Artikel zum ursprünglichen Thema:
Verlogener Widerstand
In der Schweiz sollen ruhig Minarette gebaut werden – doch müssten islamische Länder in gleichem Masse den Bau von Kirchen zulassen.
Wenn ich die Auseinandersetzung, die derzeit in der Schweiz geführt wird, richtig verstanden habe, geht es nicht um den Bau von Moscheen an sich, sondern um die dazugehörigen Minarette, die besonders ins Auge fallen. In Deutschland ist die Situation ähnlich. Es gibt in der Bundesrepublik über zweitausend muslimische Gebetshäuser, davon aber nur etwa zweihundert richtige Moscheen. Die übrigen sind Gebetsstuben, die vor allem in Hinterhöfen betrieben wurden. Der Streit in der Bundesrepublik hat sich an einigen «repräsentativen» Grossbauten entzündet, die unter anderem in Köln und Berlin geplant werden.
Dazu gibt es Folgendes zu sagen: Man kann Menschen, die man ins Land geholt hat, weil die wirtschaftliche Situation es entweder erforderte oder möglich machte, nicht die Ausübung ihrer Religion verbieten. Man kann ihnen auch nicht vorschreiben, wie sie ihre Religion ausüben wollen, solange sie dabei nicht gegen geltende Gesetze verstossen, was zum Beispiel der Fall wäre, wenn sie unter Berufung auf ihren Glauben Menschenopfer bringen würden. Das bedeutet: Für den Bau von Moscheen ist, in der Schweiz wie in Deutschland, die jeweilige Bauordnung zuständig. Die bestimmt auch die Regeln, nach denen Kirchen, Synagogen, Parkhäuser und Shoppingmalls gebaut werden.
Während die Schweizer sich an den Minaretten stören, argumentieren die Deutschen mit der schieren Grösse der geplanten Neubauten. Ich halte beide Argumente für vorgeschoben. Solange sich die Muslime in ihren Hinterhofmoscheen versammelten, schien das niemanden zu stören. Sie blieben unter sich, unauffällig und zurückhaltend. Nun aber treten sie auf die Strasse, in das Licht der Öffentlichkeit, und sagen: Wir sind da! Das Problem liegt also in der Sichtbarkeit. Wir, die sogenannte Zivilgesellschaft, wollen auch zu Anfang des 21. Jahrhunderts nicht zur Kenntnis nehmen, dass sich die ethnische und demografische Zusammensetzung Europas verändert hat, weil wir sie verändert haben. Wir haben sehr lange vom Gefälle zwischen Osten und Westen sowie Norden und Süden profitiert, ohne uns darüber Gedanken zu machen, auf wessen Kosten unser Wohlstand basierte. Wenn eine vierköpfige deutsche oder Schweizer Familie vier Wochen Urlaub in einer türkischen Ferienanlage machen konnte, zu einem Preis, den ein Wochenende in Gstaad gekostet hätte, dann darf sie sich nicht wundern, wenn der Kellner oder das Zimmermädchen aus Antalya zum Arbeiten in die Schweiz kommt, um hier für die geleistete Arbeit ordentlich entlöhnt zu werden. Das ist nicht nur eine individuelle Reaktion, es ist auch wirtschaftlich konsequent. Der Kellner und das Zimmermädchen möchten von demselben Gefälle profitieren, wie wir es getan haben, nur in der umgekehrten Richtung. Und wenn sie dann ihre Familien nachkommen lassen, dann ist auch dies nur folgerichtig.
Appeasement-Politik Andersherum sind zahllose deutsche und Schweizer Rentner nach Spanien und in die Türkei gezogen, weil sie dort für ihr Geld das Doppelte bis Dreifache bekommen. Sogar für deutsche Arbeitslose war die türkische Riviera eine preiswerte Alternative zum Leben im Ruhrgebiet. Der Weg zu Wohlstand und Wohlbefinden ist keine gebührenfreie Einbahnstrasse, es muss immer ein Preis bezahlt werden. Und nun regen wir uns über den Wandel auf, den wir angestossen haben, ohne seine Folgen zu bedenken. Das ist nicht nur albern, es ist auch verlogen.
