Original geschrieben von SatYr[FP]
du willst aus dem gymnasium eine von der gesellschaft abgehobene (weil nur gleiche mit gleichen verkehren dort) elitenschmiede machen. du willst aber andererseits real- und hauptschule zusammenfassen. warum nicht den letzen schritt gehen und alle strukturell zusammenfassen?
Warum sollte man das tun?
Das Gymnasium soll nicht nur eine Leistungsstufe sein, z.B. innerhalb einer integrierten Gesamtschlue, sondern eine eigenständige Institution mit einem eigenen intellektuellen, akademischen Umfeld, das nicht nur auf den Besuch einer Universität, sondern auch auf eine bestimmte Lebensweise vorbereitet.
So ein Umfeld kannst du nicht schaffen, wenn du die Schule mit einer großen Mehrheit ehemaliger Haupt- und Realschüler teilst.
Original geschrieben von SatYr[FP]
mal ein ganz pragmatisches argument: wenn du die schulformen logistisch trennst und gleichzeitig die gymnasien verkleinerst schrumpft logischerweise die gymnasialdichte. das führt dann vor allem zu problemen in ländlichen regionen und bei finanziell schlechter gestellten familien, weil für sie die anfahrt schlicht zu kompliziert wird.
Das sind doch Scheinargumente. Natürlich wird es dann für Leute, die irgendwo auf dem Dorf wohnen, etwas schwieriger, das ist jetzt übrigens auch schon so, denn wenn die einzige weiterführende Schule, die es im Umkreis von 5km gibt, nicht besonders ist, muss man damit vorlieb nehmen oder eben weiter fahren. Und ich wüsste jetzt auch nicht, wo da ein großer Unterschied zwischen ärmeren und reicheren Familien liegen soll.
In einem 2000-Seelen-Dorf aufzuwachsen hat nun mal logistische Nachteile. Das wirst du über die Schule nicht verändern können.
Wenn man es für unbedingt notwendig hält, in bestimmten Gebieten das Gymnasium institutionell in die Mittelschule zu integrieren, soll man das ruhig tun, solange der Leistungsstandard gewahrt bleibt.
Für erstrebenswert halte ich das aber nicht.
Original geschrieben von SatYr[FP]
du hast richtig erkannt dass es nötig ist mehr, nicht weniger leute an ein studium heranzuführen. warum machst du dann aber die rolle rückwärts und willst das studium wieder zweiteilen? damit erzeugst du doch eine komplette von der bevölkerung abgetrennte oberschicht die wirklich ihren kopf in den wolken hat. wenn das dein geheimer masterplan ist um den spinner mit ihren "die da oben"-argumenten eine größere zuhörerschaft bringen willst dann herzlichen glückwunsch zum erfolg.
Ich mache keine Rolle ruckwärts, sondern bin mir einer Tatsache bewusst, die man im Bildungssystem schon immer ignoriert hat: Dass es Studenten gibt, die eine berufsqualifizierende Ausbildung auf einem höheren theoretischen Niveau wollen, das übliche Ausbildungen bieten, und dass es solche gibt, für die die Berufsqualifizierung erstmal nachrangig ist, weil sie sich erstmal auf das akademische Studium konzentrieren wollen.
Früher hatten wir eine sehr akademisch ausgerichtete Universität und dann eine Kluft, die erst durch die Ausbildung und teilweise das Studium an Fachhochschulen geschlossen wurde.
Diesen Mißstand hat man über Jahrzehnte verkannt und es versäumt, das berufsqualifizierende Studium an einer Fachhochschule mehr Schulabgängern zugänglich zu machen, nämlich nicht nur jenen, die ihr Abitur gemacht haben.
Das ist ein fatales Versäumnis, das uns bereits weit zurückgeworfen hat. Wir überwinden es aber nicht, indem wir jetzt den akademischen Teil plattmachen und die Universitäten verschulen, um alles auf Verwertbarkeit und Berufsqualifikation auszurichten.
Darum will ich hier Wahlfreiheit, damit ein junger Mensch, sobald er eine gewisse Reife erreicht hat, sich aussuchen kann, in welche Richtung er gehen will. Das geht nur, wenn wir beide Abschlussarten anbieten.
Ob man das institutionell so strikt trennen muss, ist dann die nächste Frage. Ich bin da nicht so beharrlich eingestellt und inzwischen tendiere ich eher dazu, den Universitäten einfach die komplette Wahlfreiheit darüber zu gewähren, welche Studiengänge und Abschlüsse sie anbieten und welche Bewerber sie für welche davon zulassen. Dann kann sich der formale Aspekt über Angebot und Nachfrage regeln.
