Ich widerspreche dir da mal ganz gewaltig, habe aber eigentlich keinen Bock dieses riesige Thema hier auszuwalzen.
FÜR Deutschland haben die Alliierten auf gar keinen Fall gekämpft, dieser Gedankengang ist völlig absurd. Es wurde kein einziger Soldat geschickt, um zu helfen oder Deutschland von seiner Regierung zu "befreien", sondern es ging einzig und alleine daraum den Machtfaktor Deutschland auszuschalten. Und ein Graf von Stauffenberg wollte ganz sicher alles andere als ein Kriegsende mit Millionen deutschen zivilen Opfern, der größten ethnischen Säuberung der Geschichte und der Zerstückelung des Landes erreichen. Das Ziel der Verschwörer war vor allem das Deutsche Reich zu erhalten UND ein moralisches Zeichen zu setzen. Daraus die Übereinstimmung der Ziele der Verschwörer mit den Alliierten zu konstruieren ist mehr als gewagt.
Zu Stauffenberg: Was Stauffenberg wollte ist egal, als Vorbild taugt er ob seiner zweifelhaften Gesinnung sowieso nicht und seine Glorifizierung in der BRD war immer mehr Mittel zum Zweck. Es geht darum, was die tatsächlichen Auswirkungen seines Handelns gewesen wären.
Zum Rest: Mit dem Standpunkt stehst du intellektuell völlig auf verlorenem Posten. Wir WISSEN wie der Krieg endete und was die Folgen für die Bevölkerung waren und da kann man, in Anbetracht dessen, wie sich Deutschland im Krieg verhalten hat, nur größten Respekt vor drei der vier Alliierten haben. Ich habe explizit selbst gesagt, dass die hauptsächliche Intention dahinter keineswegs humanitär war, aber es ist völlig offensichtlich, dass den Alliierten das Wohl der Bevölkerung wichtiger war als der deutschen Regierung, die ja überhaupt den Krieg so hat enden lassen wie er endete. Niemand hat Hitler gezwungen bis zur unbedingten Kapitulation kämpfen zu lassen, insofern dürften von diesen "Millionen" (wir reden übrigens von 1,7 Millionen zivilen Opfern
über den gesamten Kriegsverlauf) ein nicht unbeträchtlicher Teil auf Kosten der eigenen Regierung gehen; wie viele Soldaten unnötig gestorben sind, weil weitergekämpft wurde, obwohl der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, ist nicht ohne weiteres klar, aber die Zahl dürfte ebenfalls in den Millionen liegen. Wenn du daneben die Todesquoten deutscher Kriegsgefangener legst, ist das imho extrem frappierend.
Ansonsten Raute an syzygy: Wir wissen nicht was passiert wäre. Eines muss man berücksichtigen, dass bei der Bewertung des 3. Reiches in Deutschland leider nie betrachtet wird. Aus der Binnenperspektive waren die Leute sehr zufrieden mit der Regierung. Was damals wirtschaftlich und sozialpolitisch geleistet wurde ist erstaunlich, der Lebensstandard und die Wirtschaftsleistung haben sich im dritten Reich so stark entwickelt wie zu den besten Zeiten des Wirtschaftswunders, dazu war Deutschland wieder ein starkes Land und politisch geeint (nicht so wie wir das heute als ideal beschreiben würden, aber im Vergleich zu den Verhältnissen der Weimarer Republik mit Unsicherheit und Straßenkämpfen ein großer Fortschritt). Man konnte in Deutschland, wenn man nicht das politisch in der falschen Richtung aktiv oder Jude war sehr, sehr gut leben. Es ist ja kein Zufall gewesen, dass das ganze Volk Hitler so weit gefolgt ist und so viel Vertrauen zu der Führung da war.
Na ja, das ist dann doch eine etwas rosige Sicht auf die "wirtschaftliche und sozialpolitische" Entwicklung des Nationalsozialismus, insbesondere wenn man bedenkt, dass diese nur deshalb so stattgefunden hat, weil man für den Krieg aufrüsten wollte.
Zu meinem potenziellen Szenario: Nein, wir wissen nicht was passiert wäre. Aber wir wissen was für ein Regime das Dritte Reich war und daraus kann man mehrere Sachen lernen.
Erstens: Das dritte Reich hatte keine Probleme damit, seine eigenen Staatsbürger zu ermorden. Psychisch Kranke und Behinderte hätten ja nicht einfach aufgehört zu existieren, diese wären weiterhin ermordet worden; dazu wäre es auch einer nicht unbeträchtlichen Zahl innerhalb Europas geflüchteter Deutschen an den Kragen gegangen. Gleiches gilt in etwas abgeschwächter Form für Homosexuelle, politisch Andersdenkende und stark Gläubige. Diese hätten auch nach dem Krieg kurzfristig nicht einfach aufgehört zu existieren.
Zweitens: Mittelfristig sollte wirtschaftlich die komplett verquere Idee verfolgt werden, man müsse Osteuropa entvölkern, um dort Deutsche anzusiedeln (genau zu einem Zeitpunkt, als Landwirtschaft als Wirtschaftssektor vernachlässigbar wird). Das hätte sowohl zu Partisanenkämpfen als auch zu einer völlig unsinnigen Wirtschaftspolitik geführt. Inwiefern der wissenschaftliche Fortschritt behindert worden wäre ist schwierig zu sagen, aber vermutlich auch alles andere als positiv.
Drittens: Langfristig gibt es keine Präzedenz für eine Diktatur wie die Nationalsozialistische, die ohne massive Repression stabil geblieben wäre; alle totalitären Diktaturen sind entweder untergegangen (wie der Nationalsozalismus), haben sich moderiert (wie die Sovietunion) oder unterdrücken ihre Bevölkerung massiv (bspw. Nordkorea). Dass der Nationalsozialismus, nachdem er im Krieg Todeslager eingerichtet hatte, zu sanfter Repression nach Art der Islamischen Republik im Iran umschwenkt, ist zumindest relativ unwahrscheinlich und politisch nach den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs auch extrem riskant. Aus der Talsohle der Weltwirtschaftskrise einen "Zusammenhalt" herzustellen, wenn es der Bevölkerung jedes Jahr besser geht, ist die eine Sache; eine stabile Diktatur aufrecht zu erhalten ist eine ganz andere. Eine friedliche Transition erscheint unter diesen Vorzeichen EXTREM unwahrscheinlich. Und das alles sagt noch gar nichts über weitere Kriege; wir wissen was mit der BRD der Nachkriegszeit passiert ist, da dürften die Todesopfer sich die längste Zeit auf eine Handvoll deutsche Söldner beschränkt haben.
Es ist komplett bizarr zu glauben, dass es mittel- bis langfristig nicht für das deutsche Volk ein enormer Segen war, dass der Krieg verloren wurde. Den Krieg gewinnen hieße das Volk weiter in der Hand derjenigen zu lassen, die bereit waren, es untergehen zu lassen, wenn es den Krieg nicht gewinnen kann. Wie kann man ernsthaft glauben, dass das das bessere Szenario ist?