Bei dem Konflikt, der sich am Bau von Moscheen entzündet, gibt es eine lokale und eine globale Perspektive, die man nicht voneinander trennen kann. Der Bürger in Berlin und Bern macht sich natürlich Sorgen um die Ruhe und den Frieden in seiner Nachbarschaft. Das kann man ihm nicht verübeln. Andererseits ist es ihm völlig egal, wessen Ruhe und wessen Frieden durch die Politik des iranischen Präsidenten bedroht wird. Und so setzt sich die Haltung des Bürgers in der jeweiligen Politik seiner Regierung fort. Als Oppositionspolitiker nannte Sarkozy die randalierenden Jugendlichen in den Banlieues «Gesindel», als Präsident empfing er den libyschen Staatschef Ghaddafi mit allen Ehren. Wer das inkonsequent findet, der übersieht, dass die Jugendlichen in den Banlieues nur über wenig Kaufkraft verfügen, während Ghaddafi Atomkraftwerke ordert wie andere Leute eine Pizza beim Take-away-Laden nebenan. Und so treiben alle europäischen Regierungen im Interesse ihrer Handelsbilanzen eine ausgeprägte Appeasement-Politik mit Banditen und Despoten, derweil die Bürger Petitionen gegen den Bau von Moscheen bzw. Minaretten verfassen. So wird Arbeitsteilung betrieben, die der eigenen Beruhigung dient, ohne den Interessen des Landes zu schaden.
Dabei macht die Schweiz natürlich keine Ausnahme.
Der Schweizer Botschafter in Saudi-arabien hat gegenüber der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), die 57 muslimische Staaten vertritt, erklärt, die Minarett-Initiative sei erstens verfassungswidrig und zweitens mit internationalem Recht nicht vereinbar. Und er versprach, die OIC über die Entwicklung in der Schweiz auf dem Laufenden zu halten. Leider hat es der Schweizer Botschafter in Riad versäumt, bei dieser Gelegenheit die Vertreter der OIC zu fragen, wie es denn um die Rechte der ethnischen, religiösen und sexuellen Minderheiten in der islamischen Welt bestellt sei und wann man damit aufhören werde, in Afghanistan Konvertiten zum Tode zu verurteilen, im Iran Homosexuelle aufzuhängen und in Saudiarabien Ehebrecherinnen zu steinigen. Auch der Schweizer Bundespräsident Couchepin wollte bei einer Reise nach Marokko «kein Öl ins Feuer giessen» und hat deswegen alle heiklen Themen gemieden.
Die Gegenseite allerdings gibt sich weniger zuvorkommend. Der Generalsekretär der OIC hat vor Kurzem erklärt, die «Islamophobie» sei derzeit «eine der grössten Bedrohungen für den globalen Frieden». Und kein europäischer Politiker stand auf und stellte diese Behauptung richtig. Nicht die «Islamophobie», was immer das sein mag, ist eine Bedrohung für den globalen Frieden, sondern der islamische Terror, der fast täglich für Blutvergiessen sorgt.
Gegenrecht für Christen Man kann die Frage der Moscheen und Minarette nicht diskutieren, ohne die globale Komponente zu berücksichtigen. Wenn die Organisation der Islamischen Konferenz, die für 1,4 Milliarden Muslime spricht, keine Bedenken hat, sich in die inneren Angelegenheiten der europäischen Staaten einzumischen, sollten die europäischen Staaten keine Bedenken haben, die inneren Angelegenheiten der islamischen Staaten zu thematisieren. Wie wäre es damit:
Die EU oder der Europarat gibt eine Erklärung ab, dass man den Bau von Moscheen und Minaretten fördern wird, wenn die islamischen Länder im gleichen Mass den Bau von Kirchen und Kirchtürmen zulassen; dass man die Freiheit muslimischer Prediger und Missionare in Europa garantiert, wenn zugleich christliche Prediger und Missionare in muslimischen Ländern zumindest geduldet werden; dass Islam-Unterricht an Schulen in Europa obligatorisch wird, wenn der christliche Glaube an Schulen in muslimischen Ländern unterrichtet wird; dass man das Quid-pro-quo-Prinzip zur Regel macht und auf Gegenrecht besteht. Immerhin: Eine der grössten Moscheen ausserhalb der islamischen Welt steht in Rom, in Sichtweite des Vatikans. Jetzt warten wir ab, bis in Mekka eine Kirche gebaut wird, die man schon von Weitem sehen kann. Und dann erklären wir die Diskussion um Moscheen und Minarette in Europa für beendet und lassen die Bagger anrollen. Das ist die schöne Wunschvorstellung.
Doch was soll Europa tun, wenn die Saudis weiterhin keine christlichen Kirchen in Mekka zulassen? Die Moscheen und Minarette bei uns abreissen? Weitermachen wie bisher? Europa drückt sich um jede Entscheidung, und deshalb führen uns die Muslime langfristig an der Nase herum.
Quelle
http://www.dasmagazin.ch/index.php/Verlogener_Widerstand