Hey wutvolta,
Danke für die Antwort -- auch auf die etwas älteren Quotes!
Also vorab möchte ich sagen, dass ich den Artikel aus der Zeit nur eben mit dem Handy hierhin gepinnt habe, weil ich da schon im Bett lag. Der war nicht auf Dich bezogen im speziellen, eher auf die Leute die der Meinung sind, dass Merkels "Wir schaffen das" für einen Massenhaften anstieg der Asylsuchenden geführt hat. Das war eben nicht so. An der derzeitigen Situation ist natürlich die Politik (weit) vorher sehr wohl Schuld, und damit ganz sicher auch die Regierung um Merkel.
Gut, aber wenn du grundsätzlich die Verantwortung bei Merkel und der Regierung siehst, wirkt es halt kleinkariert, wenn du dann den Artikel quotest.
Und der Artikel wirkt auf mich halt manipulativ:
Durch die Fokussierung auf die "Einladung" ist er nicht grundfalsch, aber er impliziert, dass die Regierung auch insgesamt keine Verantwortung trage bzw. keine Entscheidungen der Regierung kausal zur Quantität geführt hätten.
Denn die Presse müsste es ja besser wissen als so manch vereinfachender und simpel denkender "Migrationsgegner", der ggf. wirklich die Hauptursache nicht im gesamten Handeln der Regierung, sondern nur im einzelnen markanten Satz sieht.
Aber offenen Grenzen hatten wir bis dahin ja eigentlich auch gar nicht (für Asylbewerber), denn die Grenzländer wie Italien, Griechenland oder eben zu der Zeit Ungarn sollten sich ja um die Asylbewerber kümmern. In der Praxis sind die Menschen halt irgendwann nur noch von diesen Ländern durchgewunken worden. Merkel hatte gar nicht die politische Macht in Europa dafür zu sorgen, dass die Länder das nicht mehr machen. Und zu dem Zeitpunkt des "Wir schaffen das" waren die Menschen schon zuhauf unterwegs.
Doch, natürlich hatte Merkel die Macht. Mehrere Optionen gab es sogar:
1. Hätte Merkel gesagt: "Wir lassen keinen aus Österreich rein, ist ja sicher dort.", dann hätte Österreich das gleiche gemacht, .. -> Kettenreaktion mit Mazedonien.
2. Hätte Merkel Mazedonien ebenso überzeugen können, die Grenze dicht zu machen, wie es später die Visegrad-Staaten taten.
So Ad Hoc die Grenzen zuzumachen hätte dann halt nicht funktioniert.
Was anderes hat denn Mazedonien später deiner Meinung nach gemacht?
Oder vorher Ungarn?
Wo ich aber genau Deiner Meinung bin, ist, dass nur so viele Flüchtlinge unterwegs waren weil im Vorfeld deutliche Fehler gemacht wurden:
- Flüchtlingscamps in der Nähe von Syrien gingen die Mittel aus --> hätte man da rechtzeitig und entschlossen geholfen (mit Geld, Essen, Ärzten) hätten sich sehr viele der Menschen wohl erst gar nicht auf den Weg gemacht
D'accord
- Verteilung der Flüchtlinge in Europa --> man hatte viele viele Jahre Zeit das Thema anzugehen, hat es aber nie gemacht und die Kosten der Flüchtlinge quasi den sowieso schon finanzschwachen Ländern wie Italien + Griechenland aufgebürdet.
Klappt nicht, weil:
1. Viele Länder wollen das nicht.
2. Die Flüchtlinge wollen nicht in manches Land.
3. Man darf sie nicht umverteilen, weil man dadurch Anreize für illegale Migration setzt. Hast du die Argumentation dazu im o.g. Anne-Will-Video von Sebastian Kurz gesehen? Wenn ja, wo stimmst du dieser Argumentation nicht zu?
(Kurzform: Man darf illegale Einwanderung nicht belohnen, weil dann immer mehr kommen und auch mehr ersaufen. Statt dessen muss man vor Ort helfen, und dazu sollte jedes Land entsprechend seiner Möglichkeiten Resettlement machen, d.h. direkt aus den Lagern vor Ort "importieren".)
- Als klar war dass viele Flüchtlinge kommen werden hat man trotzdem nicht die BAMF, Grenzschutz etc. aufgestockt sondern ist mit geschlossenen Augen in die Situation reingerannt.
D'accord.
- Schlussendlich haben wir kein gescheites Migrationskonzept. Wenn wir soetwas hätten könnte man Flüchtlinge temporär aufnehmen und dann auch wieder abschieben, eben mit dem Verweis: da ist Migrationsstelle, bewirb dich, zeige uns was du kannst oder du musst wieder gehen.
Flüchtlinge temporär aufnehmen klappt halt nicht so wirklich gut. Da muss man immer damit rechnen, dass sie ewig bleiben. In viele Länder geht nunmal praktisch keine Abschiebung. Ein weiterer Grund dafür. Flüchtlingen lieber vor Ort zu helfen.
