am Ende vor einem praktischen Problem: beide Bereiche sind argumentativ zwar "getrennt", berühren sich aber in unzähligen Punkten. Das erfährt man sowohl in der eigenen Lebenspraxis, als auch in auf einer höheren Ebene, wenn man z.b. das Thema Umweltverschmutzung oder Steuern anschaut. Beide Argumentations- und Handlungsmuster greifen drastisch in den jeweils anderen Bereich ein. Ich hab dafür keine allgemeine Patentlösung, weil ich denke diese Probleme müssen immer in ihrer Situation gelöst werden. Ich wollte hier nur Verständnis erzeugen und sagen, manche "Misskommunikation" lässt sich logisch durchaus verstehen, ohne gleich zusagen "der ist dumm" oder "ich hab die Wahrheit" gepachtet. Wie gesagt natürlich basiert meine "Theorie" auch auf viele Annahmen, die hier wohl einigen nicht passen würden. Aber das ist ein anderer Punkt.
Aber die Idee dahinter ist schon, dass wenn man erstmal versteht warum jemand etwas sagt und in welchem System und Sprecherposition er sich befindet, kann man das besprochene Problem besser verstehen und eine Lösung herbeiführen. Dabei muss ich persönlich sagen, dass ich natürlich das Primat der Politik als das dominantere ansehe und deshalb immer wieder eine Brücke zur "Gerechtigkeit" schlagen würde (was jetzt nur ein Beispiel ist). Andere hier sehen das anders und das widerspricht auch nicht den theoretischen Überlegungen, sie dürfen nur nicht Blind für die Politik sein. Das sind sie aber. Deshalb werf ich MV und Claw ja auch einen "wirtschaftlichen" Totalitarismus vor. Primat und die Ausweitung eines Erklärungsmuster auf alles, sind aber zwei unterschiedliche Dinge.
Allgemein will ich jetzt nicht zu stark auf die wissenschaftlichen Versatzstücke eingehen, weil ich weder namedropping betreiben möchte, noch irgendwie eine totale Kohärenz der ganzen Sache postulieren will. Es sind eher angeregte Gedanken von verschiedenen Soziologen etc. Außerdem kann man in einem Forum sowas schlecht besprechen, imho.