er wurde freigesprochen oder nicht?
Er wurde freigesprochen, sein Leben war trotzdem ruiniert.
das missbrauchspotential hat mit dem gesetz nichts zu tun, sondern mit dem prozess. es ist also keine materielle frage, sondern eine prozessuale. solange sich an die grundsätze eines rechtsstaatlichen verfahrens gehalten wird, gibt es auch keinen missbrauch. mE geht es in dem entwurf eben jenes begrapschen ebenfalls als sexualstraftat zu ahnden und nicht länger als beleidigung.
Das ist etwas zu kurz gedacht. Folgen für den Beschuldigten gibt es auch jenseits des rechtlichen Verfahrens (siehe Kachelmann). Ein Gesetz zu schaffen, das geeignet ist, das Leben eines jeden Mannes (außerhalb des Gerichtssaals) aufgrund falscher Anschuldigungen zu ruinieren, ist hochgradig problematisch, auch wenn im Gerichtssaal selbst kein Mißbrauch stattfindet.
aber wenn ich mir das so anhöre, wie ihr plötzlich dagegen auf die barikaden geht, liegen vielleicht die stimmen die sagen, dass sich viele überhaupt nicht für die sexualtaten interessieren, sondern dass es ihnen primär darum geht irgendwas gegen flüchtlinge vorzubringen, gar nicht so daneben. wenn ihr konsequent gegen alle arten von sexualstraftätern sein wollt, könnt ihr nicht gegen diese verschärfung des sexualstrafrechts sein.
Man kann konsequent gegen alle Arten von Sexualstraftaten sein und trotzdem noch Abstufungen treffen. Ich bin auch gegen alle Arten von Gewaltverbrechen, bewerte aber einen Klaps auf die Wange anders als einen Mord.
Außerdem kann man Realist sein und sich die praktischen Auswirkungen von Gesetzen überlegen, ohne Verbrechen gutzuheißen.
Wenn Gesetze nur in der eigenen Traumtänzer-Welt beschlossen werden, in der Anreizsysteme und Folgen in der Realität ausgeklammert werden, kommt dabei offensicher Schwachsinn wie z.B. beim Urheberrecht heraus (IP-Herausgabe nur bei "gewerblicher" Urheberrechtsverletzung -> plötzlich wird die Einstellung eines Lieds in eine Tauschbörse als "gewerblich" definiert und damit das theoretisch gut gemeinte Gesetz in der Praxis mißbraucht).
und im übrigen zeigt ihr ein bedenkliches maß an misstrauen gegenüber der justiz. wir sind immernoch in einem rechtsstaat. ich bin auch mit vielen urteilen hinsichtlich des strafmaßes nicht einverstanden. aber dass bei uns reihenweise unschuldige für irgendetwas verurteilt werden was sie nicht getan haben, ist doch vollkommen unwahr.
Doch, ist so, siehe obiges Beispiel des Urheberrechts. Da sieht man, wie gut gemeinte aber schlecht durchdachte Gesetze dazu führen, dass in der Praxis etwas ganz anderes passiert als zunächst beschlossen wurde.
Ich will nicht, dass die deutsche Politik jetzt in Kurzschlussreaktionen Gesetze beschließt, deren praktische Konsequenz es sein wird, dass alle Männer jederzeit (noch einfacher als jetzt schon) von einer verrückten Frau, die sich irgendwelche Sachen ausdenkt, in massive Probleme gebracht werden können.
Sexualdelikte haben immer zwei seiten und gerade bei so etwas sind falsche Anschuldigungen eben fatal. Siehe USA, wo man diesen Weg geht. Die amerikanische Gesellschaft hat ein komplett kaputtes Bild von Sexualität und ich fände es sehr schade, wenn wir unser "gesundes" Bild der Sexualität aufgrund der aktuellen Krise verlieren würden.
Ich wünsche mir Gesetze, deren Wirkung gegen Sexualstraftäter maximal und deren Mißbrauchspotential minimal ist.
Aber gerade bei Sexualdelikten müssen wir uns nichts vormachen: Durch Gesetze kann man hier nur wenig erreichen. Im Wesentlichen geht es doch um den respektvollen Umgang miteinander und das Gesetz greift erst, wenn es schon zu spät ist. Eine vernünftige, aufgeklärte Erziehung und die tiefe Verankerung der Gleichberechtigung in der Gesellschaft ist die Antwort auf das Problem.