Migrationskonzept brauchen wir, aber letztlich wird es so aussehen müssen, dass fast keine der Flüchtlinge oder illegalen Einwanderer eine Chance hätten. Denn sie sind keine hilfreiche Form der Einwanderung.
Aber du hast mich daran erinnert, dass ich auf 1-2 Punkte aus einem älteren Post von Dir noch eingehen wollte. Und zwar waren das diese hier:
Ich kann dem nicht zustimmen. Du implizierst ja, dass ohne Flüchtlinge die Gelder für Hartz IV sich anders entwickeln würden. In den letzten Jahren aber haben z.B. die Arbeitslosenzahlen deutlich abgenommen. Trotzdem hat sich am Hartz IV Satz mal gar nichts geändert, der stagniert quasi seit vielen Jahren auf dem gleichen Niveau.
Ich bin der Überzeugung, dass sich der Hartz IV erst ändern wird wenn ein Gericht die Regierung dazu zwingt. Vorher gibt es vielleicht hier und da mal 1-2 Euro mehr, wie z.B. jetzt beim Kindergeld.
Du denkst hier mMn zu kurzfristig.
In den letzten Jahren und heute hatten/haben wir die Möglichkeit, im politischen Diskurs zu entscheiden, wie hoch Hartz IV sein soll. Du würdest es gerne erhöhen, viele nicht. Aber zumindest wäre es möglich, bei politischem Wandel.
Die Möglichkeit, Hartz IV zu erhöhen, wird es aber schlicht nicht mehr geben, wenn 10-20 Jahre lang jedes Jahr hunderttausende (und in akuten Krisen wie letztes Jahr auch mal mehr) Nettoleistungsempfänger ins Land kommen. Es wird dann schlicht nicht finanzierbar sein. Und selbst die kleinen Erhöhungen wie jetzt alle 1-2 Jahre wird es dann meines Erachtens nach nicht mehr geben können.
Dazu kommen Beiträge für Krankenversicherung und Renten. Da reden wir nicht von den 10% Hartz-IV-Empfängern, sondern von den 30-40% danach nach oben: Denen, die heute schon wenig frei verfügbares Einkommen haben. Müssen Renten- und KKV-Beiträge je um ein paar % steigen, bedeutet das für Niedrig- und selbst Durchschnittsverdiener schnell, dass ein sehr großer Teil des frei verfügbaren Einkommens sinkt.
Kannst dir ja mal überlegen, wieviel ein Durchschnittsverdiener mit €2.500 Brutto heute, und dann bei je 5% höheren KKV und Rentenbeiträgen, noch jeweils nach den absoluten Basics (kleine Wohnung, Lebensmittel) übrig hat.
Das Du das Australische Modell anführst halte ich für bedenklich, denn genau so möchte ich es in Deutschland eigentlich nicht haben.
"Wollen" tun wir das wohl alle nicht.
Wir alle würden uns eine Welt wohnen, in der nicht hunderte Millionen Menschen arm und perspektivlos sind.
Ändern können wir das aber nicht, insofern bleibt uns nur die Wahl des kleinsten Übels. Reine persönliche Präferenz im Vakuum - da machst du es dir etwas zu einfach. Ohne das australische System hast du mehr illegale Migration, damit einhergehend mehr Ertrunkene im Mittelmeer, mehr Rechtsruck, mehr Kriminalität, weniger Bereitschaft/Mittel, den Leuten vor Ort zu helfen ...
Ich habe entfernte Verwandtschaft in Australien, Kontakt via Facebook. Was ich dort mitbekomme ist, dass auch viele Australier mit dem Modell nicht einverstanden sind, weil es eben ZU krass ist.
Dort werden die Menschen auf Inseln der Nachbarländer in Lager gesteckt. Die humanitären Verhältnisse dort sind katastrophal. Die Lager erinnern Zelt-Ghettos oder schlimmeres.
Wenn wir immer davon reden dich Flüchtlinge in Grenznähe in Zeltstädten unterzubringen, bei vernünftiger Versorgung, dann ist DAS sicherlich nicht damit gemeint.
Wir können das Modell ja anpassen.
Unsere Lager können ja unseren Vorstellungen entsprechen.
Wichtig am australischen Modell ist nicht, dass die Lager kacke sind. Sondern, dass du eben im Lager 3 nur Optionen hast:
1. Politisches Asyl (kleine Minderheit).
2. Freiwillige Heimreise (von uns finanziert, Migrant ist kooperativ, Papiere zu bekommen).
3. Im Lager bleiben.
Der Kernpunkt ist, dass illegale Migration NICHT dazu führen darf, dass man dann doch irgendwie ins deutsche oder schwedische Sozialsystem kommtn. Denn sonst sind die Anreize massivst.
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Noch was nicht ganz ernnstgemeintes zur Erheiterung der Anti-Migrations-Fraktion: