Nicht nur fasst Broder die kritikwürdigen Punkte beim Zentralrat der Juden sehr schön zusammen, er hat auch konkrete Vorschläge, und die haben auch Hand und Fuß:
Als Präsident des Zentralrates werde ich für ein Ende des kleinkarierten Größenwahns sorgen, der sich immer mehr zumutet, als er zu leisten in der Lage ist. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren. Unser aller Problem ist nicht der letzte Holocaust, dessen Faktizität außer Frage steht, sondern der Völkermord, der vor unseren Augen im Sudan stattfindet. Wir brauchen nicht noch mehr Holocaustmahnmale und Gedenkstätten, sondern eine aktive Politik im Dienste der Menschenrechte ohne politische Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Interessen. Wer vom Kampf der Dissidenten in China und der Verfolgung der Baha’i im Iran nichts wissen will, sollte auch am 27. Januar und am 9. November zu Hause bleiben.
Als er dann noch schreibt, er würde sich um gute Beziehungen zu den Moslems einsetzen (nicht die, die "Beleidigung des Türkentums" als Straftatbestand verteidigen, sondern die, die sich für eine sekuläre Gesellschaft einsetzen), und dass es seiner Meinung nach keine partikularen jüdischen Interessen gibt, da hatte ich erst mal eine Schreckminute, ob sich da jemand einen Scherz mit mir erlaubt.
Lieber Henryk M. Broder, wenn das tatsächlich das Wahlprogramm ist, dann befürworde ich die Kandidatur nachdrücklich und wünsche allen Erfolg der Welt. Vielleicht erlebe ich ja doch noch einen Zentralrat ohne reflexhaftes Beißen nach irgendwelchen Provinzpossenmeldungen, einen Zentralrat, den man wieder ernst nehmen kann. Zu wünschen wäre es ihm. Wenn ich mitstimmen dürfte, hätte er meine Stimme.