Das glaube ich überhaupt nicht, dass 2017 bis 2020 ein Indikator dafür ist, was in den nächsten 4 Jahren passieren wird.
2017 bis 2020 war komplettes Chaos. Keiner wusste was passiert, massivste Infights, keinerlei Linie oder Agenda, jeden Tag ne neue Katastrophe. Jetzt schaut das komplett anders aus. Da wirkt vieles sehr strukturiert und organisiert, von der Kabinettsbesetzung über seine ersten Executive Orders bis zur Interaktion mit der Öffentlichkeit und den Eliten. Trump mag der gleiche Idiot sein und Unsinn labern, aber sein Stab ist anders besetzt, insbesondere moralisch auf Loyalität ausgerichtet und viel besser organisiert.
Dass die Administration selbst diesmal besser vorbereitet ist stimmt zwar, aber das spricht in meinen Augen eher für als gegen meinen Punkt. Die latente Unzufriedenheit in der Gesellschaft in den USA ist der im Rest der westlichen Welt nicht unähnlich, nur vielleicht noch ein bisschen intensiver und gleichzeitig ein bisschen weniger fokussiert, weil dort schon lange nahezu überhaupt kein Vertrauen mehr in das politische System existiert. Es gibt jetzt zwei Arten, diese Unzufriedenheit zu interpretieren:
- Die Menschen wissen nicht so richtig, weshalb sie unzufrieden sind, haben aber eigentlich keinen Grund dazu und die Unzufriedenheit ist "unecht" und kann durch Symbolpolitik gelindert werden
- Die Unzufriedenheit ist real und hat Gründe, aber die Bevölkerung kann sie nicht richtig benennen
Im ersten Fall wäre die Gesellschaft Fallobst für den klassischen Lehrbuch-Demagogen: Man projiziert alle Probleme, die die Bevölkerung angeblich hat, auf einen "Anderen", tut so als würde man diesen bekämpfen (während alle anderen nichts oder zu wenig tun) und feiert sich selbst autosuggestiv als Held. Das ist quasi das Gesellschaftsbild von 1984: Trump ist Big Brother; sein Emmanuel Goldstein ist wahlweise je nach Thema der Rest der Welt, illegale Migranten, die "woke left" und wenn man nur genug two minutes hate abhält, schnallen die Leute das und Trump wird für seine Politik gefeiert.
Das Problem mit dieser Sicht auf die Dinge ist, dass es bisher empirisch keinen Beleg dafür gibt, dass das funktioniert. Tatsächlich sieht man bei denjenigen, die sich selbst als Parteigänger ("partisans") sehen, eine erschreckende Bereitschaft dafür, die Parteilinie weitestgehend unkritisch als eigene Sicht zu übernehmen. Aber beim großen Teil der Bevölkerung, der sich entweder der anderen Partei zugehörig fühlt oder keiner Partei sieht man überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Meinungen Richtung der politischen Linie der Administration verschieben, eher im Gegenteil: Wenn die Republikaner an der Macht sind ist die Mehrheit mit ihnen genauso unzufrieden wie sie mit Biden unzufrieden war. Als Trump letztes Mal Präsident war, waren seine Zustimmungswerte für die letzten drei Jahre genauso schlecht wie die von Biden in den letzten drei Jahren seiner Präsidentschaft (im ersten Jahr waren Bidens Werte deutlich besser).
Trumps Problem wird sein, dass die zweite Option viel eher die Realität abbildet: Es gibt eine reale Unzufriedenheit in der Bevölkerung, auch wenn die meisten Leute nur sehr vage benennen können was sie tatsächlich stört. Weil sie aber real ist wird Trumps Politik wieder ins Leere laufen, weil sein Weltbild schlicht mit der Realität nicht viel zu tun hat: Die USA werden wirtschaftlich nicht von anderen Staaten "abgezogen". Kriminalität ist kein Problem von Einwanderern, sondern von der Gesellschaft. Drogen kommen nicht über die Grenzen, sondern werden im Landesinnerern hergestellt. Die Probleme der Mittelschicht sind nicht "woke" Eliten, mit denen ihr tatsächliches Leben überhaupt nichts zu tun hat. Sich auf diese "Probleme" zu fokussieren wird wieder denselben Effekt haben wie in Trumps erster Präsidentschaft auch: Die eigene Basis feiert es, die Basis der anderen Partei lehnt es ab, die Mehrheit bleibt unzufrieden.
Das heißt nicht zwingend, dass Trumps Präsidentschaft scheitern muss, aber es heißt dass die wahren Probleme von alleine besser werden müssen, damit seine zweite Amtszeit als erfolgreich gelten wird. Das ist nicht völlig ausgeschlossen*, aber eben auch nicht sonderlich wahrscheinlich. Und dass Trumps Administration besser vorbereitet ist hilft da überhaupt nicht, denn wenn man Trumps Scheinprobleme bearbeitet, ist es egal wie solide die Administration handwerklich funktioniert: Der Panama-Kanal interessiert die Mehrheit der Bevölkerung nicht, genauso wenig wie Grönland oder wie hoch der Teil des BIP ist, den die Europäer für Verteidigung ausgeben.
*bspw. hatten sowohl Clinton als auch Bush II das Glück, dass unter ihnen die Kriminalität deutlich gesunken ist, ohne dass sie politisch irgendetwas getan haben, dem man diesen Rückgang kausal zuordnen könnte