(Antwort auf ältere Beiträge)
Weil wir nun mal im voraus nicht wissen, wer schutzbedürftig ist und wer nicht? Letztendlich läuft man sehenden Auges gegen die Wand, wenn man denselben Fehler wiederholt wie vor 30 Jahren, nämlich den Leuten aus politischer Bequemlichkeit zu sagen "oh, diese Leute gehen schon alle wieder", das wird einfach nicht passieren. Dementsprechend würde ich bei denjenigen, die kein (!) Schutzbedürftnis geltend machen können, danach selektieren, wer sich hier eingliedert und wer nicht und die letztere Gruppe priorisieren. Ob man die erstere überhaupt abschieben muss oder ob da nicht der "Spurwechsel" sinnvoller wäre ist imho durchaus diskutabel, zumal es keineswegs so ist, als würden die in Deutschland gesetzten Anreize maßgeblich über die Zahl der Flüchtlinge entscheiden, die heute noch nach Europa kommen.
Natürlich ist es naiv, zu denken: "die gehen schon wieder". Leider ist das seit Beginn der Flüchtlingskrise immer noch die Botschaft der Politik. Selbst Merkel wurde doch lange Zeit nicht müde zu betonen, dass Bürgerkriegsflüchtlinge nach dem Krieg auch brav wieder nach Hause zurück müssten. Ob die Menschen, die für die Massenaufnahme waren, das jemals geglaubt haben, weiß ich nicht.
Ich erinnere mich aber noch gut, wie hier damals um diesen Punkt gerungen wurde. Und man wurde von der Pro-Fraktion als Schwarzmaler gebrandmarkt, der Ängste schürt, wenn man den realistischen Standpunkt vertreten hat, dass die aller meisten Flüchtlinge nicht wieder gehen werden.
Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass einerseits viel mehr Menschen zu uns kommen als einen Asylanspruch haben und dazu viele diesen Anspruch wieder verlieren werden, z.B. Kriegsflüchtlinge, wenn das Heimatland weitgehend befriedet ist. Andererseits wissen wir aus Erfahrung, dass wir nur einen sehr kleinen Teil dieser Menschen zurückführen können - insbesondere nicht gegen ihren Willen.
Für dich scheint das zu bedeuten, dass wir im Wesentlichen gezwungen sind, sehr viel mehr Menschen hier aufzunehmen und zu integrieren, als wir eigentlich wollen. Für mich ist es nicht akzeptabel, dass wir uns in eine Situation bringen, wo wir die Herrschaft des Rechts de facto aufgeben müssen, weil der Staat keine Möglichkeit mehr hat, das Rech (jemand muss ausreisen) durchzusetzen.
Daher vertrete ich seit Jahren die Auffassung, dass man im Wesentlichen die Grenzen schließen muss. Stattdessen sollte man Flüchtlinge entweder in Form von Kontingenten hierher lassen oder die Möglichkeit des Asylantrags im Ausland schaffen.
So ein System wäre imo fairer, weil es nicht mehr nach "genug Geld für den Schlepper" und "gesund und kräftig genug, um die Reise zu überstehen" selektiert. Familien würden nicht mehr unnötig auseinandergerissen, weil die Überfahrt zu teuer oder zu gefährlich ist. Statt Familiennachzug könnten dann gleich ganze Familien einreisen, was sich positiv auf die Integration auswirkt.
Dazu würde es dem Staat mehr Kontrolle über den Zuzug ermöglichen.
Wird imho überschätzt. Es gibt nur zwei Arten, wie wir neue Arbeitnehmer in unsere Wirtschaft bekommen: Kinder oder Einwanderung. Kinder wären prinzipiell gut, dauert aber lange bis sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und bis dahin stecken wir nicht unbeträchtliche Summen in ihre Ausbildung (dazu kommt das Problem, dass wir effektiv absolut nicht wissen, wie wir die Bevölkerung dazu bekommen, mehr Kinder zu bekommen). Diese Kosten entfallen (größtenteils!) bei den Flüchtlingen, dazu kommt wie gesagt die alte Problematik, dass in Deutschland die Kosten für Leute, die kaum etwas eingezahlt haben, wegen des Äquivalenzprinzips sehr überschaubar sind*. Wenn in Deutschland über den Sozialstaat geredet wird, dann sind Kosten durch Einwanderung ein sekundäres Problem; das Hauptproblem ist weiterhin, dass zu wenige junge Menschen zu viele ältere versorgen müssen†.
*anders als bspw. in Dänemark
†wobei man da auch nicht in Panik verfallen sollte: Wenn die Leute sowas sagen wie "heute kommen auf einen Rentner drei Arbeitnehmer, im Jahr 2050 werden es noch 1,5 sein" klingt das bedrohlich, aber es ist noch nicht so lange her, da waren es in Deutschland acht Arbeitnehmer pro Rentner und obwohl wir jetzt bei (knapp unter) drei stehen ist die Versorgung immer noch gut.
Das mag eine zutreffende Beschreibung des Ist-Zustands sein. (An dieser Stelle vielen Dank für den Hinweis auf Bonin. Seine Studien zu dem Thema sind sehr erhellend.)
Nur bin ich - wie die meisten Linken - mit diesem Zustand keineswegs zufrieden. Ich wünsche mir eine egalitärere Gesellschaft, in der es möglichst wenig relative Armut und idealerweise keine Unterschicht gibt. Das bedeutet aber mehr Umverteilung und weniger Äquivalenzprinzip. Ein stetiger Zustrom von außen in diese Unterschicht hinein stellt dabei in meinen Augen ein großes Hindernis dar.
Falls du hier einen Widerspruch siehst, bitte ich um Erklärung.