Präambel: Ich bin körperlich behindert und angehender Lehrer. Hatte ein gutes Abitur und auch im Studium gute Noten. Komme aus Bayern. Werde nach dem Referendariat voraussichtlich auswandern.
Zum Abitur: Das Abitur ist ein Witz. Wer sich darauf was einbildet, feiert auch Meisterschaften des FC Bayern München. Wobei der eigentliche Witz im bayerischen Schulsystem der qualifizierende Hauptschulabschluss ist. Den könnten wahrscheinlich normal intelligente Siebtklässler schon hinkriegen, wenn man sie ließe.
Ich will Lehrer sein, weil...
1. Ich denke, dass ich es besser machen kann als der Durchschnitt.
2. Ich tatsächlich Freude daran habe, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten und denen was beizubringen.
3. Ich kein Interesse daran habe, meine Arbeitskraft dem freien Markt zur Verfügung zu stellen. Wäre ja noch schöner.
Einige Anmerkungen:
- Inklusion von körperlich behinderten Kindern klappt einigermaßen, die von geistig behinderten (das fängt imho schon weit vor der amtlichen Feststellung einer Behinderung an) weniger. Hauptgrund dafür ist schlicht, dass es an Personal und Geld mangelt. Stichworte: Lernumgebung, Klassengröße. Wenn vorne ein Typ steht, und sich 6 Kinder nicht mal 5 Minuten auf irgendetwas konzentrieren können, während die anderen 20 zwischen Lethargie und Wochendendplanung changieren, ist das für den Typen da vorne auf jeden Fall ziemlich stressig.
- Ich bin eigentlich ein zurückhaltender Mensch, als Lehrer jedoch ziemlich auf Struktur bedacht. Heißt jetzt nicht, dass ich rumbrülle, aber eben klare Regeln formuliere und deren Einhaltung verlange. Das ist natürlich mit "Problemschülern" oft schwierig. Ne dicke Haut sollte man auf jeden Fall mitbringen, ansonsten ist man am falschen Ort. Entscheidend ist, dass man den Kindern verständlich macht, was sie da eigentlich in der Schule lernen. Viele Lehrer spulen halt ihr Programm ab und wundern sich dann, wenn ihnen die Kinder auf den Kopf scheißen.
- Manchmal sind Kinder großartig, manchmal echt furchtbar. Vor allem kommen viele der schwierigen Schüler aus Umfeldern, die zum Davonlaufen sind. "Bildungsfern" wäre da noch ein Euphemismus.
- Schule ist in erster Linie ein soziales Biotop. Da prallen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander, und dass das nicht reibungsfrei passiert, ist logisch. Aus meiner bisherigen Erfahrung (die ist natürlich gering), kann ich sagen, dass die meisten Kinder durchaus was lernen wollen. Nur wird ihnen das von den Eltern, ihrem Umfeld und auch der Schule alles andere als leicht gemacht. Allein, was man als Lehrer mit den Eltern mitmacht, ist absurd. Manchen sind ihre Kinder scheißegal, andere kommen dagegen bei ner 3 angerannt, weil ihr Kind niemals eine 3 schreiben würde usw. Das Hauptproblem ist, dass sich alle gegenseitig die Schuld zuschieben, während es im Bildungssystem schrittweise bergab geht.
- Bildung bedeutet für mich, dass die Kinder lernen, ihr Hirn zu benutzen. Egal ob beim Bestellen eines neuen Smartphones oder der Karriere-Entscheidung. Viele Jugendliche sind mit 16 schon so erschreckend abgestumpft, dass es echt wehtut. Da kommen viele tolle hirnlose Arbeitsbienen aus den Schulen.
Edit:
- Das dreigliedrige System ist Mist. Wie oben schon angedeutet, ist die Lücke zwischen Gymasiasten/Realschülern und Hauptschülern (Mittelschülern im Neusprech) gigantisch. Zwischen RS und GY sind die Unterschiede gar nicht mal so riesig, was v.a. daran liegt, das ein Zehntklässler von der RS ja auch in der Lage dazu sein soll, das Fachabitur zu machen. Auf dem Papier sollen das Mittelschüler (6-stufige HS) auch können, wenn man sich dann aber mal die HS-Lehrpläne anschaut, fragt man sich, ob die Kinder dort wirklich alle so blöd sind, oder nur von der Schule blöd gemacht werden.
Meiner Meinung nach müssen die Hauptschulen weg und das Abitur aufgewertet werden. Heißt: Weniger Abiturienten bei gleichzeitiger Aufwertung des mittleren Schulabschlusses und verbesserten Chancen, nach einer Berufsausbildung noch den akademischen Weg zu gehen.