saistaed:
Die Rente macht wohl besonders, dass sie die Daseinsvorsorge der Menschen betrifft und damit recht nah daran ist, dass jeder von uns in aller Regel nur 1 Leben hat. Da ist man ganz besonders risikoavers. Ein System das, wie ein steuerfinanziertes, nah an der Politik ist, liefert die langfristige Daseinsvorsorge der Bevölkerung den kurzfristig orientierten Machtkämpfen der Politiker aus. Eine absehbar schlechte Mischung.
Wie Gustavo auch schon schrieb. Private Anbieter unterliegen da einem Haufen Anreizprobleme, z.B. wollen sie verständlicherweise auch für sich selbst Gewinn machen. Für mich ein Grund mich nicht an der vom Arbeitgeber geförderten privaten Altersvorsorge zu beteiligen. Eine kurze Überschlagsrechnung sagte mir, dass ich mit der gleichen Summe in einem zufällig ausgewählten MSCI AWCI ETF vermutlich locker doppelt so gut fahre.
Das von Dir erwähnte "auf existierende Produkte" zurückgreifen würde ja die Anlageentscheidung einer öffentlichen Stelle von den Anlageempfehlungen bzw. der Modellierung eines privaten Anbieters abhängig machen. Bei den Summen die da im Spiel sind gibt das den betroffenen Anbietern eine enorme Macht zur Nachfragelenkung mit dem damit verbundenen enormen Missbrauchspotential. Nein, ich denke das Modell Norwegen ist da ein sehr ordentlicher Benchmark.
Bei den Summen die da zusammenkämen wäre es übrigens auch absolut machbar ein gutes eigenes Team zusammenzustellen. Man braucht nicht unendlich viele Menschen um so etwas zu managen. Zum Start und mit guter Organisation in Tandem mit der DRV dürfte ein Team von vielleicht 100 Leuten schon sehr gute Ergebnisse bringen. Jeden Investmentbereich nach Branche und Region gliedern, Matrixorganisation, jedes Themengebiet bekommt ein großes Team was sich auf die Regionen verteilt, am Ende bleibt jeweils ein kleines Team von 3-4 Leuten pro Themengebiet und Region. Ich habe schon grob vor Augen wie man sowas organisieren müsste, um recht effizient zu sein.
Chentsu:
Es geht bei der Diskussion um den Soli deswegen um die Verteilungswirkung, weil die SPD das Fass aufgemacht hat und die Abschaffung des Soli zu einem Kampfschauplatz um ein ganz anderes Thema, nämlich der Verteilungsgerechtigkeit gemacht. Ökonomische und gesellschaftliche Fragen liegen auf einer anderen (höheren) Abstraktionsebene als verfassungsrechtliche Fragen. Da geht es um die Frage wie wir leben wollen und nicht darum was verfassungsrechtlich die Meinung der dazu relevanten deutschen Juristen ist. Nachdem ich gerade Freitag Abend wieder eine Zufallsdiskussion mit einem Juristen hatte der meinte mir erzählen zu müssen, dass sich die allgemeinverbindliche Definition von Kapitalismus aus dem deutschem Recht herleiten lassen müsse, neige ich dazu Gustavo zuzustimmen: Ich habe aus keiner Berufsgruppe so viele merkbefreite, engstirnige und lernresistente Dummbratzen kennengelernt wie aus der Gruppe der Juristen. Wohlgemerkt, ich kenne auch smarte, nette und intelligente Menschen die Juristen sind, es schließt sich nicht automatisch aus.
Die Diskussion geht im Kern nicht um den Soli sondern um Verteilung, weil es zweifellos ein Thema ist welches die Menschen in Deutschland bewegt. Auch wenn Deutschland unter den großen Industrienationen eines der Länder mit der geringsten Ungleichheit ist, gibt es keinen großen Grund nicht darauf hinzuarbeiten diese Ungleichheit weiter zu reduzieren. Damit meine ich explizit nicht Gleichmacherei, sondern die Herstellung von Chancengleichheit und die Unterstützung von Menschen die Hilfe gebrauchen können, wie zum Beispiel Alleinerziehende. Im gleichen Aufwasch kann man dann auch viele unnötig umständlich geregelte Dinge glattziehen ohne, dass es irgendwelche Verluste gäbe außer vielleicht bei der Zufriedenheit der Steuerberater. Im Übrigen gibt es einen Haufen Evidenz dafür, dass Menschen die in egalitäreren Gesellschaften leben insgesamt glücklicher sind. Es spricht also einiges dafür genau in die Richtung zu gehen … vorausgesetzt wir wollen glücklicher werden.
Die Bodenwertsteuer (ich verstehe das jetzt als Referenz auf Henry George und was er damit meinte) ist in der Theorie tatsählich eine recht effiziente Art der Steuererhebung. Klar ist es nicht "mal einfach so" im laufenden Betrieb möglich von einem existierenden System auf eine single land tax umzustellen, aber ich halte es durchaus für sinnvoll sich von interessanten Ideen aus der Wissenschaft inspirieren zu lassen. Das passiert in der Politik ohnehin viel zu wenig. Da lässt man sich eher von Personen inspirieren die behaupten Wissenschaftler zu sein, die aber einfach nur als Inspiration ausgesucht wurden weil ihre Meinung ganz gut zu dem passt was man gerade als Maßnahme rechtfertigen will.
Der Soli sollte meines Erachtens abgeschafft werden weil er sowieso nie etwas anderes war als eine Erhöhung der Einkommensteuer mit einer rührigen Story drumherum. Und in dem Kontext stellt sich eben die Frage ob man nicht gleich ein paar sinnvolle Änderungen am ESt-Tarif vornimmt. Siehe mein obiges Posting.
Gustavo:
Guter rant, i liked.
Dito für die Erklärung zum Äquivalenzprinzip.
Exakt die Art letztlich gehaltloser Paragraphenreiterei die ich erwartet hatte nachdem ich da schon in meiner ersten kurzen Recherche keinerlei Spurenelemente der erwarteten Begründung gefunden hatte. Das Äquivalenzprinzip in der Sozialversicherung existiert also und ist elementar wichtig für Deutschland weil sich irgendwann mal ein TV-L 13 (vielleicht 14) bezahlter Jurist (mutmaßlich) aus dem wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ausgedacht hat, dass das so sein muss? Abgeleitet von einem dermaßen allgemeinen Statement wie Art 3 GG? Und daran richtet man jetzt jahrzehntelang die Politik eines ganzen Landes aus? Kann man sich nicht ausdenken sowas.
Juristen, bitte sagt mir, dass da ein Haufen versteckter Artikel des GG sowie irgendwelche wichtigen Grundsätze aus den SGB I bis DCLXVI existieren die das besser begründen als ein Paper des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Da arbeiten sicher keine dummen Leute, aber … man arbeitet da auch nicht als Wissenschaftler wenn man die Option gehabt hätte Prof. zu werden. Und das deckelt die zu erwartende Qualität der Kompetenz aus dem Haus schon ein bisschen.