Inflation & Rezession

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die cdu war 999 von 1000 jahren entscheidend an der macht beteiligt und möchte uns dennoch ihren rückwärtsgewandten bullshit von vorvorgestern als erstrebenswert verkaufen.

ottonormalmichel hat wirklich ein kurzes gedächtnis :kotzerle:
 

Celetuiw

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Ich würds für bekloppt halten, wenn du deine Dachrenovierung von 100.000k dadurch finanzieren willst, dass du deiner Schwiegermutter keinen fuffi im Monat mehr zusteckst und behauptest, das wird reichen.

Edit: ja dann ließ halt nicht weiter. War mir eh klar. Nur bitte komm uns nicht mit Steuerrekordeinnahmem. Das ist das dümste Argument wo gibt.
 
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Na ja, wir brauchen ca. 2% des BIP zusätzlich für Investitionen und 1% zusätzlich fürs Militär. Bei einer Staatsquote von über 40% scheint das nicht unmöglich zu sein. Dein Dach kostet dann vielleicht 20.000 € und du steckst der Oma nen tausender im Monat zu.
Es wird nur dann unmöglich, wenn man gleichzeitig Frührente, Massenmigration und weitere Wohltaten finanzieren will. Dann bleibt "natürlich" nichts anderes übrig als mehr Geld zu fordern.

Und wo ist unser ETF-Portfolio?
 
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Vllt musst du wie der Vorstand der Grünen Jugend zurücktreten und eine eigene Bewegung gründen oder sich derer anschließen, wenn du dich von der aktuellen Bundespolitik der Grünen nicht mehr vertreten fühlst.
Meine Wahlentscheidungen haben recht wenig damit zu tun, wodurch ich mich "vertreten" fühle. Ich gebe meine Stimme grundsätzlich der Partei, deren Stärke in meinen Augen Deutschland insgesamt am meisten nützt.
Bei der letzten Wahl war das die SPD, weil mir wichtiger war, dass SPD, statt CDU den Kanzler stellt, als dass die Grünen mit ein paar Punkten mehr auf Platz drei landen. Heute schäme ich mich freilich dafür, weil ich nicht damit gerechnet hätte, dass Scholz als Kanzler ein derartiger Totalausfall wird.
 

Gustavo

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Und ich wollte nur sagen, dass ich "sparen" für den falschen Begriff halte, wenn wir mehr ausgeben als jemals zuvor und auch mehr ausgeben, als wir einnehmen.

Na ja, in Nominalbeträgen rechnen ist extrem sinnlos bei dem Thema. Klar, wir geben mehr aus, wir nehmen mehr ein, wir haben die höchsten Schulden, wir haben die höchsten Einkommen, wir haben die höchsten Kassenkredite, wir haben die höchsten Vermögen usw. usf. Du kannst dich nicht über "framing" beklagen und dann mit absoluten Zahlen argumentieren. D.h. du kannst schon, aber du machst dich halt lächerlich damit.
 
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Meine Wahlentscheidungen haben recht wenig damit zu tun, wodurch ich mich "vertreten" fühle. Ich gebe meine Stimme grundsätzlich der Partei, deren Stärke in meinen Augen Deutschland insgesamt am meisten nützt.
Bei der letzten Wahl war das die SPD, weil mir wichtiger war, dass SPD, statt CDU den Kanzler stellt, als dass die Grünen mit ein paar Punkten mehr auf Platz drei landen. Heute schäme ich mich freilich dafür, weil ich nicht damit gerechnet hätte, dass Scholz als Kanzler ein derartiger Totalausfall wird.
Jeder Mensch, oder zumindest sehr sehr schlaue Menschen wie @parats' und ich, wissen, dass einzig und allein eine absolute Mehrheit der FDP dieses Land noch vor dem Untergang retten kann.
Alternativ ein Anschluss an Argentinien, damit Milei unser Präsident wird :deliver:





:troll:
 

parats'

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Für einen Milei geht es den Menschen noch nicht dreckig genug. Gönnen wir uns noch ein weiteres Jahrzehnt Sozialismus, dann reden wir nochmal.

Die FDP war mal ansatzweise liberal, aber das ist vorbei. Für libertäre bleibt nur aushalten oder auswandern.
 
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Für einen Milei geht es den Menschen noch nicht dreckig genug. Gönnen wir uns noch ein weiteres Jahrzehnt Sozialismus, dann reden wir nochmal.
#2.
Wobei ich befürchte, dass bei unserer Demografie ein Milei auch in 10 Jahren keine Chance hätte, weil die von eventuellen Kürzungen Rentner, Beamte und Bürgergeldler lieber den kleiner werdenden Kuchen unter sich aufteilen.
Die FDP war mal ansatzweise liberal, aber das ist vorbei. Für libertäre bleibt nur aushalten oder auswandern.
Wie definierst du für dich libertär?
 

parats'

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Es ist glaube ich unerheblich wie ich den Begriff für mich definiere. Es gibt mMn. keine subjektive Form vom Begriff libertär wie bspw. beim Wohlstand, den jeder für sich individuell definieren kann.
Es gibt diverse Strömungen innerhalb dessen, die sind aber wiederum klar abgetrennt.
 
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Ich fragte weil du in zwei Sätzen erst liberal und dann libertär nutzt. Die einen overlap haben aber nicht synonym sind.

Und war interessiert, mit welchen Aspekten von libertär du dich identifizierst, die nicht von liberal abgedeckt sind.

(Problem ist natürlich, dass die Bedeutung von liberal sich verschoben hat - für mich nutze ich das immer noch als klassischer Liberalismus.)
 

parats'

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Das waren erstmal nur zwei Beschreibungen, die nicht direkt im Zusammenhang stehen sollten.
Ich würd mich nicht als libertär beschreiben, auch wenn ich den Staat in seiner jetzigen Form konsequent ablehne*. Anarchokapitalist bin ich schon gar nicht, weil mir die Nullstaat bzw. Privatrechtsordnung mehr als suspekt ist.
Minimalstaatler trifft es da schon eher, aber ich sehe ein, dass der Staat in bestimmten Lebensbereichen (Sozialstaat im groben Rahmen) präsent sein muss.
Die Übergänge sind da natürlich fließend.
Beispiel: Ich bin für eine(!) verpflichtende gesetzliche Krankenkasse für alle Bürger aber gegen das Gesundheitsministerium. Es braucht keine staatliche Instanz für eine flächendeckende Krankenversicherung, dass kriegt die Krankenkasse schon alleine hin.

Im Grunde kriegen wir als Gesellschaft fast alles alleine geregelt, ohne das der Staat uns Vorgaben machen sollte. Wenn man aufhört es den Bürgern aus der linken Tasche zu entwenden um es in die rechte Tasche zu stecken, wäre uns allen schon sehr geholfen.
Mir hat bis heute noch niemand glaubhaft erklären können, warum ein Mindestlöhner überhaupt ESt. zahlen muss.

*Das grundlegende Problem für mich ist in erster Linie das Parteisystem. Nicht weil ich Parteien per se blöd finde, sondern weil mir die Ausgestaltung in Deutschland einfach zuwider ist.
 
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Im Grunde kriegen wir als Gesellschaft fast alles alleine geregelt, ohne das der Staat uns Vorgaben machen sollte. Wenn man aufhört es den Bürgern aus der linken Tasche zu entwenden um es in die rechte Tasche zu stecken, wäre uns allen schon sehr geholfen.
Und wann/wo hat das jemals funktioniert? Ich finde allein die strikte Trennung von Staat und Gesellschaft befremdlich, als wäre das eine vom anderen entkoppelt.
Mir fällt kein einziges Land ein, das es mit "Gesellschaft regelt fast alles ohne Staat" geschafft hätte, einen unserem vergleichbaren Lebensstandard für seine Bevölkerung zu schaffen.
 

Celetuiw

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Ach Neoliberalismus jedweder Spielart propagiert doch eigentlich nur eins: den ökonomischen Vorteil derer, die ihn verfechten.
 

parats'

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Und wann/wo hat das jemals funktioniert? Ich finde allein die strikte Trennung von Staat und Gesellschaft befremdlich, als wäre das eine vom anderen entkoppelt.
Mir fällt kein einziges Land ein, das es mit "Gesellschaft regelt fast alles ohne Staat" geschafft hätte, einen unserem vergleichbaren Lebensstandard für seine Bevölkerung zu schaffen.
Ich rede davon, dass der Staat sich auf die Kernaufgaben (Verteidigung, Schutz von Eigentum, Rechtsprechung etc. Pp.) konzentrieren soll. Bei bei privaten Lebensführung soll er sich einfach raushalten.
Es geht mir eben nicht um eine Privatrechtsordnung, sondern dass der Staat in seinen Kernbereichen klar definiert ist und sich aber nur dort bewegt, wo es explizit vorgesehen wird.

Wieso benötige ich eigentlich eine Energieberatung für eine neue Heizungsanlage?
Wieso gibt es kWp Grenzen bei Solar als Privatmensch und zur Hölle damit, wieso muss ich ab einem Grenzwert das sogar versteuern?
Es braucht scheinbar eine Horde von Staatsrechtlern und Beamten die mir drei Cannabispflanzen erlauben oder einen "Club" erst ermöglichen, der maximale Auflagen hat.
Wieso kann ich mit meinem Komparsen Heat0rschel Goldstaub nicht einfach einen Laden aufmachen und dope verkaufen?

Es gibt tausende Beispiele wo der Staat mir explizit erst eine Erlaubnis gibt und unter maximaler Kontrolle dann seinen Autoritätsanspruch durchsetzt.
 
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Das Ding ist halt, dass solche Details in keinster Weise zwingend bei irgendeiner Wirtschaftsordnung sind. Theoretisch könnte sich sowas mit der Zeit auch entwickeln, wenn die Basis mal ein Minimalstaat war (vorausgesetzt es gibt demokratische Strukturen, die Reformen erlauben)

Ich habe allerdings den Eindruck, dass es Libertären und Minimalstaatlern oft eher darum geht, den Sozialstaat abzuschaffen oder zumindest stark zu beschneiden und Steuern überwiegend einzudampfen weil Raub. Damals gab es dazu ja auch ewige Diskussion mit Claw und Megavolt.

Heißt natürlich nicht, dass es nicht auch viel Überregulierung gibt. Aber im Zweifel ist mir der langsame und schwerfällige Prozess kleinteiliger Reformen doch lieber als zu viel Macht in Richtung Kapitalbesitz zu verschieben. Es gibt ja auch zahlreiche Beispiele, wo eine strenge und kleinteilige Regulierung wünschenswert ist, etwa bei Lebensmittelsicherheit, Arbeitsschutz, Gesundheit/Medizin etc. aber auch bei Kartellrecht, Preisabsprachen usw.
 

parats'

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An die Diskussionen mit Claw und MV erinnere ich mich noch gut.
Mir persönlich geht es nicht darum den Sozialstaat abzuschaffen, habe ich hier denke ich auch noch nie so gefordert. Eher im Gegenteil, es gibt diverse Punkte bei denen die Unterstützung durchaus besser sein müsste. Es ist oben sicherlich nicht 100% durchgekommen, weil es nur unten angeführt wurde. Meine Ablehnung des Staates zum Status Quo rührt nicht daher, dass ich per se für einen Minimalstaat bin. Es ist vielmehr eine Konsequenz und Notwehr daraus, dass mich das deutsche Parteisystem anwidert.

