Energiewende

Gustavo

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@Gustavo du hast nicht von Deutschland gesprochen, sondern von Energieökonomen allgemein. Und warum sollte die Meinung der deutschen solchen relevanter sein? Es geht um Wissenschaft. Da liegt mir der Verdacht eher nahe, dass viele der solchen in Deutschland den Grünen nahe stehen.


Ich habe von der Energiewende gesprochen. Die findet meines Wissens in Deutschland statt. Es geht nicht darum, dass die Meinung von deutschen Forschern relevanter ist, sondern die Meinung von Forschern die ÜBER DEUTSCHLAND nachdenken, weil es eben UM DEUTSCHLAND geht (Deutsch müssen sie dafür prinzipiell nicht sein). Dazu kann Bill Nordhaus jetzt eher wenig beitragen, ganz egal wie viele cites das DICE-Modell hat.


@saistaed ich blase gar nichts auf. Der Atomausstieg hat bereits ein XX-Faches der co2-Wirkung des intensiv diskutieren Tempolimits gekostet. Und selbst die verbliebenen 6 AKW sind eben kein Fliegenschiss. Gegen den Weiterbetrieb der 6 AKW zu sein ist entweder genau so OK, oder genau so nicht OK, wie vergleichbare Argumente a la "eh egal was Deutschland macht, wir sind ja nur für X% zuständig. Entweder ist es eine existentielle Krise, in der man gerade die low hanging fruit nutzen muss, oder man erlaubt jedem seine Spinnerei, mit der jede beliebige Maßnahme blockiert wird.


Das ist einfach ein komplett unsinniger Standpunkt. Was du mehr oder weniger sagst ist entweder man verfolgt jegliches Ziel auf die effizienteste Art oder es ist egal ob man es überhaupt verfolgt, unabhängig davon wie sinnvoll das Ziel auch sein mag. Nach dem Standard könnte jegliche Form von Demokratie den Laden dichtmachen, weil immer auf irgendwelche Interessen Rücksicht genommen werden muss.
 
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Ich habe von der Energiewende gesprochen. Die findet meines Wissens in Deutschland statt. Es geht nicht darum, dass die Meinung von deutschen Forschern relevanter ist, sondern die Meinung von Forschern die ÜBER DEUTSCHLAND nachdenken, weil es eben UM DEUTSCHLAND geht (Deutsch müssen sie dafür prinzipiell nicht sein). Dazu kann Bill Nordhaus jetzt eher wenig beitragen, ganz egal wie viele cites das DICE-Modell hat.
Selbst wenn du nur die deutsche Energiewende meinst: Auch bei dieser wird gerade der Atomausstieg aus dem Ausland kritisiert, absolut auch von Experten. Beispiel:
"A comprehensive study, published in Energy Policy in 2013, reported that Germany's nuclear power phase-out, to be complete by 2022, is contradictory to the goal of the climate portion of the program."
Quelle: https://www.mech.kuleuven.be/en/tme/research/energy_environment/Pdf/wpen2012-1

Warum sollte das auch nicht so sein? Kumulativ haben wir einen Haufen bereits gebauter Kraftwerke abgeschaltet, die noch Jahrzehnte laufen konnten und Massen an Energie mit minimalem Co2-Ausstoß produzierten.

Es ist sehr Deutschland-spezifisch, das schönzureden. Solltest gerade du als Kosmopolit doch etwas neutraler sehen können anstatt hier den Atomausstieg schönzureden (auch Verharmlosung ist schönreden).
Das ist einfach ein komplett unsinniger Standpunkt. Was du mehr oder weniger sagst ist entweder man verfolgt jegliches Ziel auf die effizienteste Art oder es ist egal ob man es überhaupt verfolgt, unabhängig davon wie sinnvoll das Ziel auch sein mag. Nach dem Standard könnte jegliche Form von Demokratie den Laden dichtmachen, weil immer auf irgendwelche Interessen Rücksicht genommen werden muss.
Es ist ein Vergleich. Ich finde sowohl die Position "Atomausstieg sind Peanuts, daher warum daran aufhalten" als auch "Deutschland ist global Peanuts, also warum sollten wir massiv Wohlstand ausgeben für Klimaschutz" schlecht.

In gewisser Weise ist die zweite Position sogar logischer, wenn man Egoist ist. Dann könnte Deutschland das Minimum machen und auf Klimawandel vorbereiten, anstatt viel Wohlstand zu opfern, um der Welt zu helfen und ein Vorbild zu sein.

Wenn man dann derjenige ist, der von anderen Verzicht erwartet, damit Deutschland seine Ziele erreicht und Vorbild ist, dann hat man mMn die verdammte Pflicht, seine eigenen Scheuklappen abzulegen. Damit meine ich nicht in erster Linie die Oma, die halt Angst vor Atomenergie hat. Sondern die Grünen-Politiker, die es ja durchaus einsehen, aber aus reinem Partei-internen Kalkül keine offene Debatte daraus machen, wie es sie in anderen Ländern in den grünen Parteien längst gibt.
 
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Gustavo deine Argumentation ist nicht konsistent.
Du kannst nicht argumentieren, dass der Weiterbetrieb der 6 AKWs nur einen marginalen Impact hat (was ebenso eine sehr willkürliche Bezeichnung deinerseits ist, bei einem Volumen von fast 10% des deutschen Strombedarfs) und gleichzeitig ausblenden, dass der Weiterbetrieb im Gegenzug so gut wie gar keine Kosten verursacht.
Die 6 AKWs weiter zu betreiben ist so ziemlich das naheliegenste, logischste und beste was wir zur CO2-Reduzierung überhaupt tun können.

Es nicht zu tun, sollte sehr genau begründet werden, insbesondere wenn die Regierung schon in so einen Panikmodus verfällt, Gasheizungen ab 2025 zu verbieten, obwohl es gar keine Möglichkeit gibt diese in der Zeit zu substituieren.
 
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Zu deiner Behauptung, Atomenergie liege bei Life cycle "zwischen fossil und ee": Ist schlicht falsch, siehe:
Naja, ganz so schlicht ist es nicht. Siehe z.B.:
A review article, summarizing estimates of CO2 emissions from nuclear fuel cycle analyses, reports values as low as 1.4 g CO2 /kWhe up to 288 g CO2 /kWhe, with a mean over all reviewed studies of 66 g CO2 /kWhe (Sovacool, 2008).
[...]
Jacobson (2009) presented life cycle analyses for different electricity generation technologies and included also so called “opportunity cost emissions”, i.e. CO2 costs due to delays from planning to operation where a faster deployable technology could have avoided emissions. He referenced opportunity cost emissions for nuclear power of 59–106 g CO2 /kWhe in addition to the CO2 costs from the nuclear lifecycle of 9–70. In total he stated for nuclear energy costs of 68–180 g CO2 /kWhe.
Ich hatte ne Schätzung von um die 100 im Kopf, die ich leider grad nicht reproduzieren kann.


