Tyrannen lieben derlei Verwirrspielchen. Sie müssen Sprache sinnentleeren, weil sie nur in der Konfusion gedeihen können und die Wahrheit sie ständig widerlegt. Das fängt schon mit den kleinsten Einheiten an, den Begriffen, die sie systematisch
bullshitten. Wenn zum Beispiel Donald Trump den Rechercheurinnen, die seine Lügenmärchen aufdecken, vorwirft, Fake News zu verbreiten, er damit selbst im Wortsinne Fake News generiert – so wird das Wort, und das, was es beschreibt, von innen heraus entwertet.
Oder wenn ein
faschistisches Regime sein Nachbarland und dessen jüdischen Präsidenten "entnazifizieren" will – und so den Antifaschismus in einem kolossalen Zirkelschluss der Lügen ad absurdum führt.
Und damit zurück zu den größeren Strukturen, zu Ursache und Wirkung. Auch da hat sich absichtsvoll eine gewisse Unordnung eingeschlichen. Russland überfällt die
Ukraine und bei uns wird Gas knapper und teurer. Beides hat miteinander zu tun, aber eben gerade nicht so, wie die öffentliche Debatte (und ein überbezahlter Gaslobbyist im Politikerkostüm) derzeit suggeriert: Die westliche Unterstützung für die Ukraine sei der Grund dafür, dass Firmen und Privathaushalten Horrorpreise im Herbst bevorstehen. Höchste Zeit, diese Kausalitätskette vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Folgte man nämlich diesem Narrativ zur Ursache der Gaskrise, gäbe es eine ganz einfache Lösung. Man überlässt die Ukraine ihrem Schicksal. Das ist der Kremlslang. Und dem sollte man nicht aufsitzen.
Fast absurd, das immer wieder betonen zu müssen: Es ist ja gerade nicht Teil der westlichen Sanktionen, das Gas aus
Russland zu verknappen oder gar ganz zu boykottieren. Das Gas wird einzig und allein deshalb knapp und damit teuer, weil Russland es so will – und nicht wegen irgendetwas, das Scholz, Habeck, Baerbock, die Grünen, die SPD, die Bundesregierung oder irgendein westlicher Staatschef getan, gesagt oder beschlossen haben.
So leicht ließe sich dem Wutwinter, der sich derzeit diskursiv von rechts wie links auftürmt, der Stecker ziehen. Weil die Adressaten nicht in Berlin, Paris oder Washington sitzen, sondern in Moskau. Wer in den nächsten Wochen den gefürchteten Brief seines Versorgers aus dem Kasten fischt, sollte sich daran erinnern, wem er diese Rechnung wirklich zu verdanken hat.