@Gustavo
Kann sein, dass Du recht hast und er blufft, um Deutschland zu mehr Ausgaben zu bringen, kann aber auch sein, dass er das wirklich so meint. Als Präsident kann er das Eingreifen der USA verhindern, Interessensgruppen hin oder her.
Unabhängig von Trump besteht perspektivisch in USA auch noch das Risiko, dass wenn Dems und Reps noch weiter auseinanderdriften das Land irgendwann schlicht handlungsunfähig wird.
Wie Du richtig bemerkt hast, hat Deutschland dann aber im Zweifel gar nicht die Möglichkeiten kurzfristig zu reagieren. Vor allem wenn wir jetzt noch weiter deindustrialisieren, brauchts dann immer mehr Anlaufzeit, um das wieder aufzubauen, wenns überhaupt noch möglich ist. Garantierte militärische Nachfrage mit der Verpflichtung auch die Vorstufen im Inland oder mindestens aus der EU zu beziehen würde da auch die industriellen Fähigkeiten erhalten.
Mein Problem mit der Betrachtungsweise ist, dass sie typisch für den deutschen Blick auf die USA ist: Bei allen diesen Fragen gilt primär, dass es in den USA nie wirklich um Deutschland, Europa, den Nahen Osten, China oder was auch immer geht, es geht immer und hauptsächlich um die USA. Das ist auch das Verrückte an Trump: Jedes Land treibt bis zu einem gewissen Grad Außenpolitik primär als Egoismus. In manchen Ländern ist das schwerer zu erkennen (Deutschland ist ein gutes Beispiel), in anderen Ländern weniger und natürlich unterscheiden sich die Grade auch, aber kaum ein Land betreibt eine so eigensinnige Außenpolitik wie die USA. Dass die AfD den Leuten relativ leicht verkaufen kann, dass Deutschland sich ausnutzen lässt ist eine Sache, aber dass man dasselbe Spiel in den USA (!!!) genauso spielen kann ist schlicht durchgeknallt.
Was in Deutschland nicht verstanden wird ist dass die USA sich eben nicht in Relation zu Europa sehen und das ist genau, weshalb dieses Geschwätz ignoriert werden kann: In den USA denkt niemand "oh, wenn etwas Europa sehr schadet und uns ein bisschen, dann wird der Abstand zu Europa größer", das interessiert schlicht niemanden. Es geht einzig und alleine um den "es schadet uns ein bisschen"-Teil.
Es stimmt zwar, dass ein Präsident in der Theorie die Befugnisse hat, das auch anders zu handhaben, aber ich sehe keinen Grund warum Trump das tun würde. Es würde auch nicht dazu passen, wie seine Politik in der ersten Amtszeit aussah: Trump erzählt den Leuten unheimlich viel und außenpolitisch immer denselben Quatsch, wie die Amerikaner von anderen Ländern übervorteilt würden. Wenn es dann allerdings darum geht, an den Punkten die Trump (eigentlich immer irrigerweise) so kritisiert etwas zu ändern blieb nie irgendwas Substanzielles übrig. Paradebeispiele sind die Mauer und die NAFTA-Neuverhandlungen. In der Realität ist es nämlich so, dass die Außenpolitik vor Trump eben nur unter der Prämisse der amerikanischen Interessen verhandelt hat und dort, wo sie nicht noch vorteilhaftere Regeln hat durchsetzen können, liegt das nicht daran dass es an einem Trump fehlte sondern daran, dass die Verhandlungspartner eben im Zweifelsfall Verhandlungen lieber ganz hätten platzen lassen, was aber die USA (aus oben genannten Gründen) nicht präferierten.
In der Praxis bedeutet die Opposition der Interessengruppen nämlich, dass er instant große Teile seiner eigenen Partei gegen sich hätte und dann wäre für ihn keine Politik irgendeiner Art mehr möglich. Die Republikaner zeigen seit Jahrzehnten, dass sie sich, wenn sie sich zwischen den Wünschen der Wirtschaft und den Wünschen der eigenen Wähler entscheiden müssen, immer die Wünsche der Wirtschaft präferieren. Daran kann auch Trump nichts ändern und Trump wird auch nicht einfach eine neue politische Bewegung aus dem Boden stampfen können, die die republikanische Partei ersetzen könnte.
Was mich erstaunt ist dass so selten gefragt wird, warum Trump auf das 2%-Ziel besteht, insbesondere während er bei allen anderen Themen bereitwillig exakt dasselbe vorschlägt, was die Europäern sicherheitspolitisch mit den Amerikanern machen, nämlich einfach jemand anders die eigenen Probleme aufzubürden. Die Antwort ist imho völlig offensichtlich und halt auch bescheuert: Trump glaubt, er könne die NATO-Staaten dazu bringen, amerikanische Waffensysteme zu kaufen, was er dann als guten Deal verkaufen kann. Die Wahrheit ist aber, dass es völlig unrealistisch ist (du forderst es ja auch nicht, obwohl deine Forderungen schon recht unrealistisch sind), dass Europa lieber schnell im großen Stil Waffen in den USA einkauft anstatt das Geld längerfristig in die eigenen Rüstungsindustrien zu stecken (letztendlich ja ein großer Teil des Problems der europäischen Wehrfähigkeit, dass jedes größere Land auf seine eigene besteht). Insofern fordert Trump etwas völlig Unrealistisches, zu einem hohen Preis für die eigene Wirtschaft, was bestenfalls einen minimalen Gewinn erzielen würde, weil die Europäer realistischerweise ihr Geld nicht in die USA schicken werden, selbst wenn sie stark aufrüsten würden. Die offensichtliche Option ist es, diese Drohkulisse aufzubauen (für Trump innenpolitisch weitestgehend kostenlos, eben weil die Amerikaner nicht über das Standing der Amerikaner in Europa nachdenken), was nicht funktionieren wird und dann im Zweifelsfall an Russland das Gegenteil zu signalisieren.
Versteh mich nicht falsch, ich finde Trump auch auf viele Arten besorgniserregend, aber man sollte sich jetzt auch nicht wegen unrealistischer Extremszenarien verrückt machen.
Ich finde es abstrus zu erklären, die USA müsse dann schon helfen, da das dann die einzige rationale Entscheidung sei, wenn man in Relation dazu setzt, wie komplett irrational es ist, sich ohne Not überhaupt in eine derartige Abhängigkeit zu begeben.
Free riding ist eine der Sachen, die ich am meisten hasse. Im Alltag, in der Politik, im Beruf etc. Ich finde auch, dass sich die Europäer selbst verteidigen können sollten, vor allem gegen eine Mittelmacht wie Russland. Leisten können sie es sich. Aber so irrational, eine Arbeitsteilung bzgl. Sicherheit zu haben, ist das bisherige Arrangement jetzt auch nicht und auch wenn man es sich leisten kann gibt es meistens (vllt. nicht gerade zu einer Zeit, in der ein Wachstumsimpuls fehlt) bessere Verwendungsmöglichkeiten für dieses Geld als für Militärtechnik.