Und bzgl wichtiger, kurzfristiger Policy Entscheidung geht es nicht einmal um Neubau, sondern um die besagten 3/6.
Kennst du jetzt konkrete Berechnungen dazu, also wie viel das bringt und was es kostet?
 

Benrath

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So jetzt doch rausgeteilt. Energiewende schien jetzt doch das Hauptthema. Kompromiss in der Politik sind wir etwas arg abgedriftet und mehr beim Sachthema geblieben.

@saistaed ich hatte oben zwei Quarks Links gepostet für die 3. Da gings um 50 Mio Tonnen CO2, wobei auch nicht klar war für wie lange, dass ohne zusätzliche Investments möglich wäre. Die Mär, dass wir die Dinger völlig ohne Kosten ewig weiter betreiben können, vertreten nur simple Geister wie der Poster über dir.

@Xantos ist das Zitat aus Wikipedia und gibt den Link an? Der Link ist zumindest bei mir tot.

Selbst wenn es stimmt. Phase-out hätten wir alle gerne verlängert. Du solltest dich jetzt mal entscheiden was du diskutieren willst.
- Phase out generell
Hätten wir wohl hier alle länger ziehen können und nach Kohle.
Es gibt eben doch Gründe warum das langfristige Ziele EE + Speicher besser ist als Atom.
Atom müsste dann ja eigentlich auch + Speicher sein.

- Phase out verlängern wegen Gaskrise
Hätten wir hier wohl auch alle gewollt.

-Neubau
Siehe phase out generell.

Jenseits davon von den Grünen zu erwarten, dass Sie das genau so sehen müsste man schon mehr begründen, weil dort gewissen Dinge anders gewichtet werden. An sich wolltest du ja einen Thread zu Kompromissen in der Politik. Das ist einer.
 

Gustavo

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Selbst wenn du nur die deutsche Energiewende meinst: Auch bei dieser wird gerade der Atomausstieg aus dem Ausland kritisiert, absolut auch von Experten. Beispiel:
"A comprehensive study, published in Energy Policy in 2013, reported that Germany's nuclear power phase-out, to be complete by 2022, is contradictory to the goal of the climate portion of the program."
Quelle: https://www.mech.kuleuven.be/en/tme/research/energy_environment/Pdf/wpen2012-1

Warum sollte das auch nicht so sein? Kumulativ haben wir einen Haufen bereits gebauter Kraftwerke abgeschaltet, die noch Jahrzehnte laufen konnten und Massen an Energie mit minimalem Co2-Ausstoß produzierten.

Es ist sehr Deutschland-spezifisch, das schönzureden. Solltest gerade du als Kosmopolit doch etwas neutraler sehen können anstatt hier den Atomausstieg schönzureden (auch Verharmlosung ist schönreden).


Ich sage doch gar nichts anderes? Ich muss zugeben dass sich die Leute natürlich mit der Energiewende nicht richtig auskennen, aber jeder der mal hier oder dort einen Artikel darüber gelesen hat (natürlich preisbedingt insbesondere innerhalb des letzten Jahren) und mich darauf mal anspricht meint eher so "hey man, wtf?" Ich habe glaube ich im wahrsten Sinne des Wortes noch niemanden in den USA getroffen, der den Atomausstieg gut fand. Geschenkt.

ABER: Nochmal, das Ziel von Klimapolitik ist (oder müsste sein) momentan, möglichst viel CO2 einzusparen zu einem möglichst geringen Gesamtpreis (also einerseits Ausgaben und andererseits negative Einflüsse auf die Volkswirtschaft zu vermeiden). Wenn man Parteien danach bewertet, wie sie das machen, wäre es optimal, das Maximum an CO2 mit dem Minimum an Mitteleinsatz einzusparen. Ich nehme an soweit sind wir uns einig. Das machen die Grünen nicht, weil sie für den Atomausstieg waren und sind. Das ist schlecht. Ebenfalls geschenkt. Ich finde es zwar etwas unehrlich, das als genuin grünes Problem darzustellen, obwohl letztendlich alle Parteien (und ein großer Teil der Bevölkerung, was wiederum erst die Unterstützung von Union und FDP forciert hat) für den Atomausstieg waren, zumal auch heute eigentlich niemand in der deutschen Parteienlandschaft über einen echten Wiedereinstieg in Atomkraft spricht; realistischerweise sind Maximalforderungen eher sowas wie die Atommeiler noch ein paar Jahre laufen lassen. Aber gut, auch das geschenkt.
Sagen wir mal, in einer Welt ohne die Grünen wäre der Wiedereinstieg in Atomkraft ausgemacht. Würde effektiv bedeuten, die sechs Atomkraftwerke die noch gingen laufen weiter*. Das produziert auch Kosten (die Werke müssten mit längerer Laufzeit häufiger gewartet werden) und Probleme (woher kriegt man die Brennstäbe, wenn Russland rausfällt), aber die sind letztendlich verkraftbar. Dementsprechend spart Deutschland durch diesen Betrieb eine bestimmte Menge CO2 ein. Ewig sollten die Dinger natürlich nicht weiterlaufen, insofern kauft man sich dadurch Fläche unter der Kurve, die man anderweitig langsamer die Erneuerbaren ausbauen kann, weil sie bis 2045, wenn Deutschland klimaneutral sein will, wohl ihr natürliches Lebensende erreicht haben dürften. Dementsprechend werden die Kosten pro eingesparten Tonne CO2 effektiv etwas günstiger. Wohlgemerkt nicht sehr viel, denn so groß ist der mögliche Beitrag dieser sechs AKW nicht, aber etwas. Das wäre gut und ich würde es begrüßen, wenn man die Dinger am Netz lässt, bis man sie mit Erneuerbaren substituieren kann.

