ticor
nun, mir begegnen regelmäßig menschen mit viel meinung bei denen sich dann herausstellt, dass sie in den besseren vierteln wohnen. exakt der effekt den man in jedem datensatz zu dem thema findet. ich habe nicht über konkrete anteile geredet, sondern über korrelationen, und diese von mir angesprochene korrelation ist absolut überdeutlich schon wenn man die daten nur aus der ferne anschaut.
Daten für köln bitte. Das muster in westdeutschland ist allzu deutlich, dass die AfD in sozialen Brennpunkten überdurchschnittlich abschneidet. das ist dann typischerweise auch mit einem größeren ausländeranteil korreliert. nicht weil diese generell ein problem sind, sondern schlicht weil sie im mittel ärmer sind und somit in den schlechteren stadtteilen wohnen.
Wenn du den ÖR für unparteiisch hältst … sind wir nicht einer meinung. Ich halte zwar einen ÖR als Institution für wichtig, allerdings ist der deutsche ÖR, wie weiter oben schon verlinkt, nachweislich nicht ganz unparteiisch in Eigensicht, Außensicht und Berichterstattung. Das halte ich für problematisch und gesellschaftsspaltend, da es Menschen die sich ohnehin schon alleingelassen oder in ihrer Identität bedroht fühlen nur zusätzliches Futter gibt wenn sie von "Framing Handbüchern" und "Wir finden Ereignis X nicht relevant" lesen, wenn es ganz offensichtlich doch Diskussionsbedarf gibt. Da spielen auch Fakten nur eine untergeordnete Rolle, da gerade die AfD-Wähler zu großen Teilen (achtung, meine Spekulation) über die Emotion zur Wahlentscheidung kommen.
[edit: dass ich weiter oben "linksgrünversifftheit detected" schrieb war sarkasmus. offenbar nicht offensichtlich genug.]
Ich zähle mich sicher nicht zur extremen linken, aber auch ganz gewiss nicht zur rechten. Wenn überhaupt sind meine politischen Überzeugungen irgendwo zwischen Grünen, SPD und FDP angesiedelt. Da aber die Selbstgerechtigkeit allzu vieler Parteien jede Skala sprengt und moralische Positionen für absolut erklärt werden während genau diese wegdefinierten Probleme dann als low hanging fruits von Extremisten als Stimmenbooster genutzt werden, kotzen mich quasi alle Parteien nur noch an. Allein, dass die Feststellung der vollkommen offensichtlichen Tatsache, dass ein relevanter Anteil der Asylbewerber eben Wirtschaftsmigranten sind, nun in Zeitungen steht anstatt zu Nazi-Vorwürfen führt hat gute 4 Jahre gedauert und uns eine rechtsextreme Partei in Bundestag und allen Landtagen beschert die seitdem neu bestückt wurden. Das meine ich mit verdruckst. Man hat vor lauter Angst davor als ausländerfeindlich dazustehen sämtliche offensichtlichen Probleme verklärt und verdrängt und damit die Transition der AfD von "Euro voll doof" zu "Ausländer auch voll doof" nochmal deutlich einfacher gemacht.
Ich sehe da ein massives Politikversagen seit locker 50 Jahren, weil man sich nie eingestehen wollte ein Einwanderungsland zu sein, weil man nie realistisch mit Immigration umgegangen ist, sondern es gerade in der näheren Vergangenheit in der Mediendebatte nur die Extreme "alle super" und "alles beschissen" geben durfte. Was meine ich damit? Dass jedwede Reaktion in politisch engagierten Kreisen als Abgrenzungs- und Selbstversicherungsritual genutzt wurde. Wer nicht der Gruppe zustimmt ist raus.
In den Medien, und da waren die ÖR ganz vorne mit dabei, kann man das ganz deutlich mitverfolgen. Erst langsam wurden differenzierte Artikel gängiger, wie z.B. von taz und FAZ, aber auch viel zu selten vom Sturmgeschütz der Demokratie und politischen Korrektheit.
