Ach und wo bleibt da die Empirie? Die ist natürlich nur nötig, wenn es dir grade passt.
omg Gustavo was ist das für eine bigotte Scheiße. Ich hoffe, du kritisierst nie wieder, wenn irgendwelche "rechten Hetzmedien" Vergewaltigungsfälle und Kriminalitätsraten aufblähen, denn wenn "man bedenke, wie arm und perspektivlos die sind, ists doch klar, dass da sowas passiert, und dann ihre archaisch patriarchalen Denkmuster noch",...
Was für ein Schwachsinn. Ich sage dass es langweilig ist, einer Geschichte ein menschliches Gesicht zu geben, die sowieso nur schildert, was sowieso alle wissen. Wenn euch mein Beispiel nicht passt (und dann heißt das imho nichts anderes als dass ihr weniger von diesen Artikeln über diese Grenzspinner gelesen habt als ich), dann denkt euch halt eine euch genehmere Sachlage aus, über die man schreiben könnte. Wenn der Spiegel irgendwen zur Antifa schickt und dann mit dem Tenor zurückkommt "whoa, die meisten von denen sind Spinner denen es mehr darum geht, ihre destruktiven Züge auszuleben als um irgendeine politische Betätigung" habt ihr dasselbe Phänomen. Da nach "Empirie" zu rufen ergibt vielleicht Sinn, wenn wir es mit singulären Ereignissen oder Menschen zu tun haben oder die Ergebnisse eher unintuitiv sind, aber wenn man nur damit um die Ecke kommt, was bereits zig Mal zu Tage gefördert wurde und was das Verhalten dieser Leute sowieso völlig offensichtlich an den Tag legt, ist journalistisch pure Zeit- und Geldverschwendung.
gibt keinen grund das gleich zu relotiusieren. ich will ja nicht deine meinung wissen, sondern fakten. von daher ist mir das erstmal banane, was du zu glauben denkst, wie der durchschnittliche hilfssheriff gestrickt ist. ich hätte das gerne faktenbasiert geschildert - und das bedeutet im gegensatz zu karl may, das du deinen kadaver zumindestens mal in die dortige region geschleift, interviews geführt und deinen fuckin job als journalist gemacht hast um dir ein bild der situation zu erarbeiten.
Versteh jetzt auch nicht wieso du das so zu relativieren versuchst. Für den Spiegel ist es ein Image und Vertrauensdebakel. Es spielt total in das eher rechte Spektrum, dass der Spiegel ideologisch gefärbt berichtet, wenn ein hoch dekorierter Redakteur des Spiegels mehrere lange Reportage quasi frei erfunden oder abgeschrieben hat.
Ich bin btw. persönlich beleidigt, weil ich die Story über
die letzte Zeugin gelesen habe und mich jetzt verarscht fühle, wenn das alles erfunden war. Da war jetzt nicht mal die mega politische Message dabei, aber das ist schon ein starkes Stück.
Ich "relativiere" nicht, das ist ganz zweifellos ein Debakel für den Spiegel und die Presse generell. Ich sage nur es ist heuchlerisch sich hinzustellen und so zu tun als wäre man schockiert, SCHOCKIERT darüber, dass irgendwer etwas erfindet, wenn so ziemlich alle Anreizstrukturen die der Spiegel (und der Journalismus als Ganzes, zumindest wenn man die Journalistenpreise von ihm als Anhaltspunkt sehen kann) geschaffen hat jede Reportage genau in diese Richtung schieben. Die wirkliche Tragödie an dieser Geschichte ist, dass es doch nur zeigt, dass die Presse völlig trivialen Journalismus nicht nur toleriert, sondern honoriert.
Beispiel: Ich habe mir zwei seiner Geschichten komplett durchgelesen, einmal die über das Kaff in Minnesota und dann die über die Kinder in Syrien.