Gehen wir jetzt davon aus, in einem Deutschland, in dem die Grünen das Sagen hätten, würden wir trotzdem auf den CO2-Pfad kommen. Die Kosten dafür wären allerdings etwas höher (wohlgemerkt: "etwas höher" im Vergleich zu einem CO2-Pfad konformen Handeln mit AKW; die Kosten insgesamt werden natürlich sehr hoch sein, aber das liegt in der Natur der Sache, dass man [fast] alle möglichen CO2-Quellen innerhalb von relativ kurzer Zeit substituieren muss). Das jetzt aber "schönreden" zu nennen, wie du es mir vorwirfst, ist halt einfach unverschämt, weil es nun mal letztendlich auf die Kosten und die Einsparungen ankommt. Da sind die Grünen letztendlich trotz allem mit Abstand die Partei, die nahe am Optimum operiert, weil die anderen Parteien (insbesondere die FDP, aber auch die Union und in geringerem Maße die SPD) halt effektiv keinen Plan haben, wie man auch nur in die Nähe von CO2-Neutralität bis 2045 kommt, geschweige denn unter Einhaltung des CO2-Budgets. Die FDP ist von allen (wieder: mit Ausnahme der AfD) die am wenigsten effiziente, weil ihre Lösung mehr oder weniger ein riesengroßes Fragezeichen ist. Wissing ist quasi das personifizierte Beispiel dafür: Einerseits finde ich den Umgang mit ihm ja ein bisschen unfair, weil es im Verkehrssektor einfach am schwersten ist schnell CO2 einzusparen, wofür er nichts kann. Andererseits ist halt ziemlich offensichtlich, dass sein Plan letztendlich überhaupt nicht ist, auch nur in die Nähe eines vernünftigen Beitrags durch den Verkehrssektor zu kommen, sondern eben das Problem auszusitzen, immer auf dem politisch noch rechtfertigbar langsamsten Pfad zu bleiben und sich am Ende seiner Amtszeit dann dafür zu rühmen, die angebliche Deindustrialisierung Deutschlands zumindest verlangsamt zu haben. Dass die Langfristkosten für das verfehlte CO2-Budget effektiv deutlich größer sind als die "Einsparungen" dadurch, die Leute jetzt nicht auf einen effektiven CO2-Pfad zu bringen, auch wenn es erst mal teurer wird, wird dabei völlig ausgeblendet.

Und hier kommt jetzt der springende Punkt: Mir ist schon klar, dass der Atomausstieg ostentativ ein nicht-optimaler Pfad hin zur Klimaneutralität ist. Ist leicht, sich darüber lustig zu machen und fällt auch jedem halbwegs vernünftigen Menschen sofort auf. Alles wahr. Aber letztendlich sind das eben auch nur Kosten und die kann man vergleichen. Und diese Kosten werden eben durch den lange rausgezögerten Pfad immer höher. Den Grünen den Atomausstieg in Rechnung zu stellen, obwohl sie nicht an der Regierung waren, ihnen dann aber auch nicht die erhöhte Effizienz einer nicht so lange rausgezögerten Energiewende nicht auf die Haben-Seite zu schreiben ist halt einfach unfair. Und nicht gleichzeitig zu sehen, dass andere ebenfalls suboptimale Wege hin zur Energiewende gehen, die vielleicht nicht ganz (aber doch immer noch sehr) suboptimal sind, ist auch nicht fair. Nach deinem Maßstab wäre jede Partei, die die Pendlerpauschale behalten möchte, doch auch irrational. Aber in der Gesamtbetrachtung macht es halt einfach NULL Sinn, so zu tun, als gäbe es keine Unterschiede zwischen Grünen und FDP (oder Grünen und Union oder Grünen und AfD), nur weil keine der Parteien einen optimalen Pfad gewählt hat.
Und das lässt den größten, nahezu nie erwähnten Kostenpunkt noch komplett außen vor: Um dieselbe Menge Einsparungen zu erreichen sind Subventionen um einen Kostenfaktor von (Schätzungen) vier bis fünf teurer als Ordnungspolitik (was man, je nachdem auf welcher Seite man politisch steht, "Verbote" oder "Gebote" nennt). Ein optimaler Mix hat beides, aber nicht im gleichen Maße. Da verschleudern wirtschaftsnahe Parteien das Geld geradezu, indem sie (vielen, nicht allen) Unternehmen, die sich das auch so leisten könnten, ihre CO2-Einsparungen quasi abkaufen. Das ignoriert deine Betrachtung völlig, weil sie sich auf einen kleinen Teil der Energiewende über jede Gebühr fokussiert und andere Teile völlig außer Acht lässt.




*Neue würden nicht gebaut, das halte ich für wirtschaftlich unter heutigen Bedingungen für ausgeschlossen. Vielleicht gibt es irgendwann noch einen Effizienzsprung, dann könnte sich diese Rechnung wieder ändern, aber in Anbetracht der Tatsache dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will und man die Fläche unter der Kurve auch dem CO2-Gesamtbudget konform gestalten will, wäre der Beitrag für Deutschland wohl vernachlässigbar


Es ist ein Vergleich. Ich finde sowohl die Position "Atomausstieg sind Peanuts, daher warum daran aufhalten" als auch "Deutschland ist global Peanuts, also warum sollten wir massiv Wohlstand ausgeben für Klimaschutz" schlecht.

In gewisser Weise ist die zweite Position sogar logischer, wenn man Egoist ist. Dann könnte Deutschland das Minimum machen und auf Klimawandel vorbereiten, anstatt viel Wohlstand zu opfern, um der Welt zu helfen und ein Vorbild zu sein.

Wenn man dann derjenige ist, der von anderen Verzicht erwartet, damit Deutschland seine Ziele erreicht und Vorbild ist, dann hat man mMn die verdammte Pflicht, seine eigenen Scheuklappen abzulegen. Damit meine ich nicht in erster Linie die Oma, die halt Angst vor Atomenergie hat. Sondern die Grünen-Politiker, die es ja durchaus einsehen, aber aus reinem Partei-internen Kalkül keine offene Debatte daraus machen, wie es sie in anderen Ländern in den grünen Parteien längst gibt.


Wie gesagt: Wenn du so darüber nachdenken willst, steht dir das ja frei. Aber dann kannst du nicht einfach ignorieren, dass das massenhaft in jeder Partei passiert. Den Grünen, die wie gesagt schon mehr tun als die anderen Parteien, das auch noch vorzuhalten, obwohl letztendlich alle das Ziel (zumindest rhetorisch) teilen, ist halt einfach unsinnig. Das ist genau so ein plattes Argument wie sich über irgendwelche Klimaprotestierer zu mockieren, die auf den Urlaub nach Bali fliegen: Für das Klima macht letztendlich nur die Menge an CO2 einen Unterschied, nicht ob sie für Urlaubsflüge nach Bali, Fahrtwege zum eigenen Arbeitsplatz oder Leopard 2-Produktion zustande kommt. Es gibt keinen Heuchelei-Multiplikator.


