Hey wutvolta,
Zunächst Danke für deine ausführliche Antwort auf mein Post.
Dem kann ich so nicht zustimmen. In ungefähr 60-70% dieses Threads ging es darum, dass Deutschland ja rechtlich gar keine Pflicht hätte zu helfen.
Rechtlich haben wir ja auch recht wenig Pflichten. Gerade mal 1% der Asylbewerber erhalten Asyl im Rahmen des Grundgesetzes (oft "politisches Asyl" genannt). Und die Kriegsflüchtlinge kommen stets aus sicheren Drittländern nach Deutschland -- ergo wäre es rechtlich, auch nach Genfer Konventionen, wasserdicht sie nicht aufzunehmen.
Wenn, dann reden wir also von einer humanitären Pflicht -- bei der wir aber offenkundig Güterabwägung betreiben müssen.
Und bitte sage mir mal wie wir helfen wenn wir nicht auch Flüchtlinge aufnehmen?
Damit sind wir bei der Schlüssel-Frage:
"Wie (und wieviel) helfen wir freiwillig aus humanitären Gründen?"
Dass wir das auch tun können abseits der Aufnahme von Flüchtlingen schreibst du doch gleich selbst -- z.B. durch finanzielle und logistische Unterstützung von Flüchtlingscamps in Jordanien, Türkei, Libanon. Insofern verstehe ich deine Frage nicht ganz.
Man kann natürlich trotzdem auch die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland in Erwägung ziehen. Aber weder ist es alternativlos, noch unsere rechtliche Pflicht. Hierauf sollten wir uns doch zumindest als Fundament einigen können, oder?
Mal ein Blick in die Vergangenheit: Seit mehreren Jahren kommen viele Flüchtlinge in Griechenland und Italien an. Die Länder ächzen unter der Wirtschaftskriese und können die Flüchtlinge irgendwann nur noch mehr schlecht als recht versorgen.
Wo genau waren denn da die Milliarden von Deutschland, um die Flüchtlinge zu unterstützen? Nun, da gab es keine. Man hat die Länder mehr oder weniger alleine gelassen (ich glaube ein paar Millionen sind da geflossen, weiß ich aber auch nicht genau), sich auf EU-Gesetze berufen und das war es.
Agree. Es wäre klug gewesen, zwar Dublin II / III beizubehalten, aber Italien und Griechenland mehr finanziell und logistisch zu unterstützen.
Warum Dublin II / III beibehalten?
Stichwort Sogwirkungen: Wenn ich "nur" in ein Camp in Griechenland komme, und nicht nach Deutschland, ist die teure und risikoreiche Flucht halt nicht mehr attraktiv. Ergo kommen dann wirklich nur noch diejenigen, die Schutz für Leib und Leben suchen, und welche dann selbstverständlich im Lager vernünftig versorgt werden müssten.
Warum Italien / Griechenland finanziell und logistisch unterstützen?
Aus Solidarität und Fairness sicher auch (so wie wir eben auch die Camps in der Türkei untersützen sollten). Aber auch aus Eigeninteresse. Sonst haben Italien und Griechenland den Anreiz, die Migranten nach Deutschland durchzuwinken, was dann wieder eine entsprechende Sogwirkung auslöst.
Die Wahrheit ist doch wohl: solange bei uns direkt vor der Haustür nicht die Auswirkung zu sehen ist; solange wir nicht Konsequenzen im eigenen Land spüren wäre gar nichts passiert. Von alleine hätte Deutschland nicht Milliarden locker gemacht, egal wie es den Menschen dort in irgendwelchen Lagern gegangen ist.
Da stimme ich dir zu. Das Elend außerhalb Europas blenden Medien und Politik gerne aus. Sobald aber ein Flüchtlingskind auf europäischem Boden gefilmt wird, ist es auf einmal superwichtig -- weswegen dann ja Merkel die Balkanroute so drastisch offen gestaltet hat.
Das ist nicht nur absurd und unfair gegenüber den Flüchtlingen, die in den Camps vor Ort bleiben. Sondern auch unverantwortlich im Sinne des Sogeffekts.
Komischerweise habe ich genau dazu vorgestern im TV (irgend so ein WDR Jubiläum glaube ich, dann gerade mit politischem Kabarett) etwas gehört: genau so war die Situation. Die Flüchtlinge waren zum allergrößten Teil in Camps in der Türkei und in Jordanien. Nur dann ist der Hilfseinrichtung dort das Geld ausgegangen, die konnten die Versorgung der Flüchtlinge nicht mehr sicher stellen und haben angefangen Essen zu rationieren --> das war der Grund warum sich sehr viele Flüchtlinge weiter auf den Weg nach Europa gemacht haben.
