Gustavo
Doppelspitze 2019
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Vielleicht reden wir aneinander vorbei, aber genau das meine ich doch? Ob jemand bei P90 2x so viel verdient wie jemand in P10 ist eine Detailfrage. Die darüberstehende Frage ist: warum ist es überhaupt wichtig, wie das Verhältnis des Verdienstes ist? Welches Ziel verfolgen wir, wenn wir die Frage betrachten? Ich sage, wie gesagt, nicht, dass ich die absolute Antwort darauf habe, was genau das übergelagerte Ziel ist. Aber es scheint mir eben nicht völlig beliebig zu sein, sonst wäre etwa Vermögensverteilung nicht seit Jahrhunderten Thema der Politik.
Na ja, der darunter liegende Wert ist halt das Einkommen, das ein proxy für vieles ist, was wir in unserer Gesellschaft zu verteilen haben. Geld ist natürlich nicht das einzige Mittel, wir verteilen auch andere Sachen, denen man schwer einen Geldwert zuteilen kann (Rechte, Sicherheit, Respekt usw. usf), aber das ist genau die Verteilungsfrage: Wir verteilen größtenteils Güter unter Bedingungen der Knappheit, d.h. müssen wir uns darauf einigen wer was verdient.
Oder anders gesagt, es ist ziemlich schwer zu definieren, was "obejktiv" wertvolle politische Ziele sind. Es scheint aber relativ einfach zu sein diese negativ zu formulieren. Wenn das aber möglich ist, muss es auf der anderen Spiegelseite auch eine Nährung an eine positive Formulierung geben.
Ok, lass es mich nochmal anders versuchen, vielleicht wird dann klarer was ich meine. Wenn wir jetzt eine fiktive Ordnung annehmen, in der die reichsten 10% alles haben und die anderen 90% ihre Sklaven sind, dann wirkt sich das natürlich darauf aus, was wir zu verteilen haben. Ein solcher Staat wird es aus eigener Kraft nicht zu nennenswertem Wohlstand bringen, weil die Anreize für einen so großen Teil der Bevölkerung sehr niedrig sind, dass sie niemals in ihr Humankapital investieren werden, nur um sich noch effektiver ausbeuten zu lassen. D.h. in dem Fall könnte man mit einem gleicheren Verteilungssystem mehr Wohlstand schaffen und prinzipiell könnte jeder besser gestellt werden. Aber über solche Gesellschaften lohnt es sich nicht wirklich nachzudenken, eben weil sie in einer funktionierenden Demokratie a priori ausgeschlossen sind, denn dann müsste die Mehrheit für ihre eigene Versklavung stimmen.
Nun hat aber die Forschung gezeigt, dass es viele funktionierende Wirtschaftsmodelle gibt, die modernen Wohlstand schaffen können: Das skandinavische Modell kann es, das amerikanische kann es auch. Zwischen diesen Modellen gibt es vielleicht noch marginale Unterschiede, wie viel Wohlstand sie insgesamt produzieren, aber die treten hinter die Frage zurück, wie er verteilt ist. Das ist, worüber in Demokratien gestritten wird. D
Diesen Fragen ist doch erstmal eine Fragen vorgelagert. Nämlich "wollen wir überhaupt verteilen"?
Das ist keine vorgelagerte Frage. Egal was der Staat tut, es ist immer ein Handeln. "Nicht zu verteilen" heißt nur man belässt es halt bei der Verteilung, die "der Markt" produziert. In der Realität gibt es aber halt auch keinen Markt ohne Staat. Ganz egal was der Staat macht, eins ist nicht "natürlicher" als das andere.