€dit:



Gustavo deine Argumentation ist nicht konsistent.
Du kannst nicht argumentieren, dass der Weiterbetrieb der 6 AKWs nur einen marginalen Impact hat (was ebenso eine sehr willkürliche Bezeichnung deinerseits ist, bei einem Volumen von fast 10% des deutschen Strombedarfs) und gleichzeitig ausblenden, dass der Weiterbetrieb im Gegenzug so gut wie gar keine Kosten verursacht.
Die 6 AKWs weiter zu betreiben ist so ziemlich das naheliegenste, logischste und beste was wir zur CO2-Reduzierung überhaupt tun können.

Es nicht zu tun, sollte sehr genau begründet werden, insbesondere wenn die Regierung schon in so einen Panikmodus verfällt, Gasheizungen ab 2025 zu verbieten, obwohl es gar keine Möglichkeit gibt diese in der Zeit zu substituieren.

Wie kommst du darauf, dass ich das ausblende? Ich sage bloß man kann halt auch nicht ausblenden, dass die Kosten bei Verfehlen des Ziels ungleich höher sind. Die sind natürlich nicht so offensichtlich zurechenbar wie beim Atomausstieg (auch wenn ich wie gesagt nicht richtig sehe, dass man die Grünen dafür als Hauptverantwortlichen ausmachen kann), deshalb aber nicht weniger real.
 
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parats'

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Wissing ist quasi das personifizierte Beispiel dafür: Einerseits finde ich den Umgang mit ihm ja ein bisschen unfair, weil es im Verkehrssektor einfach am schwersten ist schnell CO2 einzusparen, wofür er nichts kann. Andererseits ist halt ziemlich offensichtlich, dass sein Plan letztendlich überhaupt nicht ist, auch nur in die Nähe eines vernünftigen Beitrags durch den Verkehrssektor zu kommen, sondern eben das Problem auszusitzen, immer auf dem politisch noch rechtfertigbar langsamsten Pfad zu bleiben und sich am Ende seiner Amtszeit dann dafür zu rühmen, die angebliche Deindustrialisierung Deutschlands zumindest verlangsamt zu haben.
Zu Wissing noch eine Sache: Die low hanging fruits hat er bereits gepflückt. Letztes Jahr hat er mit Habeck dafür gesorgt, dass die Mindestabstände bei bestimmten Infrastrukturen deutlich reduziert werden. Das hat Fläche für afaik 120 Windräder freigemacht. Habeck hat dann die Genehmigungen erteilen lassen.
Ob es noch andere Flächen gibt, die man durch sowas frei bekommt weiß ich gerade nicht. Aber es ist eben auch nicht so, als ob man als Verkehrsminister nur die asphaltierte Straße unter seiner Zuständigkeit hat.
Mit relativ wenig Aufwand kann auch ein Volker Wissing einen Beitrag leisten und das jetzt mal unabhängig vom Verbrennungsmotor.
 
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Insgesamt sehr guter Post, danke!

Ich stimme zu, dass das Gesamtpaket der Grünen trotzdem am besten ist. Ich nehme es ihnen trotzdem sehr übel, einen so wichtigen Baustein auszulassen und sich damit auch noch sehr angreifbar zu machen.

Auch könnte man gerade jetzt mit den AKW die FDP wohl zu einigen Deals bringen, ob nun Tempolimit oder anderes. So dass gerade wenn man das Gesamtpaket sieht, die Opportunitätskosten des "nicht vernünftig werden" noch höher sind.

Da ist bestimmt eine Menge Messen mit zweierlei Maß drin, was vermutlich so unfair ist wie an Israel höhere Standards als an die Nachbarländer anzulegen.

Ich bin partiell einfach sauer, dass die Grünen nicht einfach eine pragmatische Umwelt- und Klimaschutz-Partei sind, sondern Idiotie wie Identitätspolitik und Atomkraft-Phobie mit ins Paket nehmen. Und triggered von vielen Diskussion bspw mit einem Freund bei XR, der letztlich werden Burgfrieden nicht pro nuklear ist, sondern ähnliche Argumente wie hier im Thread ("jetzt eh zu spät", "macht nicht viel aus") bringt.
 

Gustavo

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Ich denke das Atomthema ist jetzt gar kein SO gutes Beispiel, weil sie da zumindest von Fukushima bis zum Preisschock seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine da schon eher die Mehrheitsmeinung vertreten haben, aber auf eine größere Art hast du schon auch irgendwie recht. Die Grünen stellen sich halt manchmal auch einfach schweinedumm an, was Politik im eigentlichen Sinn angeht. Das kann man ihnen schon übel nehmen.

Ich kriege es einfach nicht zusammen, dass die Partei einerseits als einzige Partei die Dringlichkeit der Lage verstanden zu haben scheint und andererseits verjubelt man dann politische Zustimmung für irgendwelchen Blödsinn, der gerundet ca. 0% der Bevölkerung etwas bringt. Gerade weil die SPD und die Grünen sich inhaltlich bei den meisten Sachen so fucking ähnlich sind, bin ich fest davon überzeugt, dass genauso wie es eine 25% SPD bei der Bundestagswahl gab auch 25% (oder mehr!) für die Grünen drin wären, wenn sie sich nicht so leicht politisch angreifbar machen würden.
So ärgerlich es ist, aber den Grünen müsste eigentlich auch klar sein, dass ein großer Teil der Bevölkerung nur sehr abstrakt hinter der Energiewende steht: Wenn man fragt ob wir die Pariser Klimaziele einhalten wollen, sagen fast alle ja. Wenn es dann aber darum geht, die Lasten zu verteilen, die dadurch anfallen, ist die Bereitschaft häufig EXTREM mäßig. Wenn die Grünen schon ohne diese Maßnahmen tatsächlich zu beschließen mit ihrem Gesamtbild kaum über 15% hinauskommen wird es halt nix.

