Zitat aus dem SZ.de Artikel: "Auch Sven G. ist nicht mehr nüchtern, 1,8 Promille werden später ermittelt. Es kommt zu einem Wortwechsel, Mergim S. schlägt einen Freund von Sven G. zu Boden. Dann wendet er sich an Sven G und fragt: "Was schaust du so?" Sven G. ist 1,85 groß und wiegt 95 Kilo, Mergim S. ist 1,75 und 20 Kilo leichter. Er schubst den Älteren und versucht nach ihm zu schlagen. Sven G. weicht aus, greift zum Messer und sticht es Mergim S. unvermittelt in den Hals. Der Stich geht knapp an der Halsschlagader vorbei, S. überlebt dank sofortiger Notoperation. "Nur zwei Zentimeter weiter und er wäre tot gewesen," sagt Richter Manfred Götzl."
Auch wenn die Tatumstände hier immer noch nicht vollständig dargestellt werden, kann man hiermit immerhin etwas anfangen. Nur Mergim S. wandte Gewalt an, zunächst gegenüber dem Freund von Sven G. Er schlug ihn zu Boden, was nicht soviel bedeuten muss. Die Formulierung sagt lediglich, dass der Freund infolge eines Schlages zu Boden ging. Wie hart der Schlag war oder ob der Getroffene dadurch überhaupt verletzt wurde, ist nicht ersichtlich. Dann schon wendet sich Mergim S. Sven G. zu. Es scheint ihm also nicht darauf anzukommen, seine Opfer ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Auch führt er keine Waffe bei sich, zumindest nicht für Sven G erkennbar. Hier direkt von Tötungsvorsatz auszugehen wäre fernab der allgemeinen Lebenserfahrung. Auch wenn viele hier nur die Horrormeldungen auf shortnews kennen, die allermeisten Gewaltdelikte sind leichte Körperverletzungsdelikte. Wer das nicht glauben will, sollte einfach mal zu einem Amtsgericht gehen und sich die anstehenden Verhandlungen ansehen. Je nach Einzugsgebiet sind 90% davon BtmG Delikte und §§ 223 ff StGB, Körperverletzung (in der Regel die klassische Prügelei).
Es ist zunächst eine typische Situation: "was guckst du so, dann etwas Geschubse, einige unkoordinierte Fausthiebe". Aber dann folgt die ansatzlose Reaktion von Sven G., direkt das Messer in den Hals zu stechen, nur durch NotOP überlebt Mergim S. Richtig ist wohl, dass Sven G. in Notwehr gehandelt hat. Aus Angst (er dachte an den Fall Dominik Brunner) hat er dabei die Grenzen der Notwehr verkannt und überschritten. Er hätte mit dem Messer auch zunächst Drohen können oder zumindest auf Körperteile zielen, deren Verletzung nicht unmittelbar zur Lebensgefahr führt. Wegzulaufen aus Angst, man müsse mit Rache rechnen, wäre allenfalls ein Argument, wenn es dafür konkrete Anhaltspunkte gäbe. Eine Tat wird eben nicht ausschließlich aus der Sicht des Täters (hier Sven G.) bewertet, sondern auch objektiv. Soviel zum Tatgeschehen.
Für das Gericht ist das hier eine sehr schwere Situation. Natürlich war es zunächst der junge Serbe, der "den Boden der Rechtstreue" verließ und den Tatbestand der Körperverletzung verwirklichte. Allerdings war die Reaktion von Sven G. zumindest ex post (d.h. rückblickend objektiv) maßlos überzogen, wenn auch aus Angst. Deshalb trifft es die SZ meiner Meinung nach auch recht gut, wenn sie fragt, wer hier Täter und wer Opfer ist.
Wie gesagt, man man sich hier trefflich darüber streiten, das ist auch keine Frage, für die man juristisch vorgebildet sein muss. Aber gleich das ganze Rechtssystem in Frage zu stellen oder gar Exekution der Richter zu fordern, ist "etwas" übertrieben... :-)