Ich wäre für viel mehr direkte Demokratie und zwar schon auf den kleinsten Verwaltungsebenen. Dazu müssten aber Kommunen viel mehr Spielräume bekommen - ob das dann bspw. Steuerwettbewerb wie in der Schweiz innerhalb der Kantone sein muss weiß ich nicht. Vielleicht lässt sich aber auch eine bessere Verteilung des Steueraufkommens erzielen, wenn man mal offen über mögliche Konzepte spricht.
Sowas geht in diesem Land aber überhaupt nicht, weil auf Bundesebene alle Pfründe mit Zähnen und Klauen verteidigt, Aufgaben aber nach unten delegiert werden.
Bestes Beispiel ist die aktuelle Asyldebatte. Wenn ich als Bund Asylbewerber an den Außengrenzen aufnehme, dann muss ich für die Unterbringung und Integration etc. pp. die Ressourcen bereitstellen. Entweder in Form von Kapital oder Arbeitskraft. Der Bund macht aber eben gar nichts (bzw. minimalprinzip). Er delegiert die Aufgabe an die Länder und die wieder rum an ihre Kommunen.
Die sind weder personell noch finanziell so ausgestattet, dass man den Menschen überhaupt etwas anbieten kann. Also pfercht man sie in Containersiedlungen und ist am Ende überrascht, das da nach 8 Jahren netto nichts bei rum kommt. Was ist denn die Erwartungshaltung?

Die Probleme in diesem Land sind rein politisch und wir als Gesellschaft wären in vielen Punkten deutlich weiter, wenn es keine entrückte Kaste von strammen Parteisoldaten geben würde.
 
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Es stimmt bestimmt, dass viele Minimalstaatler auch kein Sozialsystem möchten.

Ich würde mich daher auch eher als Effizienzstaatler bezeichnen. Es gibt zu viele Regulierungen, zu viele Behörden. Das ist schlicht ineffizient.

Wenn man sich dann demokratisch entscheidet, die Früchte steigender Effizienz in den Sozialstaat zu investieren, so be it.

Das Problem ist auch nicht nur der Status quo - sondern dass die Regulierung und Komplexität stets zunimmt. Sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene. D.h. die Ineffizienz nimmt zu in einer Zeit, wo wir uns das wirtschaftlich und demografisch immer weniger leisten können.
 

FORYOUITERRA

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ich sehe das anders. große firmen verballern unnötig konsumentenrente durch ineffiziente mitarbeiterprivilegien. regulierung und "komplexität" ist gerade in einer zeit, wo wir uns wirtschaftlich und demografisch immer weniger leisten können, bitter nötig um auch in zukunft zu gewährleisten, dass der raubbau der großen unternehmungen (z.b. auch durch fehlentscheidungen), die zu den abstieg letztendlich geführt haben und auch eben diese regulierungen erst bitter notwendig machen (z.b. 2024/1689), auch mittel und langfristig verlangsamt wird.
 
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"Inefiziente Mitarbeiterprivilegien" -- ich vermute, du meinst da sowas wie Volkswagen?
Die sind eher eine Konsequenz aus Regulierung als aus Deregulierung / freiem Markt.

Ich sage auch nicht, dass wir keine Regulierung brauchen.
Bspw. ist es total sinnvoll zu regulieren, dass man nicht einfach beliebig die Luft oder das Wasser verpesten kann.

In der Praxis sehen wir aber eine Entropie der Regulierung, und eben auch oftmals Regulierungen, die komplett unnötig sind.
Die populären Beispiele wie die Verordnung über die Krümmung von Gurken mögen "lustig" sein -- und in diesem konkreten Falle wurde die Regulierung auch wieder abgeschafft, weil es so viel Aufmerksamkeit gab.
Ich finde die Beispiele aber weniger lustig, weil sie Symptom sind für das Problem, dass Behörden und Politiker die Tendenz haben, immer mehr Dinge regulieren zu wollen - um ihre Existenz zu rechtfetigen, oder ihren Wählen irgendwelche Privilegien zuzuschachern.

Das kann man einfach nicht unendlich lange machen -- irgendwann wird es too much.
Selbst wenn man also sagen würde, dass es heute noch nicht too much sei, so muss man doch das System reformieren, welches immer weiter in diese Richtung läuft.
Sonst hat man irgendwann die Situation wie in Argentinien, und es kommt ein Milei, der mit der Kettensäge die Behörden abschafft.
Gerade wer das nicht will, sollte sich also Gedanken machen, wie man das ohne derartige Polarisierung besser machen kann.

Und dass du eine zurecht sehr umstrittene Regulierung wie 2024/1689 also "bitter notwendig" bezeichnest.
Ich denke, dass gerade die Tech- & Privacy-Regulierungen viele negative Effekte haben & gerade Startups schaden.
Es ist kein Zufall, dass es in Europa fast keine großen Tech-Konzerne gibt.
 
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Ich rede davon, dass der Staat sich auf die Kernaufgaben (Verteidigung, Schutz von Eigentum, Rechtsprechung etc. Pp.) konzentrieren soll. Bei bei privaten Lebensführung soll er sich einfach raushalten.
Es geht mir eben nicht um eine Privatrechtsordnung, sondern dass der Staat in seinen Kernbereichen klar definiert ist und sich aber nur dort bewegt, wo es explizit vorgesehen wird.

Wieso benötige ich eigentlich eine Energieberatung für eine neue Heizungsanlage?
Wieso gibt es kWp Grenzen bei Solar als Privatmensch und zur Hölle damit, wieso muss ich ab einem Grenzwert das sogar versteuern?
Es braucht scheinbar eine Horde von Staatsrechtlern und Beamten die mir drei Cannabispflanzen erlauben oder einen "Club" erst ermöglichen, der maximale Auflagen hat.
Wieso kann ich mit meinem Komparsen Heat0rschel Goldstaub nicht einfach einen Laden aufmachen und dope verkaufen?

Es gibt tausende Beispiele wo der Staat mir explizit erst eine Erlaubnis gibt und unter maximaler Kontrolle dann seinen Autoritätsanspruch durchsetzt.
Ich streite nicht ab, dass es Beispiele für massive Überregulierung gibt. Trotzdem bin ich skeptisch, ob sich das auf "der Staat sollte sich aus vielen Bereichen einfach raushalten" runterbrechen lässt. Zum einen fallen mir ebenso Beispiele für massive Unterregulierung ein, wo Leute viel zu sehr machen dürfen, was sie wollen - zum Schaden aller. Zum anderen wüsste ich nicht, wie man a priori einen "Kernbereich" des Staats sinnvoll definieren sollte, wo allein Regulierung sinnvoll ist.

Wir brauchen sinnvolle Regeln und mehr Effizienz - so weit, so trivial. Mag auch sein, dass wir insgesamt deutlich weniger Regeln benötigen, als wir haben - obwohl ich das auch nicht für eine triviale Aussage halte, die man einfach mal als gegeben nehmen kann. Vor allem führt diese Art von Phrase ins konkret nicht weiter, weil wir nun mal keinen Zauberstab haben, der uns x Prozent weniger Regeln zaubert und dabei auch noch zielgenau die überflüssigen erwischt. Es bleibt also gar nichts übrig, als konkrete Regulierungen einzeln auf den Prüfstand zu stellen.


Um mal wieder zum Thema zu kommen und es knüpft sogar leicht daran an:


"Diese Krise kann man nicht mit kaputten Straßen erklären"​

Die Wirtschaft kommt einfach nicht in Fahrt. Warum? Der Ökonom Tom Krebs über falsche Marktgläubigkeit, den AfD-Aufstieg und die unterschätzten Folgen der Energiekrise.

Ich kenne Herrn Krebs nicht und kann seine Expertise nicht einschätzen. Aber die Argumente leuchten mir erstmal ein: Sicherlich hat Deutschland massive strukturelle Probleme, die in den letzten 20 bis 30 Jahren nicht energisch genug angegangen wurden - hallo Union, liebste aller Oppositionsparteien.
Aber unsere akute Krise hat dann vielleicht doch mehr, als man sich eingesteht, damit zu tun, dass wir kurz nach der Pandemie erneut in eine globale Krise geraten sind, diesmal aber eine Regierung hatten, die sich aufgrund zu divergierender Auffassungen in Tatenlosigkeit verloren hat.
 

FORYOUITERRA

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"Inefiziente Mitarbeiterprivilegien" -- ich vermute, du meinst da sowas wie Volkswagen?
Die sind eher eine Konsequenz aus Regulierung als aus Deregulierung / freiem Markt.

Ich sage auch nicht, dass wir keine Regulierung brauchen.
Bspw. ist es total sinnvoll zu regulieren, dass man nicht einfach beliebig die Luft oder das Wasser verpesten kann.

In der Praxis sehen wir aber eine Entropie der Regulierung, und eben auch oftmals Regulierungen, die komplett unnötig sind.
Die populären Beispiele wie die Verordnung über die Krümmung von Gurken mögen "lustig" sein -- und in diesem konkreten Falle wurde die Regulierung auch wieder abgeschafft, weil es so viel Aufmerksamkeit gab.
Ich finde die Beispiele aber weniger lustig, weil sie Symptom sind für das Problem, dass Behörden und Politiker die Tendenz haben, immer mehr Dinge regulieren zu wollen - um ihre Existenz zu rechtfetigen, oder ihren Wählen irgendwelche Privilegien zuzuschachern.

Das kann man einfach nicht unendlich lange machen -- irgendwann wird es too much.
Selbst wenn man also sagen würde, dass es heute noch nicht too much sei, so muss man doch das System reformieren, welches immer weiter in diese Richtung läuft.
Sonst hat man irgendwann die Situation wie in Argentinien, und es kommt ein Milei, der mit der Kettensäge die Behörden abschafft.
Gerade wer das nicht will, sollte sich also Gedanken machen, wie man das ohne derartige Polarisierung besser machen kann.

Und dass du eine zurecht sehr umstrittene Regulierung wie 2024/1689 also "bitter notwendig" bezeichnest.
Ich denke, dass gerade die Tech- & Privacy-Regulierungen viele negative Effekte haben & gerade Startups schaden.
Es ist kein Zufall, dass es in Europa fast keine großen Tech-Konzerne gibt.
schau mal, du sagst das eine, ich das andere, nur weil du mehr wörter schreibst, liegst du nicht richtiger. da kommen wir wohl nicht auf einen nenner.
 

Gustavo

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Ich kenne Herrn Krebs nicht und kann seine Expertise nicht einschätzen. Aber die Argumente leuchten mir erstmal ein: Sicherlich hat Deutschland massive strukturelle Probleme, die in den letzten 20 bis 30 Jahren nicht energisch genug angegangen wurden - hallo Union, liebste aller Oppositionsparteien.
Aber unsere akute Krise hat dann vielleicht doch mehr, als man sich eingesteht, damit zu tun, dass wir kurz nach der Pandemie erneut in eine globale Krise geraten sind, diesmal aber eine Regierung hatten, die sich aufgrund zu divergierender Auffassungen in Tatenlosigkeit verloren hat.


Krebs ist ein seriöser Ökonom, aber politisch für die Ökonomie schon recht weit links. Gibt einen zentralen Punkt, den er macht, den man dringend unterstreichen sollte: Alle, die jetzt Strukturreformen fordern, können überhaupt nicht erklären wie die in der aktuellen Situation helfen sollen. Heißt natürlich nicht, dass sie deshalb falsch sind, aber ihr Beitrag zum aktuellen Problem ist begrenzt, weil sie erst langfristig wirken und wie Krebs ja richtig sagt: Die wirtschaftlich guten Kenndaten der letzten 15 Jahre wurden unter nur unwesentlich anderen strukturpolitischen Rahmenbedingungen* erzielt, insofern gibt es keinen erkennbaren Grund warum die auf einmal die Wirtschaft derart runterziehen sollten. Es gibt keinen exogenen Bürokratieschock, aber es gibt sehr wohl einen exogenen Schock bzgl. vieler anderer Bedingungen.

Caveat emptor: Er bringt im Oktober ein neues Buch raus und ich habe es noch nicht gelesen (habe dankbarerweise eine Vorab-Kopie bekommen), insofern bin ich gespannt wie er die Erzählung von der Zentralität des Energiepreis-Schocks begründet, aber erst mal glaube ich den Teil des Interviews auch nicht so recht.





*übrigens witzig, wie heute alle von der Agenda 2030 reden als wäre die Agenda 2010 DER zentrale Punkt gewesen der diese 15 Jahre erst ermöglicht hat; erstens gibt es dafür zumindest ökonomisch wenig Anhaltspunkte und zweitens haben viele derjenigen, die bei der Diskussion vor 20 Jahren schon dabei waren, damals noch gesagt dass die Agenda 2010 ja viel zu wenig Angebotspolitik wäre und das nie reichen würde (Hans-Werner Sinn hat mit der These sogar ein ganzes Buch geschrieben)
 
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Gibt es den halbwegs zuverlässige harte Daten dazu, was in Deutschland grad schlechter läuft als anderswo? Jenseits von wir haben so viel Industrie, die aufgrund der Energiepreise/Transformation/Unsicherheit grad eingedampft wird?
 
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Krebs ist ein seriöser Ökonom, aber politisch für die Ökonomie schon recht weit links. Gibt einen zentralen Punkt, den er macht, den man dringend unterstreichen sollte: Alle, die jetzt Strukturreformen fordern, können überhaupt nicht erklären wie die in der aktuellen Situation helfen sollen. Heißt natürlich nicht, dass sie deshalb falsch sind, aber ihr Beitrag zum aktuellen Problem ist begrenzt, weil sie erst langfristig wirken und wie Krebs ja richtig sagt: Die wirtschaftlich guten Kenndaten der letzten 15 Jahre wurden unter nur unwesentlich anderen strukturpolitischen Rahmenbedingungen* erzielt, insofern gibt es keinen erkennbaren Grund warum die auf einmal die Wirtschaft derart runterziehen sollten. Es gibt keinen exogenen Bürokratieschock, aber es gibt sehr wohl einen exogenen Schock bzgl. vieler anderer Bedingungen.
Ja, die Makrobedingungen waren halt viel besser in den letzten 15 Jahren:
  • Energiepreise niedriger / höhere Friedensdividende
  • China noch eher Konsument als Konkurrent für bspw Anlagen- & Maschinenbau
  • Anteil von Tech an der gesamten Wertschöpfung geringer
  • Demografischer Wandel noch nicht so weit fortgeschritten
Jetzt sind diese Vorteile halt weg.
Insofern finde ich es irgendwie ein komisch, ohne konkrete Alternativvorschläge zu implizieren, Strukturreformen seien jetzt nicht so wichtig.
Von der puren Erkenntnis, dass man wegen eines exogenen Schocks ärmer wird, kann man sich ja wenig kaufen.

Analogie:
In einer jungen erfolgreichen Firma mit hohem Wachstum ist erstmal Kostenoptimierung auch nicht so wichtig.
Wenn dann aber das Wachstum langsamer wird & der Wettbewerb härter, dann muss man halt vielleicht doch mal an dieses Thema ran.
Dann wäre es auch wenig erhellend, wenn mir jemand erzählt, die letzten 15 Jahre wäre es ja auch ohne Kostenoptimierung gegangen.
 
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Wie gesagt, es geht ja nicht darum, dass man keine Strukturreformen bräuchte. Aber wenn das Thema grad ist, warum Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern etwas abschmiert, dann lohnt es sich ja schon genauer hinzugucken, woran das konkret liegt. Denn der demographische Trend, Energiepreise, globaler Konkurrenzdruck usw. sind jetzt ja keine Herausforderungen, die Deutschland exklusiv treffen.
 

Gustavo

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Gibt es den halbwegs zuverlässige harte Daten dazu, was in Deutschland grad schlechter läuft als anderswo? Jenseits von wir haben so viel Industrie, die aufgrund der Energiepreise/Transformation/Unsicherheit grad eingedampft wird?

Was für Daten stellst du dir vor? Ich nehme an nicht Wirtschaftswachstum, weil das ja selbst die DV ist. Gibt ordentliche Frühwarnsysteme (Sahm rule etc.) oder meinst du sektorale Daten?


Ja, die Makrobedingungen waren halt viel besser in den letzten 15 Jahren:
  • Energiepreise niedriger / höhere Friedensdividende
  • China noch eher Konsument als Konkurrent für bspw Anlagen- & Maschinenbau
  • Anteil von Tech an der gesamten Wertschöpfung geringer
  • Demografischer Wandel noch nicht so weit fortgeschritten
Jetzt sind diese Vorteile halt weg.
Insofern finde ich es irgendwie ein komisch, ohne konkrete Alternativvorschläge zu implizieren, Strukturreformen seien jetzt nicht so wichtig.
Von der puren Erkenntnis, dass man wegen eines exogenen Schocks ärmer wird, kann man sich ja wenig kaufen.

Analogie:
In einer jungen erfolgreichen Firma mit hohem Wachstum ist erstmal Kostenoptimierung auch nicht so wichtig.
Wenn dann aber das Wachstum langsamer wird & der Wettbewerb härter, dann muss man halt vielleicht doch mal an dieses Thema ran.
Dann wäre es auch wenig erhellend, wenn mir jemand erzählt, die letzten 15 Jahre wäre es ja auch ohne Kostenoptimierung gegangen.


Du verlagerst aber einfach das Argument bzgl. Strukturpolitik hin zu makroökonomischen Rahmenbedingungen. Die Wahrheit ist aber, dass das eben auch keine exogenen Schocks sind, mit Ausnahme der Energiepreise: Das sind alles graduelle Trends, die in den letzten 15 Jahren auch schon existierten*. Das sind sicher keine erfreulichen Trends, aber sie können die aktuelle Wachstumsschwäche auch maximal zum Teil erklären, genau wie die strukturpolitischen Rahmenbedingungen, eben weil die Änderungen so graduell sind. Weder waren das in den letzten 15 Jahren so klare "Vorteile", noch sind sie jetzt einfach so "weg"; diese Art von schwarz/weiß-Denken wird der Situation nicht gerecht. Deutschland verkauft zwar mehr Waren ins Ausland als andere große Volkswirtschaften, aber trotz allem bleiben 70% der Wertschöpfung inländisch und ein beträchtlicher Teils des Rests europäisch, wo unser Energiepreis-Nachteil gering, der "Techanteil" (sowieso eine zu vernachlässigende Variable) vergleichbar und der demografische Wandel nur etwas ungünstiger ist. In der Debatte wird mir ein bisschen (ok, deutlich) zu stark von einzelnen Branchen wie der Autobranche hin zur gesamten Volkswirtschaft generalisiert. Wenn Deutschland so "wettbewerbsunfähig" wäre, wie der vage Blicke auf die Autoindustrie ("in Europa will niemand E-Autos und in China will niemand unsere Verbrenner") suggeriert, dürfte es als rohstoffarmes Land keine so hohen Handelsüberschüsse generieren.

Bei der Frage nach der Dringlichkeit von Strukturreformen sind wir wieder bei derselben Diskussion, die wir schon über die Bezahlkarte hatten: Selbst wenn es der einzige Hebel ist, wird er dadurch nicht länger. Entweder sie sind wichtig oder sie sind nicht wichtig; ob und welche Alternativen es gibt sind dafür belanglos, das ist eine relativ einfache Quantifikation. Aktuell sind sie in meinen Augen eher mäßig wichtig: Sollte man angehen, wird aber das aktuelle Problem nicht lösen. Der Volkswirtschaft, da glaube ich hat Krebs recht, fehlt es schlicht derzeit an Nachfrage. Da sehe ich den deutlich größeren Hebel: Die Nachfrage sollte durch deficit spending angekurbelt werden, primär in Felder, in denen der ROI für staatliche Ausgaben positiv ist, also Infrastruktur und Bildung. Den Hebel ignorierst du geflissentlich und das ist btw auch mein großer Kritikpunkt an der Sichtweise, man müsse den Beitrag zur Lösung des Problems an der Existenz von Alternativen messen: Das erscheint mir immer eine höchst subjektive Übung zu sein. Ob und welche Alternativen es in den Augen von Leuten gibt hängt nach meiner Einschätzung leider häufig davon ab, für wie wichtig sie die halten, die auf dem Tisch liegt, nicht wie wichtig sie wirklich ist.

Eine Sache zu "Strukturreformen" noch: Ich bin ja prinzipiell durchaus zugetan, aber es kommt halt schon auf die Ausgestaltung an. Meine Zielfunktion ist nicht maximales Wirtschaftswachstum sondern ein egalitäre Form von Utilitarismus. Wenn ich Strukturreformen höre, möchte ich konkrete Vorschläge sehen, die sich nicht negativ auf das Erwerbspotenzial der Arbeitnehmer auswirken, denn DAS zentrale Problem an neoklassischen Ansätzen für mich ist, dass die Verteilungswirkung unbeachtet und meistens auch unmodelliert bleibt. Das ist auch ein bisschen, was mich an den Lobreden auf die Agenda-Politik von Schröder gestört hat: Weder im Modell noch in der Realität ist es arg schwer, Standortbedingungen zu verbessern indem man die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer nach unten drückt. Wenn diese dafür entschädigt würden, wäre das auch ok, aber in der Realität ist es nun mal empirisch so, dass das fast nie der Fall ist. Mit einer Wirtschaft, die stärker wächst, in der das Wachstum dann aber weit überproportional dem besserverdienenden Teil der Bevölkerung (und damit meine ich jetzt nicht ausschließlich oder auch nur hauptsächlich "Reiche") zugute kommt, ist imho kein echter Mehrwert erzielt.