Das ist btw etwas, wo man zur Abwechslung mal ganz froh über die Art sein kann, wie in der EU Politik gemacht wird: Häufig genug werden ja unpopuläre Sachen auf EU-Ebene verabschiedet, die man auf nationalstaatlicher Ebene niemals beschließen könnte, die bestenfalls von zweifelhaftem Nutzen sind. Aber hier bringt die EU tatsächlich eine Menge: Ich sehe Null, wie man sowas wie den Emissionshandel auf nationalstaatlicher Ebene politisch hätte rechtferigen können, aber auf EU-Ebene ging es doch vergleichsweise einfach. Zugegebenermaßen zu langsam und zu spät beginnend, aber 100% besser als alles, was man auf nationalstaatlicher Ebene hinbekommen hätte.
 

parats'

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Das ist btw etwas, wo man zur Abwechslung mal ganz froh über die Art sein kann, wie in der EU Politik gemacht wird: Häufig genug werden ja unpopuläre Sachen auf EU-Ebene verabschiedet, die man auf nationalstaatlicher Ebene niemals beschließen könnte, die bestenfalls von zweifelhaftem Nutzen sind. Aber hier bringt die EU tatsächlich eine Menge: Ich sehe Null, wie man sowas wie den Emissionshandel auf nationalstaatlicher Ebene politisch hätte rechtferigen können, aber auf EU-Ebene ging es doch vergleichsweise einfach. Zugegebenermaßen zu langsam und zu spät beginnend, aber 100% besser als alles, was man auf nationalstaatlicher Ebene hinbekommen hätte.
Wie sowas z.B.:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/u...baeude-a-a648cb73-d2a9-4576-bdbd-eabe28129801

Will mir gar nicht vorstellen was hier los wäre, wenn die Ampel sowas beschließen würde.
 

Gustavo

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Na ja, du hast da den üblichen Zyklus: Der typische Wirtschaftsjournalist in Deutschland versteht jetzt nicht SO viel Makro, insofern können das viele nicht selbstständig erkennen. Irgendwann kommen dann Artikel wie der, den saistaed gepostet hat und dann teilen sich die Reaktionen quasi in drei Gruppen auf:
- Diejenigen, die dagegen argumentieren oder den Standpunkt völlig ignorieren, weil sie sowieso der Meinung sind, dass Zinsen den Staat konditionieren sollten (so Leute wie Braunberger in der FAZ, Siems in der Welt)
- Diejenigen, die das als "einerseits, andererseits"-Geschichte darstellen ("die FDP sagt so, die Grünen sagen so") und wo es offen bleibt wer letztendlich der Wahrheit näher kommt (häufig alle bei Spiegel [außer Thomas Fricke] und Süddeutscher)
- Diejenigen, die das aufgreifen und als "Lindners Rechnung ist mehr Ideologie als Finanzmathematik" verkaufen (so jemand wie Schieritz in der Zeit, Fricke beim Spiegel)

Lol, called it: https://www.zeit.de/2023/12/bundeshaushalt-schulden-christian-lindner/komplettansicht



Wie sowas z.B.:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/u...baeude-a-a648cb73-d2a9-4576-bdbd-eabe28129801

Will mir gar nicht vorstellen was hier los wäre, wenn die Ampel sowas beschließen würde.

Ja, genau sowas meinte ich. Habeck versucht ja gerade komplementär etwas mit den Heizungen und als sie neulich bei Anne Will darüber geredet haben, war der Konsens von allen Seiten "muss zurück in die Montagehalle," als ob nicht alle Parameter feststünden, die man braucht um die Klimaziele in dem Sektor zu erreichen. Was soll Habeck in der Montagehalle denn machen, nochmal darüber nachdenken wie man effektiver Heizungen einbaut?
 
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Das ist btw etwas, wo man zur Abwechslung mal ganz froh über die Art sein kann, wie in der EU Politik gemacht wird: Häufig genug werden ja unpopuläre Sachen auf EU-Ebene verabschiedet, die man auf nationalstaatlicher Ebene niemals beschließen könnte, die bestenfalls von zweifelhaftem Nutzen sind. Aber hier bringt die EU tatsächlich eine Menge: Ich sehe Null, wie man sowas wie den Emissionshandel auf nationalstaatlicher Ebene politisch hätte rechtferigen können, aber auf EU-Ebene ging es doch vergleichsweise einfach. Zugegebenermaßen zu langsam und zu spät beginnend, aber 100% besser als alles, was man auf nationalstaatlicher Ebene hinbekommen hätte.
Wenn man den Aluhut absetzt, kommt man doch kaum umhin, dass die EU das Beste ist, was der Demokratie passieren kann: Das Parlament ist demokratisch gut genug legitimiert, dass sich die groben Zielvorstellungen der Bevölkerung widerspiegeln, hat aber genug Beinfreiheit, um die Umsetzung technokratisch zu forcieren, ohne den Michel mit der Mistgabel fürchten zu müssen.

Wie sowas z.B.:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/u...baeude-a-a648cb73-d2a9-4576-bdbd-eabe28129801

Will mir gar nicht vorstellen was hier los wäre, wenn die Ampel sowas beschließen würde.
Das ist auch wieder ein perfektes Beispiel für etwas, wogegen FDP und Union mit Schaum vorm Mund anstürmen würden, was sie aber durch ihren politischen Habitus selbst notwendig machen: Wir brauchen marktkonforme Lösungen und Anreize statt Verbote! In steps exogener Schock: Wir brauchen eine Omas-Häusle-Heizungskostenbremse, keine Klimapolitik auf dem Rücken der ärmsten Vermögenden!


[Edit]
Ja, genau sowas meinte ich. Habeck versucht ja gerade komplementär etwas mit den Heizungen und als sie neulich bei Anne Will darüber geredet haben, war der Konsens von allen Seiten "muss zurück in die Montagehalle," als ob nicht alle Parameter feststünden, die man braucht um die Klimaziele in dem Sektor zu erreichen. Was soll Habeck in der Montagehalle denn machen, nochmal darüber nachdenken wie man effektiver Heizungen einbaut?
Ich grad in Anne Will rein und vielleicht kann mir mal einer erklären, wie viel Räuberpistole dieser Aufschrei ist? Bin überrascht, wie selbst Anne Will Nouripour im Stil einer Investigativjournalistin angeht.

Die Diskussion klingt irgendwie, als sei die Wärmepumpe an sich bisher eine völlig marktferne Kopfgeburt. Warum lassen sich denn bisher Leute Wärmepumpen einbauen: Nur um den Planeten zu retten?
Afaik sind die im Verbrauch billiger und der Preis für fossile Brennstoffe wird ja drastisch ansteigen. In der Sendung wurde als Kostenbeispiel afair 10k vs. 25k für neue Gasheizung vs. Wärmepumpe genannt.
Das sind dem Anschein nach doch Summen, wo man - mit etwas staatlicher Förderung für Leute, die es brauchen - auf einen Zeithorizont von 10 oder 20 Jahren das Kostendelta kompensieren oder sogar überkompensieren können sollte. Den finanziellen Ruin für breite Teile der Bevölkerung sehe ich jedenfalls nicht.