Vielleicht hat ja mal jemand etwas Zeit diesem Punkt näher zu Beleuchten, ich fand diesen Zusammenhang "Flüchtlingslager hat kein Geld mehr" ---> "die Menschen machen sich auf den Weg nach Europa" sehr interessant.
Erneut d'accord. Es wäre politisch sehr umsetzbar für die dt. Regierung gewesen, die Camps vor Ort vernünftig zu unterstützen. Das hätte nicht nur den Migrationsdruck reduziert, sondern wäre auch humanitär das richtige gewesen. Und es hätte uns auch erlaubt, die Grenzen dicht zu halten -- eben weil wir unsere humanitäre Pflicht vor Ort vernünftig gestaltet hätten.
In so einer stabilen, kontrollierten Situation (gut versorgte Camps, dichte Grenzen als Default) hätte man dann einen sauberen medialen und politischen Diskurs führen können, ob wir darüber hinaus noch Flüchtlinge direkt aus den Camps nach Deutschland holen sollten. Gerade für Waisen oder alleinerziehende Eltern mit kleinen Kindern wäre ich da auch sofort Feuer und Flamme gewesen. Hätte übrigens auch dafür gesorgt, dass wir keine 50% Armutsmigranten (statt Kriegsflüchtlinge) und 80% jungen Männer hätten, und damit sowohl weniger Kriminalität als auch mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Und die AfD würde dann wohl immer noch bei 5% rumdümpeln.
Dem möchte ich nicht widersprechen. Bzw. vielleicht als Ergänzung: man sollte denjenigen sagen die hierhin kommen: macht Euch drauf gefasst, dass ihr nach dem Kriegsende alle wieder zurück geschickt werdet. Klare Ansage von Anfang an. Dann noch eine gescheite Migrationspolitik um denjenigen, die sich hier gut integriert haben eine Chance zu geben.
Stimme ich dir auch im Prinzip zu. Aber bei jedem ohne Bleibeperspektive ist es aber doch besser, wenn sie grundsätzlich vor Ort versorgt werden. Sonst hast du wieder das ganze moralische Dilemma mit Abschiebungen etc.
Die saubere Migrationspolitik brauchen wir so oder so. Diese sollte aber fokussiert sein auf die Interessen unserer Gesellschaft. D.h. wir sollten Migration nur dann fördern und ermöglichen, wenn sie vorteilhaft für uns ist.
Alles andere ist humanitäre Hilfe -- die man tun kann, aber dann eben sehr sorgfältig Kosten und Nutzen abwägen muss. Wobei aus meiner Sicht diese Abwägung dann fast immer für "Versorgung vor Ort, keine Migration nach Deutschland" ausfallen wird.
Das ist natürlich ein absolutes Totschlagargument. Niemand muss sein ganzes Vermögen abdrücken weil er meint, dass Hilfe angebracht ist. Und auch niemand soll auf den gesamten Wohlstand verzichten. Habe ich aber natürlich auch nie gesagt. Aber zumindest könnte man mal anerkennen, dass es unserer Generation jetzt gerade nur so gut geht weil nicht wir sondern andere vor uns dies ermöglicht haben.
Sich selbst auf einen Sockel zu heben und von oben herab die Menschen zu verurteilen - das empfinde ich als zynisch. Für mich stellt sich hier sehr oft die Frage wer sich denn wohl gerade auf ein moralisches Roß setzt.
Mir geht es darum, dass viele Migrationsbefürworter uns eine Pflicht herbeidefinieren möchten, den armen Menschen auf der Welt dadurch zu helfen, dass die nach Deutschland einwandern müssen. Ohne Berücksichtigung der negativen Konsequenzen auf unsere Gesellschaft und gerade viele ärmere Bürger.
D.h. für mich fordern die Migrationsbefürworter einen Wohlstandstransfer von unseren Niedriglöhnern und Hartzern (denn mit 5 Mio arbeitslosen Armutsmigranten werden sich Hartz IV und Kindergeld mit Sicherheit anders entwicklen als ohne) zu Armutsmigranten aus Afrika.
Diese Forderung ist für mich nur dann legitim, wenn man mit gutem Beispiel vorangeht. Andernfalls möchte man eben "other people's money" ausgeben, wenn man selbst zwar bereit ist, 1% mehr Steuern zu zahlen, aber den ärmsten unserer Gesellschaft eine relativ deutllich größere Bürde aufzewingen möchte.
