Gustavo
Doppelspitze 2019
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Was ich gesehen habe ist dass die Betting Markets nach der Debatte schneller runtergingen als während der Debatte. Ganz offensichtlich ist die Medienreaktion ein riesiges Problem für Biden. Das Biden-Camp sagt er wird nicht aussteigen und plant sogar eine zweite Debatte im September (allerdings völlig unklar, ob Trump zusagen würde, wenn die Polls für ihn gut aussehen). Momentan würde ich sagen die Chance ist weiterhin ziemlich gut, dass der Kandidat im November Joe Biden heißt, außer Biden zieht freiwillig zurück. Wie wahrscheinlich das ist ist glaube ich nichts, was man realistisch vorhersagen kann, außer man Insider-Infos.
Ein weiteres Problem wäre auch, dass überhaupt nicht klar ist wer ihn ersetzen könnte. Demokratisch legitimiert wäre natürlich erst mal niemand, denn es gab ja de facto keine kompetitiven Vorwahlen bei den Demokraten. Irgendwer außer einen der offensichtlichen Kandidaten zu nehmen sähe aus wie ein Verzweiflungsmove und wäre der Öffentlichkeit vermutlich auch nicht vermittelbar. Die besten Aussichten hätten wohl die Gouverneure (Newsom, Pritzker oder Whitmer), das würde die Demokraten aber sofort in Erklärungsnot bringen, warum sie mit Kamala eine Kandidatin übergehen, die so ziemlich alle demografischen Merkmale vereint bei denen die Demokraten überdurchschnittlich performen. Gleichzeitig ist jedem in der Partei klar dass Kamala unbeliebt ist und für Trump eine ziemlich ideale Zielscheibe. Ich vermute der optimale Pfad wäre dass sowohl Biden als auch Kamala freiwillig verzichten.
Erster Teil war richtig, beim zweiten bin ich dann doch überrascht, wie schnell und eindeutig man sich auf Kamala Harris geeinigt hat. Letzten Endes war die Panik bei den Demokraten offensichtlich so groß, dass die demokratische Legitimation des Kandidaten (ob jetzt Biden oder jemand anders) deutlich weniger interessant war als die schnelle Koordination auf jemanden anderes. Da bot Harris dann doch den einfachsten Weg, weil sie bereits VP war, sicher an das Geld der Kampagne kommt und es vergleichsweise doch einfacher ist, den Übergang auf Kamala zu rechtferigen, weil sie ja auch wieder angetreten wäre, als auf einen von mehreren möglichen Gouverneuren. Jetzt hat Kamala effektiv die Kandidatur nach einem Tag sicher, jeder weitere Artikel darüber ob es jemand anders werden könnte ist absolute Zeitverschwendung.
Interessant wird jetzt sein, wie die Öffentlichkeit sie wahrnimmt. Ich habe sie im Vorwahlkampf für 2020 als eher (okay, sehr) untalentierte Politikerin wahrgenommen und einige der Sachen die sie so sagt und tut sind ... irgendwie strange. Nicht politisch strange, sondern einfach als Person. Aber das vergleichsweise gute an Kamala ist, dass das eher das Bild von Leuten ist, die "terminally online" sind wie ich. Für den durchschnittlichen Wähler, der von Politik so ziemlich gar keine Ahnung hat (und diese Wahl, wie jede Wahl, entscheiden wird) gibt es glaube ich immer noch eine ganz gute Chance, Kamala zu präsentieren. Wenn sie es jetzt schafft nicht ihre Dr. Hibbert-Lache zu machen und zu wirken als hätte sie zu jederzeit ein paar Xanax geworfen hat sie glaube ich gar keine so schlechte Chance. In meinen Augen wäre es auch nicht schlecht, NICHT auf eine "schützt die Demokratie"-Kampagne zu setzen: Das gab es schon. Zu Trump hat nun wirklich jeder eine Meinung. Wer bisher nicht davon überzeugt war, wird jetzt auch nicht überzeugt sein. Im Gegensatz zu allen anderen Kandidaten, die für die Partei antreten, die aktuell schon den Präsidenten stellt, geht Harris auch nicht mit dem Malus ins Rennen, sich sagen lassen zu müssen "wenn das so toll ist, warum habt ihr es nicht schon gemacht?", weil sie mit Trump gegen jemanden antritt, der bereits Präsident war. Die wirtschaftlichen Zahlen sind wie gesagt nicht so schlecht, Bidens größtes Problem war weniger seine Performance als sein Alter.