Original geschrieben von Outsider23
Ich meine damit, dass durch das inzestverbot der beischlaf von eltern mit den eigenen kindern eindeutig als misbrauch deklariert ist. Gäbe es das inzestverbot nicht, könnte man immer mit einvernehmlichen sex argumentieren obwohl bei solchen sachen sicherlich immer machtmisbrauch mit im spiel ist.
Das ist aber falsch. Sofern das Kind noch nicht volljährig ist, ist per Definition der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen erüfllt:
§ 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen
(1) Wer sexuelle Handlungen
[...]
3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder angenommenen Kind
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
http://bundesrecht.juris.de/stgb/__174.html
Man beachte, dass hier nicht zwischen leiblichen und unleiblichen Kindern unterschieden wird, wie es sich auch gehört. Es ist auch nicht einzusehen, weshalb der Missbrauch eines Adoptivkinds milder bestraft werden sollte als der Missbrauch eines leiblichen Kindes, nur weil zusätzlich eine moralische Norm übertreten wird.
Original geschrieben von Outsider23
Zu. 2: Ich will hier überhaupt nicht das wohl eines potentiellen kindes schützen, lediglich darauf hinweisen, dass das bvg bereits ähnlich argumentiert hat. Beim abtreibungsverbot nach dem 3. monat werden auch die rechte eines potentiellen kindes geschützt. Das ist da nämlich noch längst nicht lebensfähig.
Wo siehst du hier irgendeine Ähnlichkeit?
Einmal geht es um den Schutz, der einem Kind im Mutterleib zukommt, einmal um die Zeugung eines Kindes durch eine inzestuöse Verbindung.
Mir erschließt sich hier keine Ähnlichkeit.
Die Widersprüche, in die du dich hier verstrickst, sind in meinen Augen kennzeichnend für die Widersprüchlichkeit des Urteils: Es werden schier nach Belieben Argumente gegen "Tatbestände" wie die Zeugung von Kindern, die sexuelle Beziehung und schließlich den Beischlaft unter Verwandten durcheinander gewürfelt.
Das ganze ist ein inkonsistentes Konstrukt aus Scheinargumenten, die nur einem Ziel dienen: Ein moralisches Tabu strafrechtlich wirksam aufrechtzuerhalten.
Ich sehe hier keine rationale Abwägung von Rechtsgütern, sondern habe eher eine Gruppe älterer Herrschaften vor Augen, die sich zusammensetzen und beraten: "Klar muss Inzest verboten bleiben, aber wie begründen wir das jetzt irgendwie?"
Ich bin zutiefst enttäuscht über dieses Urteil, vor allem aber über die fadenscheinige Begründung. Das ganze ist nichts als eine Schande für den deutschen Rechtsstaat. Ich würde hier sogar von Untreue bzw. Verrat gegenüber der Verfassung sprechen.
Wie kann man es mit der unantastbaren Würde des Menschen für vereinbar halten, dass einem Liebespaar für die Ausübung des Beischlafs jahrelange Gefängnisstrafen auferlegt werden?
Darüber hinaus möchte ich mal ein Politikum zu bedenken geben: Wenn wir so tief sinken, dass wir moralischen Vorbehalten und kollektivistischen Ansprüchen dieser Art gesetzlichen Raum geben, in welche Ecke stellen wir uns dann damit?
Wenn ein islamischer Staat sich jetzt hinstellt und mit kollektiven moralischen Normen für die drakonische Bestrafung von unehelichem oder homosexuellem Geschlechtsverkehr argumentiert, wie treten wir dem dann entgegen?
Das können wir gar nicht mehr, weil genauso wie wir uns auf unsere moralischen Normen berufen, die islamische Welt sich dann nur noch auf ihre moralischen Normen beruft, fern jedweder höheren Gerechtigkeit.
Das ist moralischer Bankrott, weil wir damit das einzige hergeben, was uns bisher angeblich von solcher Unmenschlichkeit unterschieden hat: Die Berufung auf eine höhere Warte, auf ein Ideal von Menschlichkeit, Vernunft und Würde.