Klar sind Kapazitäten bei Industrie und Handwerk auch ein Thema. Aber alte Heizungen haben jetzt ja nicht zu einem Stichtag alle nen Totalschaden, so dass die von heute auf morgen ersetzt werden müssen oder Leute frieren. Und ne Gasheizung baut sich ja auch nicht von selbst ein.

[Edit2]
Mich erinnert die Diskussion doch sehr an Verbrenner vs. E-Fuels: Die einen krähen nach Technologieoffenheit und malen hübsche Bilder von klimaneutralem Wasserstoff aus der Wüste, der dann irgendwann über die LNG-Terminals hier eintreffen soll, um die Wasserstoffheizungen zu befeuern. Nur wann soll das passieren?
Wärmepumpen sind energieeffizient, sie sind unabhängig von Wüstenstaaten und vor allem sind sie zu kompetitiven Preisen verfügbar.
Ich versteh nicht, wie man so darauf pochen kann, dass "beides ne Rolle spielen wird", wenn es darum geht, was Stand heute die beste Investition ist. Wenn Wasserstoff in x Jahren ein Thema ist und sich Wasserstoffheizungen rechnen, kann man doch gern anfangen die zu verbauen, aber jetzt spekulativ erstmal weiter Gasheizungen zu verbauen, damit es dann in 10 oder 20 Jahren einen Markt für grünen Wasserstoff gibt, bei dem völlig in den Sternen steht, ob er jemals nennenswerten Vorteile gegenüber Wärmepumpen bringen wird, scheint mir recht traumtänzerisch.
 
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Thema Verkehr:
Tritt da eigentlich jemand für einen Mittelweg ein zwischen "Inlandsflugverbot" und "nichts"?

Bspw könnte man Flüge ja stärker besteuern und (jaja ich weiß, Steuern sind nicht zweckgebunden) proportional Bahntickets günstiger machen, zumindest auf nicht ausgelasteten Strecken/Zeiten.
 

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Benrath

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Glaub das mit dem Tickets günstiger machen ist wegen Subventionsrecht nicht so einfach, weil Wettbewerbsverzerrung.
Gibt aktuell schon Maßnahmen die die Trassenpreiszahlungen der Eisenbahnverkehrsunternehmen stark reduzieren.
Mwstsatz wurde afaik schon auf 7 % gesenkt.

CO 2 von FLügen stärker besteuern oder generell Inlandsflüge besteuern wäre machbar.
Afaik ist der Flugsektor aus dem Emissionshandel ausgenommen...
 

Benrath

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Axo dachte die wären noch draußen. Außereuropäisch ist nicht dabei
 

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Wenn man den Aluhut absetzt, kommt man doch kaum umhin, dass die EU das Beste ist, was der Demokratie passieren kann: Das Parlament ist demokratisch gut genug legitimiert, dass sich die groben Zielvorstellungen der Bevölkerung widerspiegeln, hat aber genug Beinfreiheit, um die Umsetzung technokratisch zu forcieren, ohne den Michel mit der Mistgabel fürchten zu müssen.


Sehe ich generell auch so. Allerdings ist sie auch voller Konstruktionsfehler. Generell erscheint mir in eine (sicher auch aus der Zeit der Gründung zu erklärende) naive Marktgläubigkeit zu herrschen, in der man gar keine wirklichen demokratischen Instrumente bräuchte, weil die Marktkräfte schon die Wirtschaftspolitik liberalisieren und eine liberale Gesellschaftspolitik daraus schon folgen würde. Letzteres muss man heute wohl als gescheiterte Idee bezeichnen. Ersteres stimmte auch nur bis zu einem gewissen Grad und sah in der Hochzeit der Liberalisierung in den 80ern und 90ern dann doch einladender aus, als es tatsächlich ist. Was man auch so überhaupt nicht auf dem Schirm hatte war dass die EU als Markt schlicht nicht so wichtig ist, dass man reziproke Handelspolitik erzwingen könnte, was jetzt alles erst wieder langsam aufgerollt werden muss. Um nur mal auf das Thema hier zu schauen: China hat die EU komplett am Sack, wenn sie das mit der Verwirklichung der Klimaziele ernst meint.

Insgesamt ist sie natürlich ein net benefit, aber vieles würde man heute wohl nicht mehr so machen. Dummerweise würde man, wenn man sie heute neugründen wollte, vermutlich nur etwas noch deutlich Schlechteres hinbekommen. :mond:


Mich erinnert die Diskussion doch sehr an Verbrenner vs. E-Fuels: Die einen krähen nach Technologieoffenheit und malen hübsche Bilder von klimaneutralem Wasserstoff aus der Wüste, der dann irgendwann über die LNG-Terminals hier eintreffen soll, um die Wasserstoffheizungen zu befeuern. Nur wann soll das passieren?
Wärmepumpen sind energieeffizient, sie sind unabhängig von Wüstenstaaten und vor allem sind sie zu kompetitiven Preisen verfügbar.
Ich versteh nicht, wie man so darauf pochen kann, dass "beides ne Rolle spielen wird", wenn es darum geht, was Stand heute die beste Investition ist. Wenn Wasserstoff in x Jahren ein Thema ist und sich Wasserstoffheizungen rechnen, kann man doch gern anfangen die zu verbauen, aber jetzt spekulativ erstmal weiter Gasheizungen zu verbauen, damit es dann in 10 oder 20 Jahren einen Markt für grünen Wasserstoff gibt, bei dem völlig in den Sternen steht, ob er jemals nennenswerten Vorteile gegenüber Wärmepumpen bringen wird, scheint mir recht traumtänzerisch.

