Wozu brauchst du Gott, wenn du in Friedenszeiten in einer Industrienation Mitteleuropas geboren wurdest, in der dich ein engmaschiges soziales Netz jederzeit auffängt, sobald du dich in einer Notsituation befindest?
Du musst nicht mehr für sauberes Wasser und Essen beten, für Medikamente, ein Dach über dem Kopf, für die Chance auf Bildung….. du bekommst alles was du brauchst ohne jegliche Anstrengung.
Wenn du dich schlapp fühlst, Fieber und Schmerzen hast, gehst du zum Arzt. Belasten dich schwermütige Gedanken und Probleme, hilft dir ein Psychologe. Früher ist man mit seinen Sorgen zum Pfarrer gegangen. Braucht man nicht mehr. Hast du keinen Job mehr, Schulden oder Integrationsprobleme, gibt es Ämter, die dir weiterhelfen.
Du ertappst dich beim Beten, wenn du Angst hast, vor deiner eigenen Zunzulänglichkeit – „bitte lieber Gott lass mich die Prüfung schaffen“…..
Du flehst heimlich, „bitte oh Gott, wenn es dich gibt, lass die Emily (xyz-sonstwie-Tussi) zur Vernunft kommen, ich liebe sie doch so sehr, ich darf sie nicht verlieren, mach doch, dass ich sie zurückbekomme, es tut so weh…“
Du stellst plötzlich Kerzen auf in der Kapelle, die du noch nie zuvor freiwillig betreten hast, weil deine Mama beim Arzt erfahren hat, dass sie einen Knoten in der Brust hat, der dringend näher abgeklärt werden muss.
Ich bin kein gläubiger Mensch. Ich kenne nicht die Antwort auf den Ursprung des Universums, die Entstehung der Menschheit. Ich grübele auch nicht darüber, dafür habe ich gar keine Zeit. Ich tue, was ich kann, aber stoße manchmal an meine Grenzen.
Ich weiß nur, wenn mich jemand bittet, mit ihm und für ihn zu beten, dann geht es ihm schlecht und es hilft, wenn man darauf eingeht. Es wirkt beruhigend und bereitet darauf vor, loslassen zu können. Es ist die Angst vor dem Sterben, die viele Menschen im letzten Abschnitt ihres Lebens so gottesfürchtig macht. Das Ende ist friedlicher, wenn man im Glauben geht.