Ich habe mir ein Fahrrad gekauft. Ein schönes Modell. Ich habe lange darauf gewartet.
 In den USA ist es schon seit einem Jahr auf dem Markt. In Deutschland  nicht. Und Import wäre illegal gewesen. Letzten Monat konnte man es  sich für eine Woche bei einem großen TV-Sender kostenlos leihen und eine  kleine Spritztour machen. Das hat mir gefallen.
Aber am Ende der Woche wurde es wieder weggesperrt. Und ich musste warten.
 In den Hinterhöfen meines Viertels gab es anschließend das Fahrrad  für lau. Einfach zum Mitnehmen. Ganz geheuer war mir das nicht.
 Aber egal. Mein Rad ist jetzt da. Und es ist schön.
 Bis auf den großen, bunten Aufkleber auf dem Rahmen: Ich solle doch  bitte keine Fahrräder klauen oder nachbauen steht da. Logisch. Wozu  auch? Ich habe es ja gekauft.
 Vor dem ersten Losfahren musste ich den Hersteller anrufen und ihm  erzählen, in welchen drei Stadtteilen ich das Fahrrad nutzen will. Wenn  ich in einen unautorisierten Stadtteil fahre, schlägt automatisch die  Bremse an. Da muss ich selbst gar nichts tun. Das ist Service. Ich kann  dann bei dem Hersteller anrufen und das Fahrrad umbuchen. So komme ich  durch die ganze Stadt.
 Wenn ich mein Rad verleihen will, dann ist das nicht ganz erlaubt.  Der Sattel sendet schwache Ströme durch den Körper und misst den  Widerstand. An der Fettverteilung im Hintern erkennt er, wer auf dem  Fahrrad sitzt. Und bin ich es nicht, fängt die Klingel an zu läuten. Ich  muss jetzt gut aufpassen bei meinen Diäten. Sonst erkennt mich mein  Fahrrad nicht mehr.
 Neulich wollte ich es umlackieren. Das Khaki fand ich nicht mehr  zeitgemäß. Im Baumarkt hat man mich ausgelacht. Das wäre höchst illegal.  Ob ich denn den Hersteller gefragt hätte. Der hätte sich schließlich  was gedacht bei der Farbe.
 Die Stadt baut jetzt neue Fahrradwege und ich fand das anfangs auch  gut. Jetzt geht aber ein Gerücht: Mein Fahrrad kann darauf gar nicht  mehr fahren. Die Reifen sind zu schmal. Die gehen nicht auf dem neuen  Belag.
 Aber bald gibt es eine neue Generation. Mit versiegeltem Kettengehäuse. Noch sicherer werden diese Räder.
 Und an den Wegen stellen sie jetzt Polizeihäuschen auf. Um zu  kontrollieren, wer auf welchem Fahrrad sitzt. Und wenn man den  Sichtkontakt zu allen Häuschen verliert, dann wirft einen das Rad vom  Sattel. Bei Nebel liegen die Menschen dann oft wie Fallobst auf der  Straße.
 Wird mein Fahrrad geklaut, kann es teuer werden. Dann hab ich es  nämlich verbreitet. Der Hersteller kann dann ja keines mehr direkt an  den Dieb verkaufen. Und ich stehe dafür gerade.
 Das ist mir dann doch zu heikel. Jetzt will ich mein Fahrrad  verschenken. Man munkelt, dass dürfe ich aber nicht. Man hat mir gesagt,  es wäre nur meins. Da hab ich es einfach gelöscht.
 Siegfried Kauder hatte schon Recht: Geistiges Eigentum ist wie ein Fahrrad – 
genau so.