*ich weiß, demografischer Wandel hat einen Geburtenüberhang mit den Babyboomern, aber auch das ist kein Schock, denn erstens ist auch das graduell (weil die Babyboomer Jahr für Jahr in Rente gehen), zweitens hat er auch nicht zu Beginn der Pandemie angefangen weil die früheren Jahrgänge der Babyboomer bereits in dem Alter waren, in denen Menschen weniger arbeiten und bereits deutlich weniger leistungsfähig werden
 
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Was für Daten stellst du dir vor? Ich nehme an nicht Wirtschaftswachstum, weil das ja selbst die DV ist. Gibt ordentliche Frühwarnsysteme (Sahm rule etc.) oder meinst du sektorale Daten?
Im Wesentlichen alles, was die Situation erhellt. Also erstmal überhaupt einschlägige Vergleiche, bspw.: Wo steht Deutschland beim Wachstum heute? Wie sieht das aus verglichen mit Trends von vor, während und nach der Pandemie und dem Beginn des Kriegs? Wie siehts im Vergleich mit anderen relevanten Ländern aus?
Insbesondere: Wie viel schlechter gehts Deutschland im Vergleich zu vorherigen Prognosen und im Vergleich zu anderen Ländern?
Was sind mögliche Ursachen dafür? Könnte ja sowas banales sein (ist es das nicht fast immer?) wie: Deutschland ist sehr exportabhängig und Nachfrage in Schlüsselländern wie China ist schwächer als erwartet usw.
Dann aber gern auch etwas präziser, z.B. was Investitionsströme angeht: Wie groß ist der Malus in Deutschland - wiederum verglichen mit Trends und vorherigen Erwartungen und anderen Ländern, die sich sinnvoll vergleichen lassen.
Auch hier: Was sind die Ursachen? Bspw. hat Frankreich afaik einfach relativ stark Unternehmenssteuern gesenkt auf Pump? Welchen Effekt erklärt das?
Was sind andere relevante Effekte und welche davon lassen sich unmittelbar auf Policy, welche auf strukturelle oder konjunkturelle Ursache und welche eher gar nicht so recht erklären?
 
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Du verlagerst aber einfach das Argument bzgl. Strukturpolitik hin zu makroökonomischen Rahmenbedingungen. Die Wahrheit ist aber, dass das eben auch keine exogenen Schocks sind, mit Ausnahme der Energiepreise: Das sind alles graduelle Trends, die in den letzten 15 Jahren auch schon existierten*. Das sind sicher keine erfreulichen Trends, aber sie können die aktuelle Wachstumsschwäche auch maximal zum Teil erklären, genau wie die strukturpolitischen Rahmenbedingungen, eben weil die Änderungen so graduell sind. Weder waren das in den letzten 15 Jahren so klare "Vorteile", noch sind sie jetzt einfach so "weg"; diese Art von schwarz/weiß-Denken wird der Situation nicht gerecht.
Richtig.
Mein Argument wäre, dass wir schwächer werden - und deswegen exogene Schocks nicht mehr gut wegstecken können.

Wir haben uns beim Sturz (dem exogenen Schock) den Oberschenkelhals gebrochen.
Und da wir die letzen Jahrzehnte wenig für unsere Gesundheit getan haben (Strukturreformen) droht uns die bettlägrige Malaise jetzt sprichwörtlich auch noch den Hals zu brechen.
Deutschland verkauft zwar mehr Waren ins Ausland als andere große Volkswirtschaften, aber trotz allem bleiben 70% der Wertschöpfung inländisch
Sind wir als Land, was viele Dinge importieren muss (gerade Energie) oder "muss" (digitale Dienstleistungen) nicht aber angewiesen auf die 30% nicht-inländische Wertschöpfung?
Und: Wir reden ja nicht davon, dass unser GDP um 30% geschrumpft wäre - es ist halt nicht mehr relevant gewachsen in den letzten 5 Jahren, was uns relativ ärmer macht (gerade wenn manche Importe nachhaltig teurer sind).

Bei der Frage nach der Dringlichkeit von Strukturreformen sind wir wieder bei derselben Diskussion, die wir schon über die Bezahlkarte hatten: Selbst wenn es der einzige Hebel ist, wird er dadurch nicht länger. Entweder sie sind wichtig oder sie sind nicht wichtig; ob und welche Alternativen es gibt sind dafür belanglos, das ist eine relativ einfache Quantifikation. Aktuell sind sie in meinen Augen eher mäßig wichtig: Sollte man angehen, wird aber das aktuelle Problem nicht lösen.
Klingt auf den ersten Blick etwas widersprüchlich.
Einerseits sind sie entweder wichtig oder nicht wichtig -- dann entscheidet man aber doch nach Tageslage, ob man sie angehen soll.

Da Strukturreformen nicht schnell wirken, sollte man mMn eben nicht darauf warten, dass sie jetzt der wichtigste Hebel sind.
Sondern den Schmerz des exogenen Schocks nutzen, um für sie zu werben.
Der Volkswirtschaft, da glaube ich hat Krebs recht, fehlt es schlicht derzeit an Nachfrage. Da sehe ich den deutlich größeren Hebel: Die Nachfrage sollte durch deficit spending angekurbelt werden, primär in Felder, in denen der ROI für staatliche Ausgaben positiv ist, also Infrastruktur und Bildung. Den Hebel ignorierst du geflissentlich
Ich hätte überhaupt nichts gegen Investitionen in Infrastruktur & wäre da auch eher dafür als für die Schuldenbremse.
Aber wer fordert denn gerade wirklich Investitionen in Infrasturktur schwerpunktmäßig (also ohne gleichzeitig Konsumausgaben massiv steigern zu wollen)?
Eine Sache zu "Strukturreformen" noch: Ich bin ja prinzipiell durchaus zugetan, aber es kommt halt schon auf die Ausgestaltung an. Meine Zielfunktion ist nicht maximales Wirtschaftswachstum sondern ein egalitäre Form von Utilitarismus. Wenn ich Strukturreformen höre, möchte ich konkrete Vorschläge sehen, die sich nicht negativ auf das Erwerbspotenzial der Arbeitnehmer auswirken
Jo, da bin ich dabei.
Europäischen Tech-Firmen nicht mehr Steine in den Weg zu legen (Datenschutz, Privacy, GDPR, AI) wäre bspw. etwas.
Was wir da machen ist Überregulierung, die am Ende europäische Arbeitsplätze kostet -- weil die US Tech-Firmen am besten mit diesem Regulierungswahn umgehen können,
 

Gustavo

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Im Wesentlichen alles, was die Situation erhellt. Also erstmal überhaupt einschlägige Vergleiche, bspw.: Wo steht Deutschland beim Wachstum heute? Wie sieht das aus verglichen mit Trends von vor, während und nach der Pandemie und dem Beginn des Kriegs? Wie siehts im Vergleich mit anderen relevanten Ländern aus?
Insbesondere: Wie viel schlechter gehts Deutschland im Vergleich zu vorherigen Prognosen und im Vergleich zu anderen Ländern?
Was sind mögliche Ursachen dafür? Könnte ja sowas banales sein (ist es das nicht fast immer?) wie: Deutschland ist sehr exportabhängig und Nachfrage in Schlüsselländern wie China ist schwächer als erwartet usw.
Dann aber gern auch etwas präziser, z.B. was Investitionsströme angeht: Wie groß ist der Malus in Deutschland - wiederum verglichen mit Trends und vorherigen Erwartungen und anderen Ländern, die sich sinnvoll vergleichen lassen.
Auch hier: Was sind die Ursachen? Bspw. hat Frankreich afaik einfach relativ stark Unternehmenssteuern gesenkt auf Pump? Welchen Effekt erklärt das?
Was sind andere relevante Effekte und welche davon lassen sich unmittelbar auf Policy, welche auf strukturelle oder konjunkturelle Ursache und welche eher gar nicht so recht erklären?

Die gute Nachricht ist, dass die Daten tatsächlich fast alle in der Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute enthalten sind. Die schlechte Nachricht ist: Dier Zerlegung der Wachstumsschwäche in Ursachen ist mehr oder weniger Kaffeesatzleserei. Alle kennen die möglichen Ursache, aber die Quantifizierung ist so abhängig von der Modellierung, dass du fast jedes Ergebnis rausbekommen kannst, je nachdem wie die Parameter deines Modells aussehen. Ich wünschte die Ökonomie könnte solche Effekte so genau zerlegen, aber davon ist sie immer noch sehr weit entfernt, zumal "Wirtschaftswachstum" auch ein vergleichsweise kompliziertes Konzept ist. Wenn man ganz ehrlich ist klappt das nicht mal für relativ einfache Konzepte wie "Inflation" besonders gut. Wenn deine einzige Informationsquelle Braunberger in der FAZ ist, würdest du immer noch glauben die Geldmenge sei für die Inflation der letzten Jahre das Hauptproblem gewesen.


Richtig.
Mein Argument wäre, dass wir schwächer werden - und deswegen exogene Schocks nicht mehr gut wegstecken können.

Wir haben uns beim Sturz (dem exogenen Schock) den Oberschenkelhals gebrochen.
Und da wir die letzen Jahrzehnte wenig für unsere Gesundheit getan haben (Strukturreformen) droht uns die bettlägrige Malaise jetzt sprichwörtlich auch noch den Hals zu brechen.


Na ja, das ist genau die Art von Argument die mich am wirtschaftspolitischen Diskurs häufig stört: Dort, wo es einem passt, postuliert man einfach mal eine Nonlinearität. Natürlich sind volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht immer linear, aber näherungsweise und innerhalb der bekannten Parameter ist es fast immer wahrheitsgetreuer, erst mal von Linearität auszugehen bis irgendwie das Gegenteil bewiesen ist oder es zumindest starke Hinweise darauf gibt. So kommt dann das Bild vom Bruch zustande, der ja gemeinhin nicht besser wird wenn man nichts tut.
Das ist aber alles andere als klar: Strukturreformen sind auch keine Gesundheitsvorsorge, "Wettbewerbsfähigkeit" ist keine Gesundheit. Vieles davon sind schlicht die Wünsche einer bestimmten politischen Interessengruppe, die ihre Interessen als die Interessen der Allgemeinheit hinstellt. Strukturreformen sind bestenfalls ein kleiner Beitrag zur zukünftigen "Gesundheit" der deutschen Volkswirtschaft. Exogene Schocks treffen die deutsche Wirtschaft hächstwahrscheinlich nur sehr unwesentlich anders als ohne sie.


Sind wir als Land, was viele Dinge importieren muss (gerade Energie) oder "muss" (digitale Dienstleistungen) nicht aber angewiesen auf die 30% nicht-inländische Wertschöpfung?
Und: Wir reden ja nicht davon, dass unser GDP um 30% geschrumpft wäre - es ist halt nicht mehr relevant gewachsen in den letzten 5 Jahren, was uns relativ ärmer macht (gerade wenn manche Importe nachhaltig teurer sind).


Meines Wissens gibt es keine Hinweise darauf, dass die Außenwirtschaft für eine entwickelte Volkswirtschaft wichtiger ist als die Binnenwirtschaft. Außenwirtschaftliche Überschüsse können eine sinnvolle Strategie sein, wenn man von Entwicklungsländern spricht. Für Deutschland ist das starke Gewicht auf die Außenwirtschaft eher eine historisch gewachsene Besonderheit, das heißt aber nicht dass deshalb ein Prozent BIP in der Außenwirtschaft irgendwie wichtiger für Wohlstand und volkswirtschaftliche Gesundheit wäre als ein Prozent BIP in der Binnenwirtschaft. Der Unterschied ist im wesentlichen nur, dass wir die Binnenwirtschaft sehr viel stärker beeinflussen können als die Außenwirtschaft.


