Evtl. sollte das ein eigenes topic bekommen
Aber die Beispiele sehen doch sehr an den Haaren herbeigezogen aus. Die Typen, die in ihre Lehrstelle einbrechen, Bier trinken und dann noch in einen Farbeimer urinieren, damit das irgendwie als "Einbruchsdelikt durch kumulative Erfüllung der Straftatbestände des Diebstahls (Art. 139 StGB), der Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) und des Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB)" gewertet werden kann, denn nur dann ist eine Ausweisung nach der Ausschaffungsinitiative möglich. Ja, wenn man davon ausgeht, dass in einen Farbeimer urinieren rechtlich als all dieses eingestuft wird dann wäre was dran. Ich kenne das schweizerische Rechtssystem nicht aber es würde mich doch sehr wundern ...
Im Gesetzestext steht direkt Ausweisung bei einem dieser Vergehen:
- vorsätzliche Tötung, Totschlag
- schwere Körperverletzung, Gefährdung des Lebens
- Einbruchsdelikt durch kumulative Erfüllung der Straftatbestände des Diebstahls, der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs
- qualifizierter Diebstahl, Raub, gewerbsmässiger Betrug, qualifizierte Erpressung, gewerbsmässige Hehlerei
- Betrug im Bereich der Sozialhilfe und der Sozialversicherungen sowie Sozialmissbrauch
- Menschenhandel, qualifizierte Freiheitsberaubung und Entführung, Geiselnahme
- sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schändung, Förderung der Prostitution
- Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen
- Widerhandlung gegen Artikel 19 Absatz 2 oder 20 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951 (BetmG).
Klingt erst mal vernünftig. Klar, man kann jetzt über juristische Interpretationen streiten, insb. ab wann Betrug "gewerbsmäßig" ist. Mit dem Hintergrundwissen dass gerne mal ein in einer Tauschbörse hochgeladenes Lied als gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung bezeichnet wird kann man das durchaus kritisch sehen. Aber allgemein sind das schwere Straftaten und ich würde mir durchaus wünschen, dass jemand, der so etwas begeht, einfach direkt aus dem Land fliegt.
Sowas macht man auch nicht mal eben "aus Versehen", wie es die Beispiele aus deinem Artikel suggerieren. Das sind schwere Vergehen.
Dazu fliegt man wohl auch bei leichteren Vergehen, wenn man in den 10 Jahren davor irgendeine Strafe bekommen hat. Diese Vergehen sind:
- einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB), Aussetzung (Art. 127 StGB), Raufhandel (Art. 133 StGB), Angriff (Art. 134 StGB);
- Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB) in Verbindung mit Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) oder Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB);
- qualifizierte Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2 StGB), gewerbsmässiger betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 Abs. 2 StGB), gewerbsmässiger Check- und Kreditkartenmissbrauch (Art. 148 Abs. 2 StGB), gewerbsmässiger Wucher (Art. 157 Ziff. 2 StGB);
- Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183 StGB);
- sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB), sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188 Ziff. 1 StGB), sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192 StGB), Ausnützung der Notlage (Art. 193 StGB), Pornografie (Art. 197 Ziff. 3 StGB);
- Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 und 2 StGB), vorsätzliche Verursachung einer Explosion (Art. 223 Ziff. 1 StGB), Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 StGB), Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen (Art. 226 StGB);
- Geldfälschung (Art. 240 Abs. 1 StGB), Geldverfälschung (Art. 241 Abs. 1 StGB);
- öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit (Art. 259 StGB), Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB), Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen (Art. 260quater StGB), Finanzierung des Terrorismus (Art. 260quinquies StGB);
- Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB), Verweisungsbruch (Art. 291 StGB);
- falsche Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 StGB), qualifizierte Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 2 StGB), falsches Zeugnis, falsches Gutachten, falsche Übersetzung (Art. 307 Abs. 1 und 2 StGB);
- vorsätzliche Widerhandlung gegen Artikel 115 Absätze 1 und 2, 116 Absatz 3 oder 118 Absatz 3 des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005;
- Widerhandlung gegen Artikel 19 Absatz 1 oder 20 Absatz 1 BetmG.
Allesamt auch durchaus nicht harmlose Straftaten. Dass man bei diesen generell im Land bleiben darf, wenn man nicht vorbestraft ist, ist schon krass. Ich würde da auch eher dazu tendieren, Leute, die so etwas machen, direkt aus dem Land zu werfen.
Um mal bei den Beispielen aus dem Artikel zu bleiben: Die Dame, die bei rot über die Ampel fährt und danach den Kontrolleur beleidigt kann nur dann ausgewiesen werden, wenn die rote Ampel wirklich als schweres Vergehen gewertet ist (sie also wegen der rotem Ampel eine Vorstrafe hat). Ich weiß nicht wie die Schweiz das handhabt aber soweit ich weiß ist das in Deutschland zumindest bei roten Ampeln nicht die Regel. Und dazu muss sie den Kontrolleur so krass beleidigen, dass es rechtswirksam zu einer Verurteilung wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte kommt. Ist das plausibel wegen einem offensichtlich unvorsichtig gewählten Wort, dem keine Taten sondern eine Entschuldigung folgte?
Oder der Arzt, der "vergisst", dass er noch eine Sozialzahlung für seinen Sohn bekommt: Ausweisung gibt es nur, wenn ihm der Vorsatz nachgewiesen wird. Er muss also vorsätzlich handeln und das Gericht muss dies erkennen und bestätigen. In dem Beispiel wäre es nach meiner Laienmeinung nahezu unmöglich, so einen Vorsatz nachzuweisen.
Insgesamt würde ich sagen, dass der von dir verlinkte Artikel sehr realitätsverzerrend geschrieben wurde und ziemlich absurde Beispiele nutzt, die von einer extremen maximalen Härte der Verurteilung für Bagatelldelikte ausgeht. Wenn sowas in der Schweiz wirklich passiert dann hat das Land ganz andere Probleme.