Mir ist hier ja schon mehr als einmal mangelnde Sensibilität für demokratische Gepflogenheiten vorgeworfen worden. Da finde ich spannend, wie viele hier mal eben bereit wären dem Wahlvolk aus fragwürdig abstrakten und schwurbeligen Gründen die Wiederwahl seiner Regierungschefin zu verbieten.
Das Wahlvolk wählt bei uns keinen Regierungschef, sondern ein Parlament. Es würde also allenfalls das Recht des Bundestags, den Regierungschef zu bestellen minimal eingeschränkt.
Ansonsten bin ich mittlerweile klar pro Amtszeitbegrenzung des Bundeskanzlers. Zur Demokratie gehört auch, dass das Personal ab und zu mal wechselt und "wenn es das Wahlvolk aber so will" geht als Argument natürlich vollkommen ins Leere, denn damit kann man jedwede beliebige Machtbegrenzung aufheben - solange "der Wähler" es halt so will...
Ich brauche aber auch keine hochtrabenden demokratietheoretischen Argumente. Ich habe schlichtweg keinen Bock mehr, nochmal 20 Jahre dasselbe langweilige, nichtsnutzige, breiige Gesicht zu sehen. Dass dann vielleicht auch mal jemand, den ich gerne länger behalten würde, nach acht Jahren den Hut nehmen muss - geschenkt.
Alleine schon wie ständig irgendeine niemals näher definierte "Stabilität" angeführt wird, warum es jetzt so toll war, dass Merkel nochmal dran war. Ein Kommilitone hat das 2017 schon als guten Grund genannt und eine Arbeitskollegin neulich auch wieder. Aber wenn man dann nachfragt, was diese ominöse "Stabilität" sein soll, dann hört man plötzlich Grillen zirpen. Weil die Wahrheit einfach darin besteht, dass diese "Stabilität" sich schlichtweg in innenpolitischem Stillstand artikuliert und sonst in nichts. Aber die Welt da draußen steht nicht still, weil Deutschland "Stabilität" wählt. Der Rest der Menschhheit wartet einfach nicht darauf, vom Deutschen die Welt erklärt zu bekommen, auch wenn gerade Konservative in Deutschland ständig anderer Meinung sind (weil wir ja die besten Autos der Welt bauen und als einzige wissen wie man mit Schulden umgeht!).
Was ich hingegen kategorisch ablehne ist eine Verlängerung der Legislaturperiode. Erst recht wenn hier schon wieder dieses haarsträubende Argument gebracht wird, es sei zu oft Wahlkampf. Sind wir noch eine Demokratie oder was? Es
soll um politische Konzepte gekämpft/gestritten werden und zwar im öffentlichen Raum! Letztlich ist das doch auch nur die mildeste Variante vom alten Verlangen nach dem starken Mann.
Zumal es in einem Bundesstaat mit parlamentarischer Demokratie ohnehin realistischerweise nicht zu vermeiden ist, dass immer irgendwo eine halbwegs wichtige Wahl stattfindet.
Funfact hierzu: In Österreich hat man Mitte der 2000er-Jahre die Legislaturperiode des Nationalrates auf fünf Jahre verlängert - ein Land, das in den letzten 30 Jahren ganze drei turnusgemäße Wahlen abgehalten hat. So viele wie Italien vorgezogene.