Gleichzeitig muss man aber auf jeden Fall das Fachhochschulwesen ausbauen, um für eine größere Zahl an Schulabgängern eine berufsqualifizierende Ausbildung auf internationalem Niveau bieten zu können.
Original geschrieben von SatYr[FP]
[...] aber jemand der in mathe gut ist ist nicht unbedingt in deutsch gut. dort kann er dann ja einen mittleren kurs besuchen. (umstufen muss natürlich immer möglich sein). [...]
gerade die hochschule ist ja noch spezieller. wieso soll jemand der , weil er keine gedichte interpretieren kann, nicht auf dein gymnasium geschafft hat nicht trotzdem mathematik studieren können wenn er darin begabt ist? gerade an der uni starten doch viele mittelmäßige schüler noch mal durch weil sie sich endlich nur noch mit dem beschäftigen was sie interessiert.
Hier liegt einer der fatalsten Irrtümer unserer Bildungspolitik, aber auch unserer gesellschaftlichen Auffasung des letzten halben Jahrhunderts: die große Spezialisierung, die große Individualisierung und die große Beliebigkeit.
Ich will eines voranstellen, damit wir uns hier richtig verstehen: Es geht nicht darum, die individuelle Förderung in Frage zu stellen, sondern darum, ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: nämlich den Schüler auf ein erstrebenswertes und für einen bestimmten Bildungsgrad schlicht erforderliches absolutes Niveau zu bringen.
Denn das Märchen vom in Mathematik begabten Schüler, der es in Deutsch einfach nicht gebacken kriegt, ist doch nichts als eine Beschönigung der Beliebigkeit, die bereits in gefährlichem Maße um sich gegriffen hat. Ich finde es geradezu bemerkenswert, dass diejenigen, die immer darauf pochen, dass Anlagen im Vergleich zu Erziehung, Förderung und Bildung nachrangig seien, sich bei diesem Thema dann plötzlich darauf verlegen: wenn ein Schüler bestimmte Fächer bevorzuge und andere für gering erachte, dann sei das eben so und man solle das hinnehmen, ja diese Tendenz sogar verstärken.
Man bringt den Schülern bei, dass es normal sei, gewisse Dinge nicht auf die Reihe zu bekommen. Ich mein, ist ja klar: Mutti und Papi waren nicht gut in Mathe, haben ne Geisteswissenschaft studiert, also verzeihen sie es auch dem Töchterchen, wenn die schon in der Mittelstufe die simpelsten Zusammenhänge nicht mehr versteht. Und diese Liederlichkeit wird auch vonseiten der Lehrer und überhaupt fast jedem anerkannt - am deutlichsten zeigt sie sich in dem ewigschwelenden, aber im Grunde einfach peinlichen Konflikt zwischen Natur- und Geisteswissenschaften: wer vom einen keine Ahnung hat, hält das automatisch auch für legitim, denn man gesteht sich ja gerne die eigenen Unzulänglichkeiten ein. Und es gibt so wenige, die diese tiefe Kluft wirklich überwinden.
Diese Unehrlichkeit, diese Selbstzufriedenheit mit der eigenen Unzulänglichkeit muss endlich aufhören und durch Wahrhaftigkeit ersetzt werden.
Denn die Wahrheit ist einfach: Es gibt fast keine Schüler, die in einigen Schulfächern "begabt" sind und zu anderen schlicht nicht fähig. Das ist Unsinn. Das Niveau, auf dem sich die Schule abspielt, ist niedrig genug, so dass jeder, der ein Gymnasium auch zurecht besucht, in der Lage sein sollte, in jedem Fach gewisse Anforderungen zu erfüllen, sogar Anforderungen, die weit über dem liegen, was heute an vielen Gymnasien gefordert wird.
Natürlich funktioniert das nur, wenn man diese Offenheit auch von klein auf entwickelt und schon den kleinen Kindern beibringt, dass jedes Fach seinen Nutzen hat und es wert ist, sich damit zu beschäftigen.
Die großen Ungleichheiten, die wir jetzt haben, werden sich viel einfacher aus dem System als aus den Köpfen der Menschen vertreiben lassen.
Da muss man natürlich auf die, die jetzt Leidtragende dieser Umtriebe sind, Rücksicht nehmen.
Und wie gesagt: Ich bin nicht dafür, dass man keine Chance haben sollte, an eine Universität zu gelangen, nur weil man kein Abitur hat. Man wird es sicherlich schwerer haben, wenn das Abitur eine Marke ist und bleibt bzw. erst wieder wirklich wird. Aber es sollte möglich sein, wenn man das Potential hat.