@elbollo
Natürlich bringe ich im Zusammenhang mit Verbraucherschutz die EU ins Gespräch. Die bedeutensten Verbraucherschutz-Regulierungen und Mindeststandards kommen nunmal von der EU und gelten entweder unmittelbar in Deutschland oder mussten durch Deutschland umgesetzt werden. (Oder wo denkst du kommen die verbraucherschützenden Fluggastrechte, Käuferrechte, Telekommunikationsrechte und die strengen Lebensmittelregulierungen mit Kennzeichnungspflicht usw. etc. her?)
Und dass es ein massives Gefälle des Verbraucherschutzes gebe zwischen zB. USA und EU, stimmt nun mal nicht. Gerade im Gesundheitsbereich, Lebensmittelbereich und im bereich der umweltemmissionen sind die Standards zum Teil sogar höher. In einigen Unterteilen dieser Bereiche kann man einen Unterschied höchstens in der Zielsetzung ausmachen, wobei der Schutz gleichwertig erscheint, zB. legen die USA mehr wert auf strenge Regelungen von Schadstoffen in der Luft wie Stickoxid, Rußpartikel etc., wohingegen in der EU mehr wert auf Kohlendioxid und Kohlenmonoxid gelegt wird.
Ich weiß nicht wo das herkommt, dass in USA auf die Verbraucher geschissen wird und der Untergang des Abendlandes droht.
Zu der Gerichtsbarkeit kann ich dir nur nochmal darlegen, dass das nichts Neues ist. Man greift auf altbekannte Instrumente wie der schiedsgerichtsbarkeit zurück, und hat das auch reguliert und verbessert gegenüber andere Abkommen, damit bei den Urteilen erst gar nicht die Gefahr bestehen kann, "willkürlich" zu sein, indem man eine einheitliche Auslegung gewährleistet und die gegenseitigen Standards von Umweltschutz, Gesundheit, Lebensmittel und andere überragende Gemeinschaftgüter beachtet und nicht untergraben werden (!). Was dort mit auf dem Weg gebracht wurde, ist sicher noch ausbaufähig, aber Änderungen sind ja auch zulässig, sodass man das noch weiter konkretisieren kann.
Schiedsgerichte sind unparteiischer (Richter in Deutschland werden von den Justizministern ernannt, wer würde denn als Laufbahn-"Beamter", der gerne in höherer der Gerichte aufsteigen würde, gegen seinen Staat entscheiden? Nur um dir mal die Problematik zu verdeutlichen) billiger (!) und schneller und ermöglichen es, dass auf die Bedürfnisse der Parteien besser eingegangen werden kann. Solange dies transparent geschieht, geht das über gewöhnliche Schiedsgerichte hinaus, so wie es auch bei CEta vorgesehen ist. Desweiteren hat man eine Einheitlichkeit der Rechtsanwendung, damit eben es keinen Unterschied macht ob gegen Deutschland oder Kanada Streitigkeiten geführt werden. Das läuft alles auf einer Grundlage, sodass erst gar keine Privilegien und Unterschiede entstehen können.
Es ist ja auch nicht so als wenn schiedsgerichtsverfahren ein massenphänomen in anderen Abkommen sind. Das ist absolut nicht der Fall. Jedes Amtsgericht erledigt pro Tag mehr Streitigkeiten als Investitionsschutzklagen zu erwarten sind.
Mir wäre persönlich lieber, wenn man einen Welthandelsgerichtshof mit eigenem detaillierten Recht schaffen würde. Das ist aber derzeit Illusion.
Ich verstehe nicht wieso es für dich unvorteilhaft sein sollte, mehr Produktauswahl, Wettbewerb und niederigere Preise zu haben. Lebensmittel die aus Kanada importiert werden können stehen auch bei Ceta unter dem Schutz der EU-Regulierung zB. Kennzeichnungspflicht. Es macht auch keinen Unterschied, ob du nun nur deutsches Gebäck oder zusätzlich kanadisches Gebäck im Supermarkt angeboten bekommst. Die Regulierungen gelten für beide in vollem Umfang und deine Rechte werden überhaupt nicht beschnitten. Oder: wieso ist es so wichtig, ob der öffentliche Nahverkehr ebenso von einem kanadischen Unternehmen ausgeführt werden kann statt von einem deutschen ? Dir entstehen null Nachteile.
Das Handelsabkommen öffnet vor allem Märkte für Mittelständler, die bisher nur unter Schwierigkeiten Zugang hatten, während es für Großkonzerne kaum etwas bringt, da diese mit ihren vorhandenen Mitteln sich sowieso Zugang verschaffen konnten. Auch können unternehmen an öffentlichen Aufträgen in kanada partizipieren, indem der Zugang der Vergabe erleichtert wird.
Letztendlich geht es aber nicht darum, dass jeder durch das Handelsabkommen privilegiert wird oder übermäßige Vorteile erwächst. Die einen profitieren womöglich direkt mehr als andere. Der Großteil der Bevölkerung ("der normalo Hamsterrad-Typ) wird wohl nicht erheblich direkt profitieren, abgesehen von mehr Produktauswahl und niedrigeren Preisen. Aber mittelbar durch Aufschwung und Wohlstand wohl sehr wahrscheinlich, oder wovon denkst du denn, dass es uns so gut geht, als durch die massive Wirtschaftsleistung ?
