Inwiefern ist investieren eigentlich sinnvoll? M.W.n. ist es doch so, dass man den zeitlichen Verlauf von Finanzwerten nicht vorhersagen kann. Wäre dem so, dann macht investieren in dem Sinne keinen Sinn, dass die Gewinnerwartung Null sein dürfte (also entsteht auch kein Verlust - ggf. ist er aber doch positiv? Nach unten ist ein Verlust ja meist begrenzt).
Also etwas formaler: Gegeben eine Geldmenge G. Gibt es eine Investionsstrategie I'(G) aus der Menge {I|I ist Investitionsstrategie} aller Invesitionsstrategien, so dass der Profit P(I') größer ist als der Profit P(I) für alle anderen Investitionsstrategien? Unter Investitionsstragegie verstehe ich jede Art der Geldanlage, z.B. Hauskauf, Geld auf Tagesgeldkonte/unter der Matratze, Aktien usw usf.
Wirkt alles wie Glücksspiel (gegen das ich nichts habe) auf mich (mit typischerweise neutralem oder negativen Erwartungswert). Wenn es Glücksspiel sein sollte, wieso sollte man dann investieren?
Deine Überlegungen gehen in die richtige Richtung.
Das klassische Finanzmarktmodell beschreibt den Wertverlauf eines Portfolios als Brownian Motion.
Die BM ist ein Martingal, also im Wesentlichen ein faires Glücksspiel: Der bedingte Erwartungswert meines Gewinns gegeben der Informationen, die ich habe, entspricht meinem Einsatz. Man kann sogar zeigen, dass es unter gewissen Bedingungen keine Strategie gibt, mit der man so ein faires Spiel in ein unfaires verwandeln kann (siehe z.B. Optional Stopping Theorem).
Der Grund, weshalb die BM zu dieser Klasse von Prozessen gehört, ist ganz einfach, dass sie unabhängige, normaleverteilte Zuwächse mit Erwartungswert 0 hat. Diese Eigenschaften charakterisieren sie auch schon beinahe vollständig. Wenn der EW ungleich 0 ist, dann hat der Prozess einen Drift und ist kein Martingal mehr.
Für den Wertverlauf eines einzelnen Assets wäre eine BM ohne Drift keine vernünftige Anahme, denn dann wäre die erwartete Wertsteigerung etwa einer Aktie 0.
Der Erwartungswert allein ist aber kein sinnvoller Maßstab für den Wert eines Assets. Bei identischem Erwartungswert des Gewinns sollte der Preis vom Risiko, also der Varianz abhängen. Man unterstellt Teilnehmern am Finanzmarkt Risikoaversion, so dass mehr Risiko bei gegebenem Erwartungswert einen höheren Preis rechtfertigt.
Eine Aktie birgt ein Verlustrisiko: Der Kurs kann fallen, sogar dauerhaft auf null. Für dieses Risiko erwartet der Anleger eine Prämie.
Zudem beinhalten übliche Marktmodelle eine risikolose verzinsliche Anleihe.
Um den Wertverlauf eines Portfolios zu bewerten, wird man ihn um den Wertverlauf dieser risikolosen Anleihe diskontieren: Man möchte nicht nur Gewinn, sondern mehr Gewinn, als wenn man das Geld ohne Risiko anlegt.
Es gibt einen bemerkenswerten mathematischen Zusammenhang zwischen der Abwesenheit von risikolosem (diskontierten) Gewinn und der Existenz einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, unter der die (diskontierte) Wertentwicklung jedes Assets ein Martingal ist: So eine Verteilung existiert genau dann, wenn eine risikoloser Gewinn ausgeschlossen ist. Das ist die Arbitragefreiheit und diese Verteilung nennt man ein Martingalmaß.
Unter gewissen Bedingungen ist dieses Martingalmaß sogar eindeutig bestimmt. In diesem Fall existiert für jedes Asset ein fairer Preis: Der unter dem Martingalmaß erwartete Gewinn gewichtet mit dem Diskontierungsfaktor.
Zu der Frage, ob und wann sich investieren lohnt, können andere Leute hier sicher mehr sagen.
Prinzipiell lohnt sich eine Investition, wenn das persönliche Risiko klein ist. Das kann z.B. der Fall sein, wenn im Asset das Risiko eines kurzfristigen Wertfalls eingepreist ist, mich das aber gar nicht interessiert, weil mein Anlagehorizont 20 oder 30 Jahre beträgt.
Außerdem stellt sich in der Praxis ja nicht die Frage: Investieren oder nicht, sondern worein investier ichs bzw. wofür geb ichs aus?