Ich habe gestern Markus Lanz gesehen und die Diskussion da, insbesondere Julia Löhr von der FAZ, war total symptomatisch für das Problem: Da wird die ganze Zeit von "die Bevölkerung mitnehmen" gesprochen, als ob man nur ein bisschen besser erklären müsste was das Problem ist. Ich meine das kann man ja alles gerne probieren, aber letztendlich wird es immer darauf hinauslaufen, dass heute hohe Investitionen getätigt werden müssen, die sich über die lange Frist rechtfertigen. Ich sehe da in der Ausgestaltung eigentlich fast keinen Spielraum: Wenn die allermeisten Häuser umgerüstet werden müssen, dann muss der Staat die Leute, die sich das selbst leisten können, dazu verpflichten, das zu tun und dem Rest muss er mit einer Kombination aus Fördermittel und Darlehen helfen, es zu tun. Alle Parameter, an denen man sonst rumspielen könnte, würden auf die eine oder andere Form darauf hinauslaufen, dass man an den Zielen Abstriche machen müsste. Es ist klar dass jedes Jahr so viel Nachfrage geschaffen werden muss, dass die aktuellen Kapazitäten für Wärmepumpen jedes Jahr ausgereizt werden und perspektivisch mehr Kapazitäten aufgebaut werden.

Das war btw auch, worauf ich bei den Grünen und ihren Forderungen innerhalb der Koalition hinaus wollte: In der Sendung wurde über das Thema immer noch so gesprochen, als sei das alles eine Option, kann man halt machen oder nicht, je nachdem ob einem das Wert ist. So wird das Problem halt im Leben nicht gelöst, weil es am Ende immer politisches Kapital verspricht, sich als Schutzmacht derjenigen zu gerieren, die diese Veränderungen nicht mitmachen wollen oder sie sich nicht eigenständig leisten können. Wenn sich die Grünen nicht an den Mast binden wird es am Ende doch nur wieder auf das alte Spiel hinauslaufen, das die Union mehr als ein Jahrzehnt gespielt hat: Klimaschutz bitte, aber nicht zu schnell und niemandem darf es deshalb schlechter gehen.
 
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Sehe ich generell auch so. Allerdings ist sie auch voller Konstruktionsfehler. Generell erscheint mir in eine (sicher auch aus der Zeit der Gründung zu erklärende) naive Marktgläubigkeit zu herrschen, in der man gar keine wirklichen demokratischen Instrumente bräuchte, weil die Marktkräfte schon die Wirtschaftspolitik liberalisieren und eine liberale Gesellschaftspolitik daraus schon folgen würde. Letzteres muss man heute wohl als gescheiterte Idee bezeichnen. Ersteres stimmte auch nur bis zu einem gewissen Grad und sah in der Hochzeit der Liberalisierung in den 80ern und 90ern dann doch einladender aus, als es tatsächlich ist. Was man auch so überhaupt nicht auf dem Schirm hatte war dass die EU als Markt schlicht nicht so wichtig ist, dass man reziproke Handelspolitik erzwingen könnte, was jetzt alles erst wieder langsam aufgerollt werden muss. Um nur mal auf das Thema hier zu schauen: China hat die EU komplett am Sack, wenn sie das mit der Verwirklichung der Klimaziele ernst meint.
Ich sehe (glaube ich) abstrakt, was du meinst - diese EU-Kritik ist ja recht geläufig. Ich muss allerdings zugeben, dass mir spontan wenig Beispiele für konkrete Policy einfallen, wo man mit anderem Paradigma was ganz anders machen würde. Kannst du paar Beispiele bringen? Meinst du marktgläubig eher nach innen, nach außen oder beides?
 
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Könnte schon hinkommen. Die Frage ist, ob man für die nötige Energieeffizienzklasse, die vorgeschrieben ist, bspw die Fußbodenheizung braucht.

Und sie brauchen ja eh eine neue Therme. Sonst könnte er ja auch Gas + gut gedämmt behalten. Diese Option hätte er ja auch jetzt noch.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Gibt übrigens, wie der Artikel erwähnt, auch eine EU-Definition davon, wie man die Zinslast berechnet. Da sehen die zu zahlenden Zinsen wenig überraschend komplett anders aus: In den vergangenen Jahren nicht so niedrig und in den nächsten Jahren ohne rasanten Anstieg.


Schon ziemlich frappierend, dass die deutsche Presse Lindners Erzählung von der "Verzehnfachung" der Zinslast innerhalb von zwei Jahren so bereitwillig übernimmt. Andererseits kann man in Deutschland auch immer noch sagen, Deutschland sei laut OECD ein "Höchststeuerland."

Ich sehe (glaube ich) abstrakt, was du meinst - diese EU-Kritik ist ja recht geläufig. Ich muss allerdings zugeben, dass mir spontan wenig Beispiele für konkrete Policy einfallen, wo man mit anderem Paradigma was ganz anders machen würde. Kannst du paar Beispiele bringen? Meinst du marktgläubig eher nach innen, nach außen oder beides?


Fritz Scharpf hat das vielfach relativ gut beschrieben: https://pure.mpg.de/rest/items/item_1231981/component/file_1837219/content

Es geht weniger darum, was die EU aktiv tut, denn dafür braucht sie immer die Zustimmung der Länder. Es geht eher darum, was für Regelungen sie untersagt und das können unter Umständen die Kommissare und/oder der EuGH alleine entscheiden.
 
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parats'

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Mit top in Schuss meint er wahrscheinlich die Bausubstanz bei fast 100j. Energetisch dürfte das Ding in der Tat eine Katastrophe sein. Eine Fußbodenheizung ist natürlich nicht nötig. Ist zwar mit das effizienteste, aber die EU sieht beim Mindeststandard ein D vor. Das sollte mit Dämmung und Wärmepumpe wahrscheinlich schon machbar sein.
 
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Mein Haus aus den 60ern ist nicht super gedämmt. Wir heizen bisher recht sparsam mit einer Ölheizung aus 2010. Wenn die kaputt geht, will ich nicht mein Haus komplett dämmen müssen, damit eine Wärmepumpe möglich ist (klar einbauen kann man die immer, macht halt keinen Sinn). Fußbodenheizung haben wir nicht. Vor 4 Jahren habe ich mir ein Angebot geholt fürs Dämmen der Außenwände, 60k. Kann man jetzt sicher mindestens 50% aufschlagen. Finanziell lohnend wird das für mich nicht mehr.

Ich hoffe, dass die Heizung noch ein paar Jahre läuft und es bis dahin gescheihte andere Optionen gibt (bessere Wärmepumpen oder was auch immer)
 
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Finanziell lohnend wäre es in der Tat oft nur, wenn man Energie viel teurer macht.

Aber vermutlich wirst du früher oder später nicht um eine Dämmung herum kommen. Sei es wegen steigender Energiepreise oder wegen regulatorischer Anforderungen.
 