Ich gehe doch ebenfalls nicht auf die Barrikaden, weil zB. Mütterrente eingeführt wird und ich davon nichts habe. Negative Auswirkungen habe ich praktisch keine.
Ich verstehe auch nicht, wo das Problem mit dem Bundestag sein soll. Das ist die demokratisch legitimierte Volksvertretung, die das Mandat dazu hat, diese Entscheidung zu treffen und wenn die Mehrheit dafür stimmt, dann ist das halt so. Es ist ja auch nicht so, dass die Abgeordneten über Sachen abstimmen, die sie nicht beurteilen konnten. Schließlich sind die Unterlagen frei zugänglich und die Abgeordneten können das von Experten überprüfen lassen. Zudem gab es permanent während den Verhandlungen updates. Bei Gesetzesvorhaben und der Verhandlung von Entwürfen wird doch auch vieles im "geheimen" beredet.
Wenn Ceta bzw. teile davon gegen die Verfassung verstößt, wird es - wie bei anderen Gesetzen oder Beschlüssen des Bundestages - schließlich vom Gericht für unanwendbar erklärt. So ist das nunmal bei uns.
Man könnte natürlich die Auffassung vertreten, dass man Verbände und Interessenvertretungen in den Verhandlungsprozess von Handelsabkommen mehr einbindet. Das wird man sich sicher auch überlegen. Das ist aber kein Grund einen fertigen Vertragstext, der viele Fortschritte gegenüber anderen Handelsabkommen hat, abzulehnen und Märchen darüber zu behaupten. Ich weiß nicht, wo das immer herkommt, dass die "da oben" immer nur das schlechte wollen und alles manipulieren, nur weil man womöglich nicht gleicher Meinung ist.
Beklatschen möchte ich gar nichts, ich möchte nur aufzeigen, dass Sachen vorgebracht werden, die einer angemessenen und fairen Beurteilung nicht gerecht werden. Freilich gehört es dazu und ist auch richtig das kritisch zu beleuchten. Ich sehe alles auch nicht als optimal an, aber diese Horrorszenarien ("Demokratieaushebelung!" "Wir werden alle Sterben, weil er Atommüll zu fressen bekommen!" "Privatisierung von existenziellen Allgemeingütern!") entbehren jeglicher Realität. Ich weiß nicht was dahinter steckt, und woher sowas eigentlich kommt.
Das YouTube Video schau ich nachher mal an.
Edit:
Hab es mir mal angesehen. Genau solche Sachen vergiften die Debatten, die dringend sachlich geführt werden müssen. Es werden Sachen behauptet ohne nur im entferntesten ins Detail zu gehen.
Vor dem NAFTA Abkommen war die Arbeitslosenquote bei fast 12 % in Kanada. Danach ging es stetig bergab. Von erhöhter arbeitelosigkeit innerhalb von 6 Jahren kann nicht die Rede sein.
Pauschal wird der investitionsschutz bei NAFTA einfach mal - trotz völlig anderer Bedingungen und Regelungen - mit dem von Ceta gleichgesetzt. ("Höhöhö nur mit anderen Namen")
Es wird sich ein Beispiel mit "caterpillar" rausgefischt. Keine Ahnung ob das überhaupt existiert oder auch nur ausgedacht wurde, aber es werden ökonomische multikausale Ursachen, die für die Schließung von Fabriken und Produktionsstätten verantwortlich gemacht werden (woher weiß man denn ohne tiefere Einblicke, ob das Unternehmen nicht schon vorher extrem angeschlagen war und was dafür verantwortlich sein kann?) einfach mal auf das Abkommen zurückgeführt. Ach die Welt ist doch so einfach.
Ceta ist ein völlig anderes Abkommen als NAFTA. Die Regelungen und Verhältnisse, die Verttagsparteien sind völlig verschiedene, aber scheinbar reicht es bei den "Globalisierungsgegnern" wie in dem Video einfach irgendwelche negativen Auswirkungen sich auszudenken, denn Handelsabkommen = Handelsabkommen (ist doch klar, sagt der Name schließlich !) und dann noch mit Demokratiedefiziten, und Absenkung von Standards in arbeitnehmerrechten, Lebensmittel und Gesundheit garnieren. Fertig ist die Bombe. Ist zwar bekannt, dass Regulierungen im Hinblick auf Absenkung von EU-Standards in den Bereichen gar nicht von Ceta vorgesehen sind und dass ausdrücklich künftige Regulierungen auf beiden Seiten ohne wenn und aber akzeptiert werden, aber nein, dann hätte man ja kein Horrorszenario. Die Kanadier fürchten sich vor EU und die EU-Bürger vor Kanada, weil beide Seiten denken, dass ihr Verbraucherschutz und ihre Demokratie bedroht sind. Einfach nur absurd, wenn man bedenkt, dass auf beiden Seiten hohe Standards herrschen, aber keiner den anderen richtig kennt und misstraut.
Irgendwie scheinen sich manche immer in dieser opferrolle zu gefallen, und machen für alles, was bei ihnen nicht gut läuft, andere dafür verantwortlich besonders "die da oben" und "die Wirtschaft". Typische versagermentalität.