Hm, einmal würde dafür sprechen dass man fähige Leute jetzt schon nicht auf der Straße findet. Das Problem existiert durchaus, auch wenn ich es jetzt nicht aus meinem persönlichen Umfeld kenne.
Ist imho jetzt aber eher eine Detailgestaltungsfrage weil es imho für die meisten Ausbildungsbetriebe nicht lohnend ist einen Azubi gegen einen Praktikanten auszutauschen. Zumindest kann ich mir schlecht vorstellen dass jemand der insgesamt drei Monate vor Ort ist auch nur ansatzweise so gut arbeitet wie jemand der den Laden wirklich kennt –– bei sonst gleichen Voraussetzungen. Glaube kaum dass sich das bei irgendwas außer den allerprimitivsten Arbeiten lohnt.
Leiharbeit und Bundesfreiwilligendienst halte ich ohnehin für eher merkwürdige und wenig sinnvolle Konzepte –– zumindest in ihrer aktuellen Form. Leiharbeit ist für die meisten Betroffenen aktuell schlicht Sklavenarbeit.
Von der Rille "Jeder braucht hundert+ Praktika" runterzukommen würde vermutlich auch helfen, denn das eigentliche Problem ist, dass wir halt mehr Menschen an die Uni schicken die sonst eben eine Ausbildung gemacht hätten. Ist kein Wunder dass die Menschen im Mittel weniger Ahnung vom Anpacken haben wenn man riesige Teile eines Jahrgangs effektiv in eine 15 Jährige theoretische Schulausbildung packt (12+3).
Wie gesagt, meine persönliche Sicht kann das völlig verzerren. Mein Hauptproblem mit allen pauschalen Forderungen (hier Mindestlohnt) ist, dass ich in der Praxis dank Ferienarbeiten und durch mein Umfeld mal den direkten Unterschied zwischen Theorie (Gesetzgebung, Uni, sonstiges) und der realen Praxis erlebt habe. Es ist schon beachtlich, was man alles erfinden kann, damit man Kündigungsfristen/sonstiges umgehen kann, ohne, dass große Konsequenzen (rechtlich, Konkurrenzfähigkeit, sozialer Druck durch die Bevölkerung) kommen.
Bei den Azubis im angesprochenen kirchlich-sozialen Bereich fand ich es halt wirklich hardcore. Selbst wenn man mal ausblendet, dass da teilweise noch für die Ausbildung (wenn man sie denn bekommt) bezahlt werden muss (!), gibt es so viele Lücken. Als es wohl noch Wehrpflicht gab, haben fast alle Werkstätten in meiner Gegend die Zivis 4-5 Facharbeiter (HEPs, Krankenpfleger, Altenpfleger, ...) usw. pro Betrieb ersetzt. Danach bekamen genau die Betriebe einfach zu wenig Buftis, weswegen die dann anfingen Praktikanten zu holen. In der grauen Theorie geht das natürlich überhaupt nicht, ich nehme an, dass ist das was du mit "lohnt sich nicht" meinst, in der Praxis ist es für die Belegschaft (Behinderten/Senioren und wirklich ausgebildeten Fachkräften) ein Handstand auf einer Klinge. Dann wird den Praktikanten halt in aller Eile erklärt was sie machen sollen. Das haut kaum hin, aber nachdem die (kirchlichen) Betriebe auf dem Papier keinen Gewinn abwerfen kann und durch diverse Subventionen gehalten werden und zudem auch noch 'sozial ganz toll sind, so wie die den Behinderten einen Zweck für ihre Existenz einräumen', ist das ja auch völlig zweitrangig, immerhin kann sich in dem System keiner beschweren, ohne dass er auf einmal vor der Tür sitzt, oder es überhaupt rafft (gerade viele der Behinderten). Es ist anscheinend auch nicht so, als ob es mit einmaligem Praktika vorbei wäre. Den gleichen Praktikanten holen sie sich halt wieder, damit er - auf dem Papier - in einer anderen Stelle (in einem "anderen" Betrieb der dazu gehört) weitermacht, wird aber in der Realität wieder an die vorige Position zurückgeschickt. Im Endeffekt läuft dass dann auf eine Ausbildung raus, bei der die Berufsschule (Fachschule / Gesundheitsschule, wie auch immer) fehlt und die Fachkräfte auf einmal noch zu Ausbildern werden, obwohl sie das gar nicht können. Immer vor Augen haben sie halt das Zuckerbrot "wir übernehmen euch", während die Peitsche bedeutet, dass sie sonst einfach nix haben. In der Gegend hier gibt es nicht allzu viele Alternativen, bei denen die Praxis anders ist.
Ähnliches wird mit Leiharbeitern getrieben, die entweder nix oder viel zu viel zu tun haben, oder halt um Kündigungsschutz zu umgehen - man wird von hier nach da getrieben und arbeitet eigentlich dann doch genau das gleiche für sehr niedrigen Lohn.