Original geschrieben von SatYr[FP]
ich möchte dir widersprechen dass das gymnasium die beste schulform ist. entweder wurde es wie in nrw durch eine breite öffnung faktisch entwertet oder es wird wie in bayern nur einer sehr kleinen schicht geöffnet, was natürlich die durchschnittsleistung der gymnasiasten (und übrigens auch der hauptschulen, weil dort viele schüler hinkommen die in nrw ins gymnasien kommen würden, aber das nur am rande) hebt. man muss aber immer die leistung des bildungssystems als gesamtes betrachten. gymnasium für alle geht eben nicht (und wenn doch hat man de facto wieder ne gesamtschule)
Sicher, der Fehler
muss sich durch die Verteilung der Schüler begründen.
Um den Unterschied zwischen einer "breiten Öffnung" in NRW und dem nur einer "sehr kleinen Schicht" geöffneten bayerischen Gymnasium mit Zahlen zu untermauern: 2003 (da hab ich grad die einheitlichen Daten parat) betrugen die Gymnasiastenquoten in Bayern 26,3% und in NRW 28,8%, ganze 2,5 Prozentpunkte unterschied also.
Ich weiß nicht, was du unter einer sehr kleinen Schicht verstehst, aber für mich sind über ein Viertel der Schüler für eine Schulform mit dem Anspruch des Gymnasiums immernoch eine gewaltige Menge.
Es ist geradezu lächerlich, wie Bayern gerade wieder runtergemacht wird, weil es angeblich Hochburg der sozialen Segregation sei, nur weil den Alt-68ern nicht in den Kram passt, dass Bayern trotz (oder gerade wegen?) einer im Vergleich zu vielen anderen Ländern erzkonservativen Bildungspolitik alle anderen in die Tasche steckt. Und die Basiskompetenzen, die bei Pisa abgefragt werden, sind ja nur die Spitze des Eisbergs, wenn es an echte Bildung, abfragbares Wissen und akademische Kompetenz geht, ist der Vorsprung höchst wahrscheinlich noch größer.
Wenn wir die Leistung des gesamten Bildungssystems betrachtet, einschließlich der Hochschulen, lässt sich einfach mit einiger Berechtigung sagen, dass Bayern das Bildungsmusterland Deutschlands ist. Und das lässt sich auch nicht durch egalitären Dogmatismus wegreden.
Ich sage nicht, dass in Bayern alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Auch da gibt es Reformbedarf. Aber es ist schon ein gewaltiges Zeugnis, dass gerade in Bayern, das sich weniger als alle anderen Länder dem Reform-Hick-Hack der letzten Jahre hingegeben hat, die Bildung noch ein anständiges zu Hause hat.
Und diese Errungenschaft, zu der man eher aufsehen und sich mühen sollte, ihr nachzueifern, wird in diesen Tagen wieder von denen, die es mit ihren Reformen andernorts verbockt haben, schlechtgeredet.
Das ist einfach nicht richtig und vor allem für unser Land überaus schädlich.
Original geschrieben von SatYr[FP]
natürlich geht das nicht ad hoc, da braucht es eine übergangsfrist in der auch die lehrer dafür ausgebildet werden (randbemerkung: lehrer haben wir, was fehlt sind schulpsychologen, verwaltungsfachpersonal für derzeit von lehrern übernommene nicht-lehr-tätigkeiten usw.
gute bildung kostet geld. das muss aus steuermitteln bezahlt werden. eine sich lohnende investition ist es allemal.
Wir haben Lehrer, aber nicht genug. Und die, die wir haben, haben hohe Aufallquoten und leiden an Überforderung. Fachspezifisch herrscht schon heute eklatanter Mangel und das pädagogische Studium gehört auch stark verbessert. Dennoch sind wir in den nächsten Jahren gezwungen, jeden, der noch so verrückt ist, in diesem Land den Beruf des Lehrers zu ergreifen, aufzunehmen, weil uns schlicht die Alternativen fehlen.
Hier sind gewaltige Anstrengungen, organisatorischer wie finanzieller Art nötig, um eine Verbesserung zu bewirken.
Und dass Bildung eine lohnende Investition ist, brauchst du mir nicht erzählen. Das Problem ist, dass wir die Steuermittel, auf die du dich hier berufst, nicht haben.
Unser Staat ist arm, wann dringt diese Wahrheit endlich zu jedem durch?
Wir machen trotz unerwartet erhöhter Steuereinnahmen weiter Schulden und sind gerade dabei, noch mehr Geld für soziale Wohltaten auszugeben. Die Bildungsinvestitionen sind in den letzten Jahren allen frommen Bekenntnissen zum Trotz weiter stagniert oder nur minimal angestiegen.
Das ist so, weil die Bildung keine starke Lobby hat. In Talkrunden ist jeder für Bildung, weil es gut klingt, wenn es aber darum geht, woher die Mittel für die nötigen Verbesserungen besorgt werden sollen, nähen sich alle die Taschen zu.
Und weil das so weitergehen wird, wird sich auch kurz- bis mittelfristig nichts ändern.
Original geschrieben von SatYr[FP]
nochmal zum mitschreiben: gesamtschule heißt NICHT gleichmacherei: im gegenteil, duruch unterschiedliche schwerpunktkurse und individuelle förderung sowohl der schwachen als auch der starken schüler wird das lernen individualisiert. gleichzeitig profitieren aber sowohl starke als auch schwache schüler voneinander indem z.b. die starken den schwachen beim lernen helfen können und dadurch auch sicherer in der vermittlung von wissen sowie in ihrer sozialkompetenz werden.
Soll ich dir noch eben ne Zuckerstange reichen, damit du dich im egalitären Bildungsschlaraffenland auch so richtig rundum wohl fühlst?
Ich sehe gerade die Bilder im Kopf, wie Berliner Gymnasiasten mit der großen Mehrheit an Real- und Hauptschülern zusammengesteckt werden und die Ghettokids aus Moabit und Kreuzberg sich selig in Lerngruppen von den zehlendorfer Bonzenkindern beschulen lassen.
Ich weiß nicht im Detail, durch welche chemischen Reaktionen diese Seifenblasen den wirren Köpfen unserer Bildungsphantasten entstiegen ist, aber mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun.
Was mir hier immernoch fehlt, ist ein schlüssiges inhaltliches Gesamtkonzept für die Zukunft unseres Bildungssystems.
Wir haben uns mal wieder so drauf eingeschossen, eine Diskussion über Schularten, Unterrichtsformen und bürokratische Organisation zu führen, dass wir die Substanz dabei sträflich vernachlässigen.
Denn am Ende ist der größte Dienst, den wir den Kindern erweisen, immernoch, ihnen etwas beizubringen. Und was wir ihnen beibringen, ist ja auch nicht ganz ohne Bedeutung.