Was die Wahldaten angeht. Die von mir verlinkten Zahlen sind von 2017 nicht von der Europawahl 2019. Klimapolitik spielte da keine große Rolle. Die Grünen konnten übrigens mit ihrer Klima-Kampagne dieses Jahr in allen Vierteln massiv hinzugewinnen, deine Vermutung wird da nicht gestützt. Die Linke als Analogon zu den Grünen in der Migrationspolitik heranzuziehen ist mE etwas gewagt, weil die Linke da sehr gemischte Signale sendet.
Deine Argumentation im letzten Absatz legt nahe, dass Du, höflich gesagt, manche Dinge sehr anders siehst als ich. Dass die FDP in wohlhabenderen Vierteln besser abschneidet hat erstmal nichts mit den Grünen zu tun und auch nichts mit Migrationspolitik.
scorn:
Die Nord/Süd-Korrelation ist mit bloßem Auge zu sehen, da muss ich nicht erst rechnen. Außerdem solltest Du als jemand der eigener Aussage zufolge lange genug in Essen unterwegs war die sozialen Brennpunkte kennen. Wenn nicht, dann bist Du offenbar blind durch die Stadt gelaufen oder bist selbst ein Beispiel für meine Ausgangsthese.
Dass im Stadtkern auf den ersten Blick so wenig Deutsche leben hat übrigens vor allem zwei Gründe: Zum einen wohnen dort nur knapp 4000 Menschen, und zum anderen wurden hier strategisch über Jahrzehnte viele Immobilien von lokal ansässigen libanesisch-kurdischen Großfamilien aufgekauft.
Offensichtlich hast Du auch keinen blassen Schimmer davon wie sozialwissenschaftliche Forschung funktioniert oder gar Statistik, also halte Dich doch bitte einfach von solchen Argumentationen fern und bleib bei Empörung und Emotion. Du machst Dich sonst nur lächerlich.
edit2: Nachtrag zu Politikversagen –– dass es eine Koalition mit satten Mehrheiten in gefühlt hundert Jahren Regierungszeit nicht schafft die Entwicklungszusammenarbeit, gerade mit den Ursprungsländern der meisten Migranten (nicht Kriegsflüchtlinge!), auf eine solide Basis zu stellen und eine Strategieidee für die nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände in diesen Ursprungsländern schuldig geblieben ist, das ist zum Beispiel einer meiner Kritikpunkte. Von keiner der Parteien kam da Sinnvolles. Weder von der SPD noch von den Grünen … zumindest nichts was den Abstimmungsprozess überlebt hätte. Auch wenn es hervorragende Leute gibt, wie z.B. Uschi Eid von den Grünen (
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/afrika-toedliche-hilfe), kommt am Ende des parlamentarischen Prozesses gequirlte Kacke raus die niemandem etwas hilft außer, dass man sich als ganz toll geschichtssensibel feiern kann. Interessanterweise würde ich das nicht einmal an den letzten Ministern und Ministerinnen im BMZ festmachen wollen, denn die haben, vielleicht mit Ausnahme von Dirk Niebel, einen ganz ordentlichen Job gemacht soweit ich das anhand ihrer Statements feststellen kann. Bezug zum Medienthema zugegebermaßen gering, allerdings würde ich auch sagen, dass das schlecht berichtet wird. Da wird mehr über Vergangenheitsbewältigung der Deutschen in Form von Semantik "wird das Wort Schuld/Entschuldigung genutzt oder nicht?" geredet anstatt über Lösungen. Die interessanten Sendungen dazu verschwinden dann gerne mal im Spätabendprogramm auf Spartenkanälen. Warum? Keine Ahnung, vermutlich auch weil schwere Themen schlechter gehen. Der Mensch an sich denkt ja nicht gerne und flieht lieber ins Entertainment.