1. Kaff in Minnesota: Ein paar seiner Übertreibungen/Erfindungen sind haarsträubend weil völlig abwegig (eine Stadt mit 13k Einwohnern, in der nur eine Person eine überregionale Zeitung liest? Wie will er das herausgefunden haben?) oder extrem einfach zu überprüfen (die Wahlergebnisse pro Trump waren acht Prozentpunkte zu hoch) oder beides (30 Sekunden Google genügen, um zu sehen, dass die zwei Personen aus der Geschichte natürlich nicht die einzigen zwei Einwohner mexikanischer Abstammung sind, sondern dass es laut 2010er Census 141 Menschen mexikanischer Abstammung im dem Ort gab), insofern ist es unverständlich warum das niemand getan hat. Gleichzeitig ähneln die Beschreibungen der Einwohner frappierend denen aus einem sehr bekannten Buch, das in akademischen Kreisen hohe Wellen geschlagen hat ("The Politics of Resentment" von Kathy Cramer), in dem jemand sich tatsächlich die Zeit genommen hat um mit Leuten in Kleinstädten in Wisconsin zu reden.
Insofern gibt der ganze Artikel schon einen Teil der Wahrheit über Städte wie Fergus Falls wieder: Die Art von Leuten, die er in diesem Fall porträtiert, gibt es wirklich. Aber aus irgendeinem Grund hat er sich dafür entschieden, die Stadt als "komplex" darzustellen, indem er dem gesamten Ort positive Intentionen unterstellt, die aber von der eigenen Ängstlichkeit überlagert werden, anstatt die wahre Komplexität der Stadt zu zeigen, nämlich eben die Tatsache, dass NICHT jeder so tickt wie die Leute die er beschreibt: Auch in solchen Städten gibt es NPR-Hörer und Cappuccino-Trinker und (hier anderes Klische einsetzen). Ein guter Artikel hätte die menschliche Seite des Ortes als Sprungbrett genommen, um zu erklären, was er erklären wollte: Warum wählen Leute Trump, obwohl Trumps Programm eigentlich nicht ihren Interessen entspricht? Aber statt irgendwelche Mechanismen zu erklären, gibt der Artikel einfach die (unerklärte) Antwort vor: Die Leute haben Angst und fühlen sich ignoriert, also wählen sie Trump. Stimmt das? Kann anhand der Geschichte niemand sagen. Aber weil der Artikel eben nie über die Ebene "human interest story" hinauskommt, fällt das nicht weiter auf.
2. Kinder in Syrien: Der Artikel ist noch schlimmer. Keinerlei Erklärung zum Syrienkrieg: Keinerlei Hintergrund, keinerlei Mechanismen, keinerlei Statistiken (etwa über Flüchtlingskinder in der Türkei), einfach nur pures auf die Tränendrüse drücken. Was lerne ich aus einem Artikel, der nichts anderes sagt als dass Krieg die Schwächsten und Schuldlosen am härtesten trifft? Gar nichts. Ob die Umstände erfunden sind macht effektiv eigentlich keinen Unterschied: Die Grundmessage ist ja nicht falsch, würde vermutlich auch niemand hier bestreiten. Wenn man es als Journalist in diesem Genre zu höchsten Weihen bringt, einfach nur dadurch, dass man an Gefühle appelliert statt an den Verstand, dann hat kein Journalist irgendeinen Anreiz sich tiefer mit den wichtigen Fragen zu beschäftigen, die sowas eigentlich aufwirft, und wird stattdessen nach einer menschelnden Geschichte suchen, die man nun mal sehr viel einfacher erfinden kann als Zusammenhänge oder Fakten (zumindest kommt man damit sehr viel einfacher durch).
Der Spiegel ist eines der wenigen Medien in Deutschland, das es sich regelmäßig leisten könnte, richtige Hintergrundrecherche zu machen. Wenn man das dieses Kapital dann aber dazu nimmt, um so trivialen Kram zu drucken, anstatt die Kontrollfunktion gegenüber den Mächtigen wahrzunehmen, dann finde ich das intrinsisch deutlich tragischer als wenn irgendein Hansel Zusammenhänge erfindet (wobei es natürlich tragisch ist, wenn das jetzt wirklich zu einem Vertrauensverlust in den Journalismus als Ganzes führt). Schaut euch beispielsweise an, was eine Klitsche wie correctiv.org mit viel weniger Mitteln auf die Beine stellen kann. Wie kann es da sein, dass der Spiegel solchen Müll wie die Geschichten von Relotius abdruckt, sondern das auch noch von allen anderen beklatscht wird?