Klingt auf den ersten Blick etwas widersprüchlich.
Einerseits sind sie entweder wichtig oder nicht wichtig -- dann entscheidet man aber doch nach Tageslage, ob man sie angehen soll.

Da Strukturreformen nicht schnell wirken, sollte man mMn eben nicht darauf warten, dass sie jetzt der wichtigste Hebel sind.
Sondern den Schmerz des exogenen Schocks nutzen, um für sie zu werben.

Ich hätte überhaupt nichts gegen Investitionen in Infrastruktur & wäre da auch eher dafür als für die Schuldenbremse.
Aber wer fordert denn gerade wirklich Investitionen in Infrasturktur schwerpunktmäßig (also ohne gleichzeitig Konsumausgaben massiv steigern zu wollen)?


Um mal ganz ehrlich zu sein: Die Volkswirtschaftslehre ist nicht besonders gut darin, Wirtschaftswachstum zu erklären. Es gibt nicht mal eine genaue Erklärung dafür, was Wirtschaftswachstum genau ist, weshalb man letztendlich den großen, weitestgehend unerklärten Teil auf "Produktivitätszuwachs" schiebt. Konsequenterweise ist die Ökonomie auch weit davon entfernt, sowas wie einen Blueprint zu liefern, wie man Wirtschaftswachstum über den Trend hinaus fördert. Dass "Strukturreformen" wichtig sind ist mehr oder weniger Autosuggestion; die Fälle in denen das wirklich funktioniert sind häufig die Extremfälle, aus denen man wenig für normal funktionierende Volkswirtschaften wie Deutschland lernen kann; wenn man dagegen irgendwie eine hohe einstellige Zahl an Menschen hat, die auf dem Papier "arbeitsunfähig" sind wie es in den Niederlanden mal der Fall war, sieht die Sache anders aus. Insofern ist erst mal unklar, wie man langfristig (!) den Produktivitätspfad nach oben verschiebt.
Was allerdings tatsächlich mittlerweile sehr klar geworden ist: Kurzfristig kann man etwas gegen nachfrageinduzierte Wirtschaftseinbrüche tun, nämlich deficit spending. Wenn man das nicht tut kann man unter Umständen in die Hysterese schlittern wie bspw. Italien seit den späten 1990ern. Insofern ist es fast egal, wofür man das Geld ausgibt: Investitionen wären gut, aber prinzipiell wäre gegen Konsum auch nichts zu sagen. Das Problem an Konsum ist nicht, dass er a priori so viel schlechter wäre als Investitionen wenn du im Nachfrageloch sitzt, sondern dass der Staat nur höchst ungenau steuern kann, ob die Menschen im Land ihr Geld wirklich ausgeben. Deutschland hat aktuell schon wieder eine sehr hohe Sparquote und ich befürchte, wenn man den Leuten einfach mehr Geld gibt würde diese nur noch weiter steigen, was aber eben genau nicht Ziel der Übung ist.

Aus politökonomischer Sicht sieht die Sache vielleicht nochmal etwas anders aus: Ich bin wie gesagt nicht gegen Strukturreformen, zumal ich wie du vermute dass sie jetzt am ehesten durchsetzbar sind, aber sie dürfen halt KEIN Ersatz für Maßnahmen zum Ankurbeln der Nachfrage sein.



Jo, da bin ich dabei.
Europäischen Tech-Firmen nicht mehr Steine in den Weg zu legen (Datenschutz, Privacy, GDPR, AI) wäre bspw. etwas.
Was wir da machen ist Überregulierung, die am Ende europäische Arbeitsplätze kostet -- weil die US Tech-Firmen am besten mit diesem Regulierungswahn umgehen können,

Ob das europäische Regulierungsregime angebracht ist, ist ehrlich gesagt etwas, wovon ich keine Ahnung habe. Ich würde allerdings den Einfluss auf Arbeitsplätze nicht überschätzen: Das "Problem" an Tech ist ja gerade, dass sie tendenziell sehr wenig Arbeitsplätze schaffen in Bezug auf den gesamtwirtschaftlichen Beitrag.
 
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Na ja, das ist genau die Art von Argument die mich am wirtschaftspolitischen Diskurs häufig stört: Dort, wo es einem passt, postuliert man einfach mal eine Nonlinearität. Natürlich sind volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht immer linear, aber näherungsweise und innerhalb der bekannten Parameter ist es fast immer wahrheitsgetreuer, erst mal von Linearität auszugehen bis irgendwie das Gegenteil bewiesen ist oder es zumindest starke Hinweise darauf gibt. So kommt dann das Bild vom Bruch zustande, der ja gemeinhin nicht besser wird wenn man nichts tut.
Die Frage ist, ab welchem Impact man es großen "Bruch" nennen möchte oder nicht.
Wir reden ja davon, dass wir bspw. seit 2019 nicht mehr real gewachsen sind - andere Länder aber schon (auch per capita).
Der Unterschied zwischen -1%, +/-0% und +2% real Y/Y ist ja nicht "gigantisch" - wird aber dann doch sehr stark wahrgenommen.

Teils ist das natürlich die Kraft des Narrativs & in einem Jahr ändert sich dann ja nicht viel.
Teils ist es aber schon ein Problem, wenn der Trend anhält & sich mehrere kleine, lineare Effekte addieren sich dann über einen längeren Zeitraum zu etwas größeren.
Ob man das dann "Bruch" nennt oder nicht, ist für mich Makulatur.

Das ist aber alles andere als klar: Strukturreformen sind auch keine Gesundheitsvorsorge, "Wettbewerbsfähigkeit" ist keine Gesundheit. Vieles davon sind schlicht die Wünsche einer bestimmten politischen Interessengruppe, die ihre Interessen als die Interessen der Allgemeinheit hinstellt. Strukturreformen sind bestenfalls ein kleiner Beitrag zur zukünftigen "Gesundheit" der deutschen Volkswirtschaft. Exogene Schocks treffen die deutsche Wirtschaft hächstwahrscheinlich nur sehr unwesentlich anders als ohne sie.
Siehst du keine Abhängigkeit zwischen der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands & der Fähigkeit, einen großzügigen Sozialstaat zu finanzieren?
Nicht in der Zeitspanne eines Jahres, aber langfristig?
Meines Wissens gibt es keine Hinweise darauf, dass die Außenwirtschaft für eine entwickelte Volkswirtschaft wichtiger ist als die Binnenwirtschaft. Außenwirtschaftliche Überschüsse können eine sinnvolle Strategie sein, wenn man von Entwicklungsländern spricht. Für Deutschland ist das starke Gewicht auf die Außenwirtschaft eher eine historisch gewachsene Besonderheit, das heißt aber nicht dass deshalb ein Prozent BIP in der Außenwirtschaft irgendwie wichtiger für Wohlstand und volkswirtschaftliche Gesundheit wäre als ein Prozent BIP in der Binnenwirtschaft. Der Unterschied ist im wesentlichen nur, dass wir die Binnenwirtschaft sehr viel stärker beeinflussen können als die Außenwirtschaft.
Falls du dazu Studien kennst, betrachten die auch Länder als Kohorte, die Energie & Rohstoffe substantiell importieren müssen?

Auch hier ist es vermutlich kein Big Thing, wenn 1% GDP von Export zu Binnenwirtschaft wandet.
Aber wenn der Effekt größer ist, fällt mir schwer zu glauben, dass das "egal" sein sollte.
Welche Art der Binnenwertschöpfung erlaubt mir denn den Import von Energie & Rohstoffen?


Aus politökonomischer Sicht sieht die Sache vielleicht nochmal etwas anders aus: Ich bin wie gesagt nicht gegen Strukturreformen, zumal ich wie du vermute dass sie jetzt am ehesten durchsetzbar sind, aber sie dürfen halt KEIN Ersatz für Maßnahmen zum Ankurbeln der Nachfrage sein.
Da stimme ich zu & ich hätte nichts gegen ein höheres Defizit zur Zeit.
Umgekehrt gilt aber auch, dass ich es für ein Strohfeuer halten würde, jetzt weder Strukturreformen & Investitionen zu machen, aber durch deficit spending für Konsum die Zahlen kurzfrisitg nach oben zu treiben.
Ob das europäische Regulierungsregime angebracht ist, ist ehrlich gesagt etwas, wovon ich keine Ahnung habe. Ich würde allerdings den Einfluss auf Arbeitsplätze nicht überschätzen: Das "Problem" an Tech ist ja gerade, dass sie tendenziell sehr wenig Arbeitsplätze schaffen in Bezug auf den gesamtwirtschaftlichen Beitrag.
Arbeitsplätze sind eine wichtige Art der Wertschöpfung, aber nicht die einzige.
  • Tech-Konzerne treiben auch Investitionen (natürlich nicht nur im Heimatland - aber am Ende landet davon nicht so viel aus Deutschland aus ähnlichen Gründen, warum diese Konzerne in the first place nicht in Deutschland entstanden sind).
  • Sie zahlen Steuern. Natürlich könnte man hier mit Änderungen am Steuersystem gegenwirken - die Praxis zeigt aber, dass das lange dauert, weil es viele vested Interests dagegen gibt.
  • Sie ziehen Talent an, die dann nicht nur über Arbeitsplätze Wert schaffen, sondern auch durch Gründungen.
  • Sie schaffen Soft Power und nützen dem Staat auf andere Weise. Nur ein Beispiel: China kann in TikTok reinschauen & Propaganda aussteuern.
Und selbst die Arbeitsplätze sind ja nicht gerade irrelevant, weil die Gehälter hoch sind.
Selbst SAP hat 25k Arbeitsplätze in Deutschland, und ist ein Winzling bei der "domestic payroll" im Vergleich zu den großen Tech-Firmen.

Ich halte es schon für ein sehr großes Problem, wenn aus im wesentlichen regulatorischen Gründen der Anteil Deutschlands & Europas an der wachsenden digitalen Wertschöpfung weiter so klein bleibt.
 
