Stimmt so teilweise. Trump hat klar Wahlkampf mit America First gemacht, wurde dafür gewählt und reduziert jetzt mit klarem demokratischen Mandat die Entwicklungshilfe. Da sich darauf zu berufen, dass Vorgängerparlamente aber andere Gesetze erlassen haben ist auch nicht demokratisch. Letztendlich aber eh egal, da die Reps auch die Legislative kontrollieren. Jetzt brescht die Exekutive halt vor, Gesetze werden dann schon nachgezogen.
Aus demokratietheoretischer Sicht ist die übergelagerte Frage, ob die Legislative es in den USA nicht schon lange massiv übertreibt. Die Legislative ist dafür zuständig mit Gesetzen einen Rechtsrahmen zu schaffen. Im Finanzbereich bedeutet das einen Budgetrahmen festzulegen innerhalb dessen die Exekutive sich bewegen kann. Macht es wirklich Sinn, dass die Legislative in extrem detaillierten Gesetzen den Institutionen der Exekutive vorschreibt, wofür genau sie ihr Geld ausgeben müssen? Ist es so klar, dass man als Bürger möchte, dass die Exekutive das auch dann ausgeben muss, wenn sie es für sinnlos erachtet?
Mehr als zweifelhafte Darstellung. "America First" ist erst mal eine Formel, in die man eine Menge hineininterpretieren kann. Denselben Slogan hatte er 2016 auch und da wurde USAID ja auch nicht einfach eingestampft. Dass er wirklich ein "demokratisches Mandat" dafür hat, USAID abzuwickeln, obwohl er das im Wahlkampf so in keiner Weise erwähnt* hat, halte ich zumindest für sehr diskutabel. Es gäbe auch keine Mehrheit im Senat, USAID einfach abzuschaffen, vermutlich nicht mal wenn es nur 50 Stimmen bräuchte, aber de facto bräuchte man 60, weil die Abschaffung einer gesetzlichen Behörde nicht in einem Budgetgesetz beschlossen werden kann, deshalb gilt die Filibuster-Regel. Im Übrigen ergeben die Umfragen auch eine Mehrheit dafür, weiterhin Entwicklungshilfe zu zahlen. Das Thema ist in den USA sowieso total vergiftet, weil Amerikaner absolut keine Ahnung haben, wie viel Entwicklungshilfe der Staat wirklich zahlt: Die meisten Befragten überschätzen den Anteil der Entwicklungshilfe am Budget um mehr als eine Zehnerpotenz und denken, die USA seien das großzügigste Land der Welt (in Wahrheit sind nur sehr wenige OECD-Länder weniger großzügig).
Beim zweiten Absatz kann ich mir ehrlich gesagt nur an den Kopf fassen. Gerade die US-amerikanische Legislative ist mittlerweile seit Jahrzehnten gelähmt und kann sich auf fast gar nichts einigen (unter anderem wegen der eben erwähnten Filibuster-Regel). Im historischen Vergleich ist die Stellung des Präsidenten im Vergleich zum Kongress nicht schwach, sondern ziemlich stark. Es gibt schon einen guten Grund, warum Artikel 1 den Kongress behandelt und nicht den Präsidenten. Tatsächlich hatten die USA fast 100 Jahre (quasi von Andrew Jackson bis FDR) mit einer einzelnen, sehr spezifischen Ausnahmen (Lincoln im Bürgerkrieg) ein sehr schwaches Präsidentenamt, das erst wieder wirklich an Macht gewann als der amerikanische Staat angefangen hat, modern zu werden. Dass die Legislative dem Präsident vorschreibt, wofür er Geld ausgeben kann ist sogar im wahrsten Sinne des Wortes die Kernkompetenz eines Parlaments. Dass der Präsident nicht einfach entscheiden kann, was er ausgeben möchte und was nicht ist längst geklärt und der gegenteilige Standpunkt ergibt wenig Sinn: Der Präsident ist gewählt, die Gesetze auszuführen (deshalb "executive"). Wenn der Kongress ihm das Recht geben will, nur auszugeben was er für nötig hält, kann er das ja ins Gesetz schreiben. Ansonsten müsste man sich aber auf den Standpunkt stellen, dass das Ausgeben von Geld eine besondere Funktion der Exekutive ist. Dann kann man allerdings auch direkt behaupten, das Ausführen von Gesetzen ist eine besondere Funktion der Exekutive und der Präsident kann sich frei aussuchen, welche Gesetze er befolgen möchte und welche nicht. Das wird wohl kaum die Intention der Verfassung gewesen sein.
*das stand im Übrigen so nicht mal in Project 2025 (von dem er sich ja sogar distanziert hat, obwohl das jetzt natürlich größtenteils die Blaupause sein wird, die alle erwartet hatten), wo von einem realignment der Ziele gesprochen wurde, nicht von einer Abwicklung
Eine andere Frage ist, ob wir die Massnahmen an sich gut finden. Persönlich finde ich natürlich, dass ein Land wie die USA durchaus AIDS-Hilfe in Afrika leisten sollte. Ich finde aber auch, dass wir das respektieren müssen, wenn ein guter Teil der Wahlbevölkerung in den USA das anders sieht.
Nochmal eine andere Frage sind die potentiellen Interessenskonflikte der handelnden Personen. Dadurch, dass da so viel gleichzeitig passiert ist es ultra schwierig das aufzudröseln, ob das jeweils Zufall ist, Vorteilsnahme oder Vergeltung. Die Aufweichung jeglicher moralischer Standards (bei den rechten), wie auch der Glaubwürdigkeit (auf beiden Seiten), sehe ich mit grosser Sorge.
Hier drängen sich imo viel offensichtlichere Fragen auf. Neben der demokratietheoretischen Frage, ob eine einzelne Person das entscheiden sollte (offensichtlich nicht) drängt sich imo ebenfalls die Frage auf, ob diese Entscheidungen mit einfachen Mehrheiten so getroffen werden dürfen, dass sie nicht revidierbar sind. Wenn du USAID abwickelst kann der nächste Präsident, wenn er das möchte, kann der nächste Präsident nicht mehr auf 60 Jahre Struktur zurückgreifen, sondern müsste eine Behörde wieder von Neuem aufbauen. Wenn man so ein Vorgehen verallgemeinert öffnet man Autokraten Tür und Tor: Wenn absehbar ist, dass sie die nächste Wahl nicht gewinnen, haben sie die freie Wahl einfach die Institutionen abzufackeln, die Funktionen ausüben die ihnen nicht passen. Stell dir vor in drei Jahren wickelt Trump den IRS ab, weil die Republikaner keine Steuern mögen. Was kann ein Nachfolger dann noch beschließen, wenn unklar ist wie der Staat sich im nächsten Fiskaljahr noch finanziert?