Was mich viel mehr verblüfft als Trump ist die Tatsache, dass Putin sich so verhält wie er sich verhält. Es wäre vermutlich wirklich kein Problem, Trump weiter vorzumachen dass Russland an einem Deal interessiert ist. Aber statt gute Miene/böses Spiel schickt er seine Hofnarren zu diplomatischen Verhandlungen und lässt jedes Mal kurz nach irgendwelchen diplomatischen Anbahnungen einen neuen Rekord für das Bombardieren von zivilen Zielen in diesem Krieg aufstellen. Wozu?
Ich verstehe so gut wie nichts von dem was Putin macht. Krieg an sich grad noch so. Er dachte das gewinnt er in 2 Wochen und geht in die Geschichtsbücher ein. Jetzt ist er halt stuck und aufgeben schaut schlimmer aus als weitermachen, aber die aktuellen einzelnen Entscheidungen entgehen mir völlig.
Warum bombardiert er überhaupt zivile Ziele? Militärgeschichte ist sich einig, dass dies die Entschlossenheit in der Bevölkerung stärkt und nicht senkt. In diesem Fall führt es ausserdem dazu, dass die Ukraine von ihren Partnern mehr beliefert wird.
Warum unterbindet die russische Armee die zahllosen gut dokumentierten Kriegsverbrechen nicht? Kriegsgefangene zu foltern und verhungern zu lassen bringt den Russen überhaupt nichts. Relevante Informationen haben Kriegsgefangene heute im gläsernen Gefechtsfeld doch sowieso keine. Stärkt nur die Kampfmoral der Ukrainer und die Unterstützungsbereitschaft der Partner.
Warum definiert er kein klares Kriegsziel, das sich auf Gebiete in der Ostukraine beschränkt? Eine Eroberung der gesamten Ukraine ist aktuell eh ausgeschlossen. Wenn er klar ankündigt, dass er nur russisch geprägte Gebiete in der Ostukraine fordert, sieht die Überlegung einer dreifachen Mutter in Lviv sicherlich anders aus, ob sie einen ihrer Söhne in Krieg schicken will. Auch Polen oder das Baltikum denken sicherlich anders, wenn Putin maximal bis zur Dnieper vorrücken will als wenn er bei seinen Maximalforderungen bleibt. Wenn er Ostukraine mal erobert hat, kann er immer noch weiterschauen.
Warum haben sie keine konsequente Kriegsbegründung, die sich am Narrativ der Bedrohung Russlands durch die NATO-Osterweiterung orientiert? In meiner Beobachtung ist dieses Argument extrem verfänglich, sowohl in meinem Bekanntenkreis, wie auch in der westlichen Öffentlichkeit. Stattdessen schwurbelt Putin irgendetwas von Sowiethistorie und Entnazifizierung wodurch ihm jegliche Glaubwürdigkeit verloren geht.
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Womöglich hat das eine oder andere innenpolitische propagandistische Gründe. Überzeugen tut mich das aber auch nicht. Was er da macht ergibt auch innenpolitisch wenig Sinn und er kann doch eh jedes Narrativ spinnen das er möchte. Für China wäre es auch viel einfacher ihn mehr zu unterstützen, wenn es Putin gelingen würde, sich moralisch besser zu verkaufen.
Meine These ist, dass Putin mal ein guter Stratege war, aber nach den Jahrzehnten an der Macht übergeschnappt ist und schon so viele aus dem Fenster gefallen sind, dass sich niemand in seinem Stab traut ihn ehrlich zu briefen, geschweige denn allergeringste Zweifel an seinen Entscheidungen anzubringen.