wenn es so toll war, warum musste man dann die menschen zwangsweise daran hindern abzuhauen? die mauer wurde ja nicht wegen 10 knallköpfen gebaut, sondern weil der staat von einer existenzbedrohenden massenflucht angst haben musste.
Die Mauer wurde auch nicht 1985 gebaut, als man sowas wie Erfahrungen mit dem "Leben in der DDR" hatte. Die Leute sind in den 50ern geflohen, weil erstens der gesamte Ostteil Deutschlands im Krieg *drastisch* mehr gelitten hatte als der Westteil, wo die Amis doch wohlweislich für die Zukunft planend viel an Infrastruktur verschonten und den Wiederaufbau unterstützten, machten die Russen kurzen Prozess beim Sturm auf Berlin und rannten jeden Widerstand brachial nieder, ohne Rücksicht auf Verluste. Und später demontieren sie alles von Wert und schafften es als Reparationen in die Sowjetunion. Schienen, Betriebe, Brücken, alles was von Wert war. Genau darum waren die ökonomische Situation und die Zukunftsaussichten ganz andere als im Westen. Der Osten sah 45 fast flächendeckend (bis an die Elbe) aus wie Dresden nach dem Bombardement. In Bayern hättest Du in einigen Städten 5 Jahre nach dem Krieg nichtmal mehr gesehen, dass es 'nen Krieg gab, weil man sich dem Ami ergeben hatte und kaum was zerstört war.
Zusätzlich hatten viele Ossis Familie im Westen, die vor der Roten Armee Richtung Amerikaner geflohen waren, und man fürchtete bei einer weiteren Eskalation zwischen Ost und West von dieser Familie getrennt zu werden (was sich auch bewahrheitete). Als sich abzeichnete, dass die Grenzen immer mehr kontrolliert wurden, trafen also viele die Entscheidung, endgültig rüber zu gehen, bevor man irgendwann nicht mehr konnte.
Last but not least wurde den Deutschen bereits unter den Nazis gegen Kriegsende medial sehr überzeugend eingeimpft, dass der Russe das blutrünstigste Monster des Planeten ist und ein Leben unter russischer Vorherrschaft die Hölle auf Erden. Als klar wurde, dass die DDR zu einem sozialistischen Staat nach sowjetischem Vorbild geformt werden sollte und eine Vereinigung der Sektoren nicht mehr in Frage kam, war für viele Leute klar, dass sie sich das keinesfalls vorstellen konnten. Also gingen sie.
Ende der 80er als die DDR sowas wie "etabliert" war, war die Mehrheit der Menschen keineswegs unzufrieden mit dem Leben an sich. Es wurde ja auch nicht für mehr Lohn, mehr Colasorten oder täglich Bananen demonstriert, sondern gegen ein im Laufe der Jahrzehnte entstandenes System von Bespitzelung und Bevormundung. Als die Grenzen schließlich offen waren, kamen ja tatsächlich nach einem Besuch im Westen fast alle wieder zurück.
Ich bin 1977 geboren hab meine Kindheit also in der DDR zugebracht und kenne in meinem Umfeld (Eltern, deren Bekannte oder Gleichaltrige) quasi niemand, der "unglücklich" in der DDR gewesen wäre. Man hatte 'nen sicheren Job, keine Zukunftsängste, durchaus Chancen auf bescheidenen Wohlstand, ein sehr gutes Bildungs- und Gesundheitswesen und konnte zu 99% unbehelligt sein Leben leben. Man hatte nur zur Politik sein Fähnchen in den Wind oder zumindest seine Fresse zu halten. Wer das nicht tat, bekam Ärger. Also hat mans hinter vorgehaltener Hand gemacht. Meinst Du, wir haben 1985 nicht genauso Westfernsehen geschaut wie die Kinder in Westberlin? Na klar. Beim Frühstück lief RIAS2 und auf dem Schulhof kursierten Honni-Witze. Hört bloss mal auf, so zu tun als wäre das Leben im Osten grau in grau gewesen und die Leute hätten den ganzen Tag gebeugt und verhärmt mit faltigen Gesichtern und leeren Augen ihr Elend betrachtet. War nicht so. War nicht schlechter als das was mir meine Frau erzählt, die im Westen groß geworden ist.
Will ich die DDR zurück? Nö, ist schon gut, dass das politische System zusammen gebrochen ist, der Obrigkeit weine ich keine Träne nach. Würde ich der BRD eine Träne nachweinen, wenns hier in 20 Jahren 'ne Revolution gibt und man Banker, Wirtschaftsbosse und Politiker einknastet? Nö, auch die heutige Obrigkeit interessiert mich nicht. Ich kann mein eigenes Leben zu 99% unbehelligt gestalten wie ich will und das ist gut so. Hätte ich aber damals auch gekonnt. Und auf die Obrigkeit ist geschissen, heute wie damals.