Deine Einstellung ist ehrenwert, aber imo naiv. Es ist eine Lebenslüge unserer humanitären Einwanderungspolitik, dass Integration auffangen kann, was an Selektion versäumt wird. Wir sind offiziell kein Einwanderungsland, machen aber seit Jahrzehnten eine Politik, bei der Einwanderer mit geringem Humankapital und schlechter Bildungsperspektive die besten Chancen haben. Das ist fatal, weil wir gleichzeitig wissen, dass diese Menschen und ihre Kinder den Aufstieg in der Regel nicht schaffen.
Zu der AfD-Diskussion:
Das SPON-Interview kommt der Realität bisher imo am nächsten. In meinen Augen sind alle Versuche den Aufstieg der AfD politisch, ökonomisch oder soziologisch zu deuten zum Scheitern verurteilt. Die für mich plausibelste Interpretation ist psychologisch: Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen politischen Grundüberzeugugen und Persönlichkeit. Die Persönlichkeit folgt einer gewissen Verteilung innerhalb der Bevölkerung und eine bedeutende Minderheit scheint in ihren Grundüberzeugungen rechtsradikalem Gedankengut relativ zugetan zu sein.
Ich glaube auch nicht, dass man daran etwas fundamental ändern kann. Ändern kann man höchstens die konkrete politische und gesellschaftliche Auslebung dieser Tendenzen. Hierin sehe ich auch den Hauptunterschied zwischen Ost- und Westdeutschland und da mag die schwächere Verankerung der Zivilgesellschaft und ihrer Kontrollmechanismen im Osten durchaus eine Rolle spielen. Ich sehe hier aber nicht die Ergebnisse der AfD in Ostdeutschland als den Fehler, sondern gehe eher davon aus, dass es auch im Westen genug Menschen gibt, die den rechtsradikalen Grundwerten, die die AfD anspricht, ziemlich nahe stehen, die aber aufgrund ihrer Sozialisation und ihres Umfelds trotzdem nicht die AfD wählen.
Langfristig ist es imo vernünftig, rechtsradikalen Grundwerten ihren legitimen Platz innerhalb des freiheitlich-demokratischen Diskurses zu geben, solange gewisse Spielregeln eingehalten werden. Wie man das am besten erreicht, weiß ich nicht. Vielleicht sollte die Mehrheitsgesellschaft ihren Frieden mit der AfD machen und sich darauf konzentrieren, zwischen extremistischen und nur radikalen Elementen klarer zu trennen.
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Da das öfter zu Missverständnissen führt: Ich spreche von Rechtsradikalismus im Gegensatz zu Rechtsextremismus etwa in dem Sinn, wie es der Verfassungsschutz tut:
https://www.verfassungsschutz.de/de/service/faq/