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Braunberger in der FAZ
Nunja. Immerhin ist er einer der bedauernswert wenigen Journalisten in diesem Land, die wenigstens Ahnung von VWL haben. Da nehme ich gerne in kauf, dass er eine Meinung hat. Solange man die kennt und bei seinen Artikeln einpreisen kann, sind seine Ergüsse immer noch wertvoller als die der meisten anderen die sich berufen fühlen über "Wirtschaft" zu schreiben.
Was allerdings tatsächlich mittlerweile sehr klar geworden ist: Kurzfristig kann man etwas gegen nachfrageinduzierte Wirtschaftseinbrüche tun, nämlich deficit spending. Wenn man das nicht tut kann man unter Umständen in die Hysterese schlittern wie bspw. Italien seit den späten 1990ern. Insofern ist es fast egal, wofür man das Geld ausgibt: Investitionen wären gut, aber prinzipiell wäre gegen Konsum auch nichts zu sagen. Das Problem an Konsum ist nicht, dass er a priori so viel schlechter wäre als Investitionen wenn du im Nachfrageloch sitzt, sondern dass der Staat nur höchst ungenau steuern kann, ob die Menschen im Land ihr Geld wirklich ausgeben.
Imo sehr wichtiges Addendum: Es ist definitiv nicht egal wofür das Geld ausgegeben wird. Als Staat möchte man ganz definitiv, dass deficit spending sowohl eher einen unmittelbaren als einen langsam einschleichenden Effekt hat, als auch, dass es mindestens im Erstrundeneffekt möglichst zu 100% in inländische Wertschöpfung fließt. (Und idealerweise auch in allen Folgerunden zu 100% … was aber nahezu unmöglich ist.)
Ob das europäische Regulierungsregime angebracht ist, ist ehrlich gesagt etwas, wovon ich keine Ahnung habe. Ich würde allerdings den Einfluss auf Arbeitsplätze nicht überschätzen: Das "Problem" an Tech ist ja gerade, dass sie tendenziell sehr wenig Arbeitsplätze schaffen in Bezug auf den gesamtwirtschaftlichen Beitrag.
Ich kann auf jeden Fall sagen, dass der Effekt von Regulierung gerade auf kleine Firmen erschreckend groß ist. Je kleiner, desto eher ist die Folge, dass die Geschäftseigner ihre Wochenenden dafür opfern sich in die Materie einzulesen und irgendwie versuchen den Regeln gerecht zu werden, oder im Vergleich zu Umsatz/Marge besonders viel Geld an den Steuerberater oder sonstige Dienstleister abdrücken, dass der sie dabei unterstützt bzw. das Problem für sie löst.
Wenn man dann noch berücksichtigt, wie häufig da dann kreativ gearbeitet wird, um möglichst nichts ändern zu müssen, dann darf man sich schon fragen warum man sich den ganzen Scheiß antut, wenn einer der Haupteffekte ist, dass man vergleichsweise hochqualifizierte Arbeitskraft in unproduktive Bereiche verlagert. (Und es regt noch viel mehr auf, wenn der Kram dann nicht einmal konsequent kontrolliert wird, so dass die ehrlichen am Ende sogar noch die Dummen sind. Obvsly kostet die Kontrolle dann nochmal obendrauf.)

Meine Einstellung ist ganz klar: Je besser durchdacht und je schlanker die Regulierung, desto besser für alle. Wichtig: Ich bin nicht für "keine Regeln! Der Markt macht das schon lololo!!!" sondern für effiziente, digitale und möglichst nicht redundante Regulierung, welche insbesondere für kleine Unternehmer (insb. auch mit kleinen Vermögen und niedrigerem Bildungsniveau) gut verständlich und erfüllbar sind, bei gleichzeitige konsequenter Kontrolle.
 

FORYOUITERRA

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Nunja. Immerhin ist er einer der bedauernswert wenigen Journalisten in diesem Land, die wenigstens Ahnung von VWL haben. Da nehme ich gerne in kauf, dass er eine Meinung hat. Solange man die kennt und bei seinen Artikeln einpreisen kann, sind seine Ergüsse immer noch wertvoller als die der meisten anderen die sich berufen fühlen über "Wirtschaft" zu schreiben.
das find ich ein lustiges argument. was bringt dir ahnung in vwl hierbei? schau dir doch nur hier die logorrhoischen ausführungen von xanthos2 vs gustavo an; das ergebnis dabei ist doch recht eindeutig: du brauchst nur ein wenig gesunden menschenverstand - oder zumindest den glauben daran - um eine thematische diskussion über "wirtschaft" führen zu können. oder in einfachen worten ausgedrückt: das können sogar bildungskrüppel.
 
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das ist korrekt.

lass es mich umformulieren: ich finde, dass man die artikel von Braunberger ganz gut lesen kann und es meistens die zeit wert ist, weil er trotz seiner meinung keinen groben unsinn schreibt, bzw. man ihn kennt, und deswegen ggf. weiß warum er dinge auf eine gewisse art und weise bewertet. das ist mir lieber als wenn man jemanden hat, der keine ahnung hat und/oder so stark ideologisch gefärbten unsinn schreibt, dass man nach der artikellektüre seine lebenszeit zurückfordern möchte. so geht mir das z.b. meistens bei dorothea siems, die witzigerweise auch promovierte volkswirtin ist, aber bei der ich ständig mit den augen rollen muss weil ihre ideologische voreingenommenheit ständig sichtbar und nervig ist.
 

Gustavo

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Die Frage ist, ab welchem Impact man es großen "Bruch" nennen möchte oder nicht.
Wir reden ja davon, dass wir bspw. seit 2019 nicht mehr real gewachsen sind - andere Länder aber schon (auch per capita).
Der Unterschied zwischen -1%, +/-0% und +2% real Y/Y ist ja nicht "gigantisch" - wird aber dann doch sehr stark wahrgenommen.

Teils ist das natürlich die Kraft des Narrativs & in einem Jahr ändert sich dann ja nicht viel.
Teils ist es aber schon ein Problem, wenn der Trend anhält & sich mehrere kleine, lineare Effekte addieren sich dann über einen längeren Zeitraum zu etwas größeren.
Ob man das dann "Bruch" nennt oder nicht, ist für mich Makulatur.


Ich würde da ganz stark zwischen den ökonomischen und den politischen Auswirkungen unterscheiden. Politisch sind das ziemlich heftige Zahlen und ich muss zugeben ich bin einerseits nicht sehr überrascht, dass die aktuelle politische Debatte so läuft wie sie läuft, andererseits allerdings doch *sehr* überrascht dass kaum jemand diese Verbindung zieht. Ökonomisch ist die Lage vermutlich bei weitem nicht so schlimm.

Ich würde btw von dem Begriff "Bruch" einfach komplett absehen. Das Schöne an gut quantifizierbaren Zusammenhängen wie hier ist ja gerade, dass man sie nicht wirklich braucht*.




*und wenn man ganz ehrlich ist ist die Ökonomie eh null in der Lage, solche Brüche vorauszusagen sondern kann bestenfalls deutlich im Nachhinein das Etikett draufkleben


Siehst du keine Abhängigkeit zwischen der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands & der Fähigkeit, einen großzügigen Sozialstaat zu finanzieren?
Nicht in der Zeitspanne eines Jahres, aber langfristig?


Ich würde sagen "Wettbewerbsfähigkeit" ist vielleicht die falsche Kategorie, um darüber nachzudenken. Es gibt jede Menge Staaten, die in ihrer Nische sehr wettbewerbsfähig sind, sich aber keinen großzügigen Wohlfahrtsstaat leisten können. Genauso gibt es Staaten, die permanent Handelsbilanzdefizite fahren, die dafür reich genug sind. Sozialstaaten werden aus wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bezahlt, nicht mit Handelsüberschüssen. Sagen wir so: Ich könnte mir ein Deutschland vorstellen, dass deutlich geringere Handelsbilanzüberschüsse bzw. Handelsbilanzdefizite hat und es würde an der Fähigkeit, sich einen großzügigen Sozialstaat leisten zu können, nix ändern. Wenn natürlich die Wettbewerbsfähigkeit zusammenbricht weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einbricht dann sähe es anders aus. Kurzfristig wäre es natürlich schwierig, das zu kompensieren. Langfristig gibt es keinen Grund, warum Deutschland permanent so wettbewerbsfähig sein muss, dass es horrende Handelsbilanzüberschüsse erzielt (welche im Aggregat, sagen wir mal sehr vorsichtig, in den letzten 20 Jahren nicht unbedingt wahnsinnig clever angelegt wurden).


Falls du dazu Studien kennst, betrachten die auch Länder als Kohorte, die Energie & Rohstoffe substantiell importieren müssen?

Auch hier ist es vermutlich kein Big Thing, wenn 1% GDP von Export zu Binnenwirtschaft wandet.
Aber wenn der Effekt größer ist, fällt mir schwer zu glauben, dass das "egal" sein sollte.
Welche Art der Binnenwertschöpfung erlaubt mir denn den Import von Energie & Rohstoffen?


Na ja, kommt wie gesagt darauf an über was für einen Zeitraum wir reden. Innerhalb von sechs Monaten ginge das natürlich nicht, das ist klar. Aber Handelsbilanzüberschüsse sind jetzt auch nicht irgendwie das Schicksals Deutschlands oder durch seine wirtschaftliche Struktur determiniert.

Studien auf dem Grad der Abstraktion gibt es zu dem Thema eher nicht, die Art von large-n Studie wäre wohl am ehesten cross country-regression, die schon länger aus der Mode ist. Ich vermute die meisten Leute würden auch nicht unbedingt einen Zusammenhang zwischen natürlichen Resourcen und der Wichtigkeit von Außenhandel vermuten. Die Industrienation, die so wenig exportiert dass sie sich nicht mal die primären Importgüter leisten könnte gibt es glaube ich so auch nirgendwo auf der Welt, da reden wir eher von drastisch unterentwickelten Ökonomien und Pariahstaaten.


Da stimme ich zu & ich hätte nichts gegen ein höheres Defizit zur Zeit.
Umgekehrt gilt aber auch, dass ich es für ein Strohfeuer halten würde, jetzt weder Strukturreformen & Investitionen zu machen, aber durch deficit spending für Konsum die Zahlen kurzfrisitg nach oben zu treiben.


Das ist so ein bisschen die Crux der Geschichte: Was ich bei Krebs nicht so recht verstehe (hab das Buch immer noch nicht gelesen): Umso stärker der Energiepreisschock verantwortlich sein soll, umso weniger sollte deficit spending funktionieren. Nach den Ausführungen aus dem Interview kommt es mir aber so vor, als hält er deficit spending für ein probates Mittel. Das vermute ich letztendlich auch: Der Energiepreisschock erklärt einen Teil, aber ein großer Teil ist fehlende Nachfrage in Folge von Lohnzurückhaltung und hoher Sparquote aufgrund von wirtschaftlicher Unsicherheit, Energiepreise erklären da eher einen kleinen Teil. Genau für den Fall wäre aber deficit spending nur in dem Sinn ein "Strohfeuer", dass man versucht die Wirtschaft wieder ungefähr auf Pfad des Potenzialwachstums bringen, auf dem wir auch vorher waren (diskontiert um die Veränderungen im Weltmarkt etc.) In dem Sinn stellt man sich die Wirtschaft wie ein Auto vor, ein Problem mit dem Anlassen hat (Keynes' "magneto trouble") und deficit spending als Starthilfekabel. Es geht nicht darum dass Defizite eine nachhaltige Lösung sein sollen, sind sie natürlich auch nicht.


Arbeitsplätze sind eine wichtige Art der Wertschöpfung, aber nicht die einzige.
  • Tech-Konzerne treiben auch Investitionen (natürlich nicht nur im Heimatland - aber am Ende landet davon nicht so viel aus Deutschland aus ähnlichen Gründen, warum diese Konzerne in the first place nicht in Deutschland entstanden sind).
  • Sie zahlen Steuern. Natürlich könnte man hier mit Änderungen am Steuersystem gegenwirken - die Praxis zeigt aber, dass das lange dauert, weil es viele vested Interests dagegen gibt.
  • Sie ziehen Talent an, die dann nicht nur über Arbeitsplätze Wert schaffen, sondern auch durch Gründungen.
  • Sie schaffen Soft Power und nützen dem Staat auf andere Weise. Nur ein Beispiel: China kann in TikTok reinschauen & Propaganda aussteuern.
Und selbst die Arbeitsplätze sind ja nicht gerade irrelevant, weil die Gehälter hoch sind.
Selbst SAP hat 25k Arbeitsplätze in Deutschland, und ist ein Winzling bei der "domestic payroll" im Vergleich zu den großen Tech-Firmen.