Das Schaf

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Wir wohnen ja zur Miete in einem EFH. Im Ölkeller hängt eine Auflistung was die früher eingekauft haben an Öl und an welchem Datum...
Die haben zwischen 4500 und 5000 Liter öl pro Jahr (!!!) Gekauft
Jetzt stellen wir uns das einfach Mal vor für den Ölpreis von letzten Jahr (wir haben gekauft bei 160)
Dann amortisiert sich eine Dämmung doch relativ flott :deliver:
 

parats'

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Ich hoffe, dass die Heizung noch ein paar Jahre läuft und es bis dahin gescheihte andere Optionen gibt (bessere Wärmepumpen oder was auch immer)
Du könntest auch erstmal nur partiell dämmen. Also Kellerdecke und Dach und die Fassade später. Es ist selten erforderlich einfach alles zu machen. Vor allem wenn es keine Synergien gibt. Früher hat man gerne Fenster vor der Fassade getauscht, was heute gerade im Altbau nicht mehr der Standard ist. Fenster bringen dir zwar quick wins, aber dafür hast du andere Probleme, wenn die Raumgestaltung ungünstig ist.

So prinzipiell verstehe ich diese Haltung aber nicht. Dein Haus wird mit jedem Jahr weniger Wert, weil die Bausubstanz einfach schlechter wird. Wenn du also energetisch sanierst, dann verbessert sich erstmal der nackte Wert und im long run sparst du eine Menge an Nebenkosten. Ja, die Anschubfinanzierung ist manchmal echt nicht ohne. Aber es ist auch nicht so, als ob der Staat dir keine Brücken bauen würde.
Der Staat ermöglicht dir 20% der Kosten bei Selbstnutzung über die Steuer reinzuholen. Dazu gibt es KfW Kredite (allerdings ein enger Rahmen) und Förderprogramme.
 

Gustavo

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Dazu gibt es KfW Kredite (allerdings ein enger Rahmen) und Förderprogramme.


Das wäre imho da, wo die Politik ansetzen sollte, wenn man wirklich will dass selbst die finanzschwächsten Hausbesitzer da mitmachen können. Im Zweifelsfall soll halt die KfW das Geld geben und dafür Anteile an der Immobilie erwerben und den Nutzern im Gegenzug Nießbrauch einrichten, wenn man so dringend Rentner schützen will.
 
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Mein Haus aus den 60ern ist nicht super gedämmt. Wir heizen bisher recht sparsam mit einer Ölheizung aus 2010. Wenn die kaputt geht, will ich nicht mein Haus komplett dämmen müssen, damit eine Wärmepumpe möglich ist (klar einbauen kann man die immer, macht halt keinen Sinn). Fußbodenheizung haben wir nicht. Vor 4 Jahren habe ich mir ein Angebot geholt fürs Dämmen der Außenwände, 60k. Kann man jetzt sicher mindestens 50% aufschlagen. Finanziell lohnend wird das für mich nicht mehr.

Ich hoffe, dass die Heizung noch ein paar Jahre läuft und es bis dahin gescheihte andere Optionen gibt (bessere Wärmepumpen oder was auch immer)
Die 60k kommen mir extrem hoch vor - wir haben hier eine Einblasdämmung, die hat ein Freund bei sich auch machen lassen. Das hat <10k gekostet, ich meine sogar <5k. Vielleicht als Alternative?
 
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Die 60k kommen mir extrem hoch vor - wir haben hier eine Einblasdämmung, die hat ein Freund bei sich auch machen lassen. Das hat <10k gekostet, ich meine sogar <5k. Vielleicht als Alternative?
Geht bei meinem Mauerwerk leider nicht.
 

parats'

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Die 60k kommen mir extrem hoch vor - wir haben hier eine Einblasdämmung, die hat ein Freund bei sich auch machen lassen. Das hat <10k gekostet, ich meine sogar <5k. Vielleicht als Alternative?
Mh, finde ich nicht. Je nach Bausubstanz und Umfang kann das schon teuer werden. Das Problem ist wie so oft, dass jedes Haus ein bisschen individuell ist und es keine one size fits all Lösung gibt. Es deshalb aber zu lassen ist kein Automatismus. Am Ende muss jeder seine individuelle Belastung selbst bestimmen und kennt diese am Besten. Von daher no offense, wenn man da für sich wenig Spielraum sieht.
 
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Das wäre imho da, wo die Politik ansetzen sollte, wenn man wirklich will dass selbst die finanzschwächsten Hausbesitzer da mitmachen können. Im Zweifelsfall soll halt die KfW das Geld geben und dafür Anteile an der Immobilie erwerben und den Nutzern im Gegenzug Nießbrauch einrichten, wenn man so dringend Rentner schützen will.
Warum macht man es nicht bei Unternehmen und der Erbschaftssteuer so?
 
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Dämmung ist halt so ziemlich das beste, was man fürs Klima machen kann. Egal wie "grün" die eingesetzte Energie ist: die Energie gar nicht erst zu brauchen ist noch besser.
 
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Stimmt, alles ist besser als Wärmepumpe.

Ich finde es Wahnsinn bei unserer desaströsen Energiepolitik mit Strom zu heizen. Dann bauen die Leute für zehntausende von Euro eine Wärmepumpe ein, reduzieren ihren Energieverbrauch um ca. 30 % und haben am Ende trotzdem höhere laufende Kosten, weil unser beschissener Strompreis so hoch ist :8[:

Bei mir aktuell
Strom 32 Cent/kwh
Gas 10 Cent/kwh

Die behinderte Wärmepumpe müsste alleinemehr als 2/3 der Energie einsparen, um mit der Gasheizung mithalten zu können. In der Regel wird sie ja durch die Gesamteinsparungen schöngerechnet.
Am klügsten ist es sein Haus gut zu dämmen und schön mit Gas zu heizen.
 

Benrath

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Ich hätte ja gesagt dass es langfristig clever ist mit Strom zu heizen der durch EE erzeugt wird und keine Grenzkosten hat.

Dachte der Wirkungsgrad der Dinger ist schon besser und auch die möglichen Temperaturen werden besser.

An sich ist es doppelt besser weil man nicht unnötige Infrastruktur für die Lieferung oder lagerung braucht. Strom braucht man immer
 

Shihatsu

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Hab Gas-Wärme Hybrid. Sobald es draußen kälter als 5 Grad ist wird in Gas only geschaltet. Komplett ungedämmt.
Next up: Dämmung mit KfW Bezuschussung. Danach Solar aufs Dach, ebenfalls wieder KfW.
Alles in allem wird mich das schnuckelige 80k kosten.
Und da frag ich mich: Was machen Leute die sich das nicht leisten können?
Diese Welt gehört verbrannt...
 
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