Ich habe ja gar nicht von wohlhabenden Menschen gesprochen, sondern von der Oberschicht. Also reichen Menschen die sicherlich nicht mehr Arbeiten gehen und Leute dafür bezahlen damit das Geld angelegt wird und sie wenig bis keine Steuern zahlen müssen. Nenne sie das 1% oder die oberen 10.000. Diese Menschen, die dazu noch über über ein beträchtliches Vermögen verfügen (also mehr als die "armen" 50% der Menschen in Deutschland) werden nicht ärmer durch die Flüchtlinge.
Wann wurden denn wohl zuletzt Steuern erhoben oder erhöht, die diesen Personenkreis betroffen hätte?
Wenn man sich mal grob an Einkommens- und Vermögensstatistiken erinnert die man in den letzten Jahren mal gesehen hat, dann war es doch in Deutschland so:
- der Niedriglohnsektor hat in den letzten 20 Jahren durch Inflation etc. ca. 20% weniger Geld in der Tasche.
- die mittleren Einkommen stagnieren bestenfalls
- die hohen Einkommen sind deutlich angestiegen.
Und ich meine dass es bei dem Vermögen ganz genau so aussieht.
Statt aber darüber zu reden, reden wir in Deutschland lieber über die Bankenkrise (wen hat man damals eigentlich nochmal genau gerettet?) oder jetzt Flüchtlinge.
Das ist durchaus ein wichtiges Thema. Ich wäre auch für eine Steuerrreform -- z.B. weg von Einkommenssteuern für niedrige Einkommen, hin zu Landwertsteuer.
Das ist aber ein anderes Thema, und ich kann nicht einfach hoffen, dass sich dort was ändert und mit Verweis darauf dann als unproblematisch definieren, dass wir hunderte Milliarden Kosten für Migranten ja "easy" von den Reichen holen könnten.
Für mich ein gutes Beispiel für Verantwortungsethik vs. Gesinnungsethik. Ich überspitze etwas:
Gesinnungsethik:
"Armen Menschen helfen ist gut. Kostet zwar Geld, aber das
könnten wir ja von den Reichen holen.
Also holen wir schon mal die armen Menschen, und setzen damit die deutsche Gesellschaft unter Zugzwang.
Wenn die deutsche Gesellschaft so doof ist, dann das Geld doch nicht von den Reichen zu holen, sondern Krankenversicherungsbeiträge und Lohnsteuern steigen, dann ist Deutschland selbst schuld."
Verantwortungsethik:
"Ich würde mir eine Steuerreform wünschen. Halte eine radikale Steuerreform aber für unwahrscheinlich. Ergo werden die hunderte Milliarden Mehrkosten für Armutsmigration in höheren Steuern für die Mittelschicht, und in schlechteren staatlichen Leistungen wie Infrastruktur, Schulen, Kindergeld, Hartz IV enden. Ergo suche ich einen kostengünstigeren Weg, den bedürftigen Menschen der Welt zu helfen. Und akzeptiere dabei, dass ich vielen hundert Millionen armen, perspektivlosen Menschen auf der Welt eben nicht mal so eben helfen kann."
Anderes Beispiel wäre:
Gesinnungsethik:
"Leute ertrinken vor Afrika's Küste! Ich muss die dort retten. Zurückschicken geht nicht, denn dort sind ja Islamisten. Also bringe ich sie nach Italien. Oh, jetzt, wo ich die Leute rette, kommen sie ja in noch schlechteren Nussschalen. Muss ich also noch näher an der nordafrikanischen Küste retten. Oh, es kommen ja noch mehr. [...]"
Verantwortungsethik:
"Wenn ich die Leute rette und sie dann nach Deutschland hole und dort in den Sozialstaat integriere, setze ich Anreize. Für mehr Migranten, es zu versuchen. Für die Schleuser, immer schrottigere Nussschalen zu verwenden. Natürlich will ich die Leute trotzdem nicht ersaufen lassen. Ergo muss ich die Leute retten und entweder zurückschicken (wo möglich durch Kooperationen -- Marokko und Ägypten), oder in ein Lager unterbringen. Aus diesem Lager darf ich sie dann aber nicht nach Deutschland lassen, denn sonst würde ich wieder die Anreize setzen. Ergo bekommen die Leute im Lager drei Optionen: (a) Prüfung politisches Asyl; (b) Verpflegung und Obdach im Lager, aber ohne es verlassen zu können; (c) freiwillige Heimreise."
Gesinnungsethik wird gerade in Deutschland oft gefordert und gelebt.
Verantwortungsethik führt zum australischen Modell (welches man ja leicht adaptieren kann). Dies wird aber verteufelt.