Ich halte es schon für ein sehr großes Problem, wenn aus im wesentlichen regulatorischen Gründen der Anteil Deutschlands & Europas an der wachsenden digitalen Wertschöpfung weiter so klein bleibt.


Ich kenne mich damit wie gesagt nicht gut aus, aber ich spekuliere einfach mal dass das Wort "Regulierung" etwas ist, worunter sich die meisten Leute ein paar sehr konkrete use cases vorstellen, du aber eigentlich von ganz anderer Regulierung sprichst. Die meisten Leute stellen sich Facebook und Twitter vor und dann ergibt es natürlich durchaus irgendwo Sinn, dass Leute da Regulierung erst mal sehr aufgeschlossen gegenüber stehen; die USA sehen das ja ironischerweise nicht anders wenn es um das eine große soziale Netzwerk geht, das eine Präsenz in den USA hat und das nicht im amerikanischen Besitz ist. Das ist aber vermutlich nicht, was dir Sorgen bereitet.

Den Teil mit den Steuern sehe ich btw relativ gelassen: Wenn Tech wirklich ein Faktor von volkswirtschaftlicher Bedeutung ist, sehe ich keine Chance dass Länder tax dodging in nennenswertem Umfang zulassen würden. Leute mögen ihre Apps, aber wenn sie sich zwischen Apps und einem funktionierenden Staat entscheiden sollen, glaube ich fällt die Entscheidung relativ leicht.


Nunja. Immerhin ist er einer der bedauernswert wenigen Journalisten in diesem Land, die wenigstens Ahnung von VWL haben. Da nehme ich gerne in kauf, dass er eine Meinung hat. Solange man die kennt und bei seinen Artikeln einpreisen kann, sind seine Ergüsse immer noch wertvoller als die der meisten anderen die sich berufen fühlen über "Wirtschaft" zu schreiben.


Das ist schon wahr und ich bin generell auch immer wieder entsetzt, was für "Wirtschaftsjournalismus" in Deutschland praktiziert wird. Insofern bin ich froh, dass Braunberger am Drücker ist, wenn ich ihn mit seinem Vorgänger (Steltzner) vergleiche, der gegen Ende wirklich nur noch den Spruchautomat abgespielt hat. Aber in letzter Zeit fällt es mir dann doch auf, dass Braunberger sich ein bisschen arg einseitig positioniert. Bei der Inflation ist es natürlich super auffällig, aber in den letzten Jahren habe ich auch immer mal wieder einen Artikel zu einem beliebigen neuen NBER Paper gesehen, wo die Gegenposition nicht mal dargestellt wurde, obwohl man jetzt nicht lange suchen muss um dazu auch neue, qualitativ hochwertige Arbeit zu finden. Da komme ich mir dann ein bisschen mehr als sonst verschaukelt vor, denn wenn jetzt Marc Beise oder so schreibt, weiß ich dass ich das sowieso nicht so ernst nehmen sollte.


Imo sehr wichtiges Addendum: Es ist definitiv nicht egal wofür das Geld ausgegeben wird. Als Staat möchte man ganz definitiv, dass deficit spending sowohl eher einen unmittelbaren als einen langsam einschleichenden Effekt hat, als auch, dass es mindestens im Erstrundeneffekt möglichst zu 100% in inländische Wertschöpfung fließt. (Und idealerweise auch in allen Folgerunden zu 100% … was aber nahezu unmöglich ist.)


Es gibt tatsächlich viele gute Gründe, warum "gebt den Leuten einfach Geld in die Hand" für Deutschland vermutlich schlechter funktioniert als für viele andere Länder der Welt, stimmt schon. Ist wie gesagt auch nicht meine präferierte Lösung, aber mittlerweile wäre fast alles besser als weiter auf den Händen zu sitzen. Ich bin ja schon erstaunt, dass noch niemand ein neues Schulfach "Dankbarkeit" gefordert hat, so sehr wir auf die zu vererbenden Staatsschulden achten. :mond:
 
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Ich würde da ganz stark zwischen den ökonomischen und den politischen Auswirkungen unterscheiden. Politisch sind das ziemlich heftige Zahlen und ich muss zugeben ich bin einerseits nicht sehr überrascht, dass die aktuelle politische Debatte so läuft wie sie läuft, andererseits allerdings doch *sehr* überrascht dass kaum jemand diese Verbindung zieht. Ökonomisch ist die Lage vermutlich bei weitem nicht so schlimm.

Ich würde btw von dem Begriff "Bruch" einfach komplett absehen. Das Schöne an gut quantifizierbaren Zusammenhängen wie hier ist ja gerade, dass man sie nicht wirklich braucht*.
Dito, finde Kategoriebegriffe wie "Bruch" unnötig.
Man kann bei den Fakten bleiben (bspw. Entwicklung GDP letzte Jahre) & Trends diskutieren (bspw. Demografie).
Ich würde sagen "Wettbewerbsfähigkeit" ist vielleicht die falsche Kategorie, um darüber nachzudenken. Es gibt jede Menge Staaten, die in ihrer Nische sehr wettbewerbsfähig sind, sich aber keinen großzügigen Wohlfahrtsstaat leisten können.
Klar, man muss wettbewerbsfähig sein in einer Nische, für die man ordentlich Kohle bekommt.
Wettbewersfähiger Produzent von Kartoffeln ist das bspw. eher nicht.
Genauso gibt es Staaten, die permanent Handelsbilanzdefizite fahren, die dafür reich genug sind.
Gibt es da Beispiele, bei welchen einer negativen Handelsbilanz andere Stärken gegenüberstehen, die Deutschland nicht hat?
Sozialstaaten werden aus wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bezahlt, nicht mit Handelsüberschüssen. Sagen wir so: Ich könnte mir ein Deutschland vorstellen, dass deutlich geringere Handelsbilanzüberschüsse bzw. Handelsbilanzdefizite hat und es würde an der Fähigkeit, sich einen großzügigen Sozialstaat leisten zu können, nix ändern. Wenn natürlich die Wettbewerbsfähigkeit zusammenbricht weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einbricht dann sähe es anders aus.
Wie bezeichnest du denn bspw. die Entwicklung der deutschen Automobilindustrie?
Für mich ist das ein Beispiel für sinkende Wettbewerbsfähigkeit (bspw kein Tech, Price oder Quality Leader zu sein), die dann zu konkreten Probleme führen kann bspw. dem Wegfall sehr gut bezahlter Jobs.
Studien auf dem Grad der Abstraktion gibt es zu dem Thema eher nicht, die Art von large-n Studie wäre wohl am ehesten cross country-regression, die schon länger aus der Mode ist. Ich vermute die meisten Leute würden auch nicht unbedingt einen Zusammenhang zwischen natürlichen Resourcen und der Wichtigkeit von Außenhandel vermuten. Die Industrienation, die so wenig exportiert dass sie sich nicht mal die primären Importgüter leisten könnte gibt es glaube ich so auch nirgendwo auf der Welt, da reden wir eher von drastisch unterentwickelten Ökonomien und Pariahstaaten.
Es geht ja nicht nur um primäre Importgüter wie Rohstoffe & Energie.
Bspw. fließt ja ein wachsender Teil der Wertschöpfung in digitale Platformen, wo aufgrund unsererer Schwäche in diesem Segment bei uns weniger Steuern & gut bezahlte Arbeitsplätze hängen bleiben als in den Ländern, wo diese Tech-Konzerne ansässig sind (im Wesentlichen die USA).
Ich kenne mich damit wie gesagt nicht gut aus, aber ich spekuliere einfach mal dass das Wort "Regulierung" etwas ist, worunter sich die meisten Leute ein paar sehr konkrete use cases vorstellen, du aber eigentlich von ganz anderer Regulierung sprichst. Die meisten Leute stellen sich Facebook und Twitter vor und dann ergibt es natürlich durchaus irgendwo Sinn, dass Leute da Regulierung erst mal sehr aufgeschlossen gegenüber stehen; die USA sehen das ja ironischerweise nicht anders wenn es um das eine große soziale Netzwerk geht, das eine Präsenz in den USA hat und das nicht im amerikanischen Besitz ist. Das ist aber vermutlich nicht, was dir Sorgen bereitet.
Es geht mir vor allem um die Art von Regulierung, die dazu führt, dass solche Unternehmen wie Facebook, Twitter, OpenAI eher in den USA entstehen als in Europa.
Bspw. Themen wie GDPR, Datenschutz, Privacy.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Gibt es da Beispiele, bei welchen einer negativen Handelsbilanz andere Stärken gegenüberstehen, die Deutschland nicht hat?


Jedes hochentwickelte Land hat bestimmte Stärken und bestimmte Schwächen, sonst könntest du kein per capita BIP auf dem Niveau einer industriellen Gesellschaft generieren. Ich habe die ganze Zeit latent das Gefühl, du hast vor deinem geistigen Auge ein Modell gezeichnet, das einer modernen Form der Merkantilismus nahe kommt, aber das gilt in der Wirtschaftswissenschaften seit Ewigkeiten als widerlegt als Erklärungsansatz für den Wohlstand von Nationen.


Wie bezeichnest du denn bspw. die Entwicklung der deutschen Automobilindustrie?
Für mich ist das ein Beispiel für sinkende Wettbewerbsfähigkeit (bspw kein Tech, Price oder Quality Leader zu sein), die dann zu konkreten Probleme führen kann bspw. dem Wegfall sehr gut bezahlter Jobs.


Die Entwicklung der Autoindustrie insgesamt oder bei VW im Speziellen? SO schlecht scheint es der Autoindustrie in Deutschland jetzt auch nicht zu gehen, allerdings spürt sie halt langsam den typischen Anpassungsprozess, wenn eine alte Technologie (Verbrenner) durch eine neue (E-Auto) ersetzt wird, bei der andere Produktionsweisen möglich sind, für die die spezialisierten Betriebe der alten Technik nicht mehr in demselben Maß gebraucht werden. Aber man sollte jetzt auch nicht so tun als wäre die "Wettbewerbsfähigkeit" irgendwie hauptsächlich durch hohe Energiepreise erodiert oder durch hohe Löhne zu erklären (die sind seit langer Zeit so hoch).


Es geht ja nicht nur um primäre Importgüter wie Rohstoffe & Energie.
Bspw. fließt ja ein wachsender Teil der Wertschöpfung in digitale Platformen, wo aufgrund unsererer Schwäche in diesem Segment bei uns weniger Steuern & gut bezahlte Arbeitsplätze hängen bleiben als in den Ländern, wo diese Tech-Konzerne ansässig sind (im Wesentlichen die USA).

Es geht mir vor allem um die Art von Regulierung, die dazu führt, dass solche Unternehmen wie Facebook, Twitter, OpenAI eher in den USA entstehen als in Europa.
Bspw. Themen wie GDPR, Datenschutz, Privacy.

Klar, ceteris paribus wäre es schöner solche Unternehmen zu haben und ich bin auch nicht unbedingt überzeugt davon, dass die Regulierungen durch die EU wirklich mehr nutzen als schaden. Aber was den durchschnittlichen Wohlstand der Bevölkerung angeht boxt Tech auch in den USA immer noch weit unter der Gewichtsklasse, die die Wertschöpfung vermuten lassen würde, weil Tech bisher im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung relativ wenige gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Gleichzeitig sind die Unternehmen momentan schwer zu besteuern (ich vermute allerdings das wird sich mittelfristig ändern).


Btw: Ich wollte aus Interesse mal ganz speziell dich fragen, was du von der €1000-Anschubprämie hältst.
 
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Jedes hochentwickelte Land hat bestimmte Stärken und bestimmte Schwächen, sonst könntest du kein per capita BIP auf dem Niveau einer industriellen Gesellschaft generieren. Ich habe die ganze Zeit latent das Gefühl, du hast vor deinem geistigen Auge ein Modell gezeichnet, das einer modernen Form der Merkantilismus nahe kommt, aber das gilt in der Wirtschaftswissenschaften seit Ewigkeiten als widerlegt als Erklärungsansatz für den Wohlstand von Nationen.
Und dennoch gibt es zwischen hochentwickelten Ländern Unterschiede im Wohlstand & der Kaufkraft.
Aus deiner Sicht: Worauf beruhen diese Unterschiede?

Meine Vermutung ist, dass diese Unterschiede weniger darauf beruhen, dass deutsche Friseure und Restaurants so viel produktiver sind als portugiesische.
D.h. ein großer Teil der "inneren Wertschöpfung" erklärt diese Unterschiede mMn nicht.

Daher meine Hypothese, dass "Geld verdienen mit dem Ausland" (ob über hochpreisige Exporte, Tourismus, Dienstleistungen wie Finance oder Tech) hier ein wesentlicher Faktor ist.
Und da wir keinen besonders ausgeprägten Tourismus-, Finanz- oder Tech-Sektor haben, vermute ich dass unsere hochpreisigen Exporte (für welche Autos, Maschinen und Chemie prominente Beispiele sind) eine sehr wichtige Rolle spielen.

Klar, ceteris paribus wäre es schöner solche Unternehmen zu haben und ich bin auch nicht unbedingt überzeugt davon, dass die Regulierungen durch die EU wirklich mehr nutzen als schaden. Aber was den durchschnittlichen Wohlstand der Bevölkerung angeht boxt Tech auch in den USA immer noch weit unter der Gewichtsklasse, die die Wertschöpfung vermuten lassen würde, weil Tech bisher im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung relativ wenige gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Gleichzeitig sind die Unternehmen momentan schwer zu besteuern (ich vermute allerdings das wird sich mittelfristig ändern).
Solche Unternehmen sind definitiv einfacher zu besteuern, wenn sie in deinem Land ansässig sind.
Der Impact auf den Mindestlohnempfänger ist sicher überschaubar -- bzw ist der Impact für diese weniger über Wohlstand, als über die Produkte sichtbar (Beispiel: Auch arme Leute haben Zugriff auf viel Entertainment & Information über YouTube zu einem sehr günstigen Preis).
Ganz kleinreden würde ich den Effekt aber nicht, bloß weil die Anzahl Jobs nicht soo hoch ist.
Es sind hunderttausende sehr gut bezahlter Jobs, und dazu große Summen Capital Investment, welches wiederum Jobs schafft - selbst im Construction Sector.

Ein schönes Beispiel dafür wäre in Deutschland ja Wolfsburg, welches ziemlich wohlhabend ist, weil dort VW tausende gut bezahlter Jobs hat.
Die VW-Mitarbeiter haben dann auch mehr Geld für Restaurants und Dienstleistungen, so dass der Wohlstand auch bei Leuten landet, die nicht bei VW arbeiten.
Jetzt sind nicht nur diese Jobs "at risk", sondern wir haben auch wenig neue bspw in Branchen wie Tech.

Btw: Ich wollte aus Interesse mal ganz speziell dich fragen, was du von der €1000-Anschubprämie hältst.
Da bin ich gespalten.

Was ich gut finde:
  1. Bin ein Freund von Experimenten
  2. Anreize sind wichtig - und hier wird ein positiver Anreiz gesetzt
Was ich nicht gut finde:
  1. Gerechtigkeit: Man "belohnt" diejenigen, die nicht gearbeitet haben. Die reale Grenzbelastung incl. Abgaben und Transferleistungen ist ja in dem Bereich hoch, so dass das eine signifikante Summe ist.
  2. Effizienz: Anstatt systematisch zu entlasten, legt man ein neues Program auf, welches verwaltet werden muss.
Ich fände besser, wenn für alle Geringverdiener die Anreize besser wären, indem die Abgaben reduziert werden (und nicht sprunghaft ansteigen), und der Wegfall von Transferleistungen anders gestaltet würde.

Aber ich vermute schon, dass das aufgrund der Einfachheit und des Cash-Effektes besser als die meisten ABM-Maßnahmen & Weiterbildungen funktioniert.
Von daher finde ich es nicht absolut geil. aber definitiv besser als viele der Maßnahmen, für die wir in dem Bereich Geld ausgeben.
Könnte man das nicht gut in ein paar Kreisen/Städten testen?
 

GeckoVOD

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Da bin ich gespalten.

Was ich gut finde:
  1. Bin ein Freund von Experimenten
  2. Anreize sind wichtig - und hier wird ein positiver Anreiz gesetzt
Was ich nicht gut finde:
  1. Gerechtigkeit: Man "belohnt" diejenigen, die nicht gearbeitet haben. Die reale Grenzbelastung incl. Abgaben und Transferleistungen ist ja in dem Bereich hoch, so dass das eine signifikante Summe ist.
  2. Effizienz: Anstatt systematisch zu entlasten, legt man ein neues Program auf, welches verwaltet werden muss.
Ich fände besser, wenn für alle Geringverdiener die Anreize besser wären, indem die Abgaben reduziert werden (und nicht sprunghaft ansteigen), und der Wegfall von Transferleistungen anders gestaltet würde.

Aber ich vermute schon, dass das aufgrund der Einfachheit und des Cash-Effektes besser als die meisten ABM-Maßnahmen & Weiterbildungen funktioniert.
Von daher finde ich es nicht absolut geil. aber definitiv besser als viele der Maßnahmen, für die wir in dem Bereich Geld ausgeben.
Könnte man das nicht gut in ein paar Kreisen/Städten testen?

Ich verstehe das Gesetz ehrlich gesagt nicht, ich weiß nicht auf wen es genau abzielt, oder was es lösen sollte - scheint eine dicke Nebelkerze zu sein, irgendwie der Versuch wieder Wähler zu adressieren, die man verloren glaubt oder so was i.S.v. "Politik für den einfachen (Nicht)Arbeiter".
Nur mal als Erinnerung, seit mehreren Jahren gibt es das "Arbeit von Morgen"-Gesetz, das u.a. das Qualifizierungschancengesetz beinhaltet. Nachzulesen hier, zumindest knapp zusammengefasst: https://www.ihk.de/blueprint/servle...handout-qualifizierungschancengesetz-data.pdf

Unter'm Strich: Wer einen Berufsabschluss nachholt wird gefördert, wobei das nicht nur für die Maßnahme gilt, sondern auch Boni für das Bestehen von Zwischenprüfungen (1.000 €) und Abschlüssen (1.500€) in einer Kammer beinhaltet. Das funktioniert für Erwerbslose (ALG I oder II spielt keine Rolle), aber auch für Umschüler und bereits Beschäftigte. Es sollte erwähnt sein, dass auch die Betriebe davon dick profitieren, weil die teilweise das Gehalt der Leute erstattet bekommen, abhängig von der Betriebsgröße und dem Zielbild. Theoretisch müssen die Leute nichtmal in die Schule, wenn sie das nicht wollen und älter als 18 sind. Kirsche on top, es braucht keine zwielichtigen Bildungsträger, wirklich nur platt die Berufsschulen. Mit bißchen Tricksen und Bildungsträger könnte ich sogar nur Teile der Ausbildung finanzieren lassen, damit wenigstens diverse Scheine (Gabelstapler, etc. pp.) abfallen.

Es ist trotzdem kackschwer Leute und v.a. Betriebe dafür zu begeistern. Ich war in >50 Betrieben mit sicherlich genügend Potenzial, zwei Betriebe versuchten es, beide scheiterten an den Leuten. Einer war einfach dum ("sitze das bis zur Rente aus"), die andere hätte gerne, aber Lebensumstände liesen es bis dato nicht zu (Berufsrückkehrerin und keine adäquate Kinderbetreuung für Berufsschulzeiten). Die meisten Betriebe belächeln und ignorieren das aus denn unwirklichsten Gründen. Unter anderem "die müssen ja aber auch arbeiten, wer ersetzt mir denn deren Tätigkeit, wenn die lernen müssen?" oder best "dann muss ich aber ja auch mehr zahlen!" und "dann lieber einen Jungen, den ich formen kann, wie ich ihn brauche". WTF. Alles Aussagen, die ich gehört habe.

Gefühlt die 100 mal bessere Maßnahme, zielt gut ab, keine Sau kennt es. kA warum, finde ich mehr als schade. Im Gegensatz zu dieser Prämie motiviert das, baut Leute _nachhaltig_ auf und kann Netzwerke unterstützen. Da das ganze vom Arbeitgeberservice kontrolliert wird, könnte man auch regional Engpassberufe stärker subventionieren, vermarkten und Lücken schließen, wenn es denn Ressourcen und Willige gäbe.

Die Prämie liest sich für mich in etwa "nimm irgendwas an, auch wenn's wirklich keinem dient". Glaube Personen, die so was annehmen würden, wären dann wieder so prekär, dass es trotzdem Subventionsbedarf auslöst. Am Rande soll erwähnt sein, dass es auch wieder mal das Bild malt, es gäbe signifikant viele Leute, die keine Arbeit wollen, sich aber von dem Kleingeld aus der Asozialität "befreien" würden. Lmao, als ob. Entweder ich bin so ein Totalverweigerer, dann aber aus Überzeugung, oder es gilt andere Hürden abzubauen, weil ich sowieso alles annehme, was ich kriege. Es ist zwar besser als das Geld zu verbrennen, weil jeden früh irgendein Trottel aufsteht, der auf die Masche reinfällt, aber trotzdem ermlich. Ich habe nichts erwartet und wurde trotzdem enttäuscht.
 
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Wenn das so selten klappt, ist es halt vielleicht doch nicht das beste Instrument.

Direkt eine ganze Ausbildung ist ja auch ein Commitment für drei Jahre.

Natürlich wäre toll, wenn die langfristigen Bürgergeldler eine Ausbildung machen. Ich fände aber auch schon einen Erfolg, wenn sie einfach arbeiten - inkl Lieferdienst, Paketbote, Kellnern. Und da hapert es oft am finanziellen Anreiz gegenüber dem nicht-arbeiten.
 
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