Imo wäre es nicht mal nötig oder angezeigt diese Aufgabe tatsächlich den Prüfern zu übertragen. Die sind in der Regel eh biased und unwillig, sich mit sowas zu beschäftigen.
Wenn man wirklich was tun will, wäre es deutlich effektiver, dass eine gesonderte Stelle - angesiedelt beim Prüfungsamt o.ä. - jede eingereichte Prüfung routinemäßig durch so ein Programm laufen lässt. Gibt es Auffälligkeiten, dann kann man das wiederum einem Gremium des Fachbereichs übergeben.
Allgemein besteht an sowas allerdings wenig Interesse. Der Umgang mit Plagiaten ist extrem uneinheitlich und als Student/Doktorand hängt es im Ernstfall sehr davon ab, an wen man gerät. Die Auswirkungen selbst frappierender Plagiate reichen dann von "dudu" bis (extrem selten) das wars. Kein schöner Zustand, aber einen gewaltigen Mehrwert sehe ich auch nicht, daran mit großem Aufwand etwas zu ändern. Letztlich tun all die mehrwertfreien Doktorarbeiten, ob plagiiert oder nicht, kaum jemandem wirklich weh.
Solange Leute sich von einem Doktor gesellschaftliches Prestige oder sogar handfeste materielle Vorteile versprechen können, wird es eine Motivation geben, den schmalspurig zu absolvieren und im Zweifel findet man immer jemanden, der einem so eine Arbeit abnimmt. Das mag man als ungerecht empfinden, aber letzten Endes ist es weitgehend bedeutungslos.
Na ja, das stimmt ja nun offensichtlich nicht: Wenn die SPD jetzt fände, dass das eine solche Grenzübertretung gewesen ist, dass sie es nicht mehr verantworten könnten Giffey aufzustellen dann könnte der Wähler da nicht viel machen, genau wie die Unionswähler nicht viel machen können, dass Laschet Kanzlerkandidat wurde, nicht Söder. Ich verstehe nicht so richtig, wie der Umgang mit dem Skandal normativ verurteilenswerter ist als der Skandal selbst. Jeder der sich ein paar Fetzen bei Vroniplag angesehen hat muss doch sofort sehen, dass solche Sachen in dieser Häufigkeit nicht ohne Absicht passieren können. Wenn sie das bestreiten will: Kann sie ja. Sind doch beides irgendwo Formen von Lügen, warum findest du das eine so viel schlimmer als das andere?
Die SPD handelt hier nach der Maxime, dass verantwortbar ist, was der SPD unterm Strich nützt. Das ist allgemein wohl kaum eine vertretbare moralische Maxime und folgerichtig auch keine, zu der Giffey, Saleh oder irgend jemand aus der Berliner SPD sich bekennen würde.
Ob der Umgang mit dem Skandal per se verurteilenswerter ist als der Skandal selbst, kann ich spontan nicht sagen. Die Antwort halte ich aber für nicht so wichtig, weil hier für mich der Verjährungseffekt dominiert: Selbst ähnlich schlimme Dinge wären aus heutiger Sicht nicht gleich schlimm, wenn eins davon 10 Jahre her ist. Erschwerend kommt hier aber hinzu, dass Giffey in diesen 10 Jahren in die Chefetagen der Politik aufgestiegen ist und ich bin starker Vertreter der Auffassung, dass wir an unsere Eliten höhere Ansprüche stellen dürfen und sollten als an den Durchschnittsbürger. Ich bin daher nicht geneigt einer Bundesministerin und aspirierenden Ministerpräsidentin dieselben Fehler einfach so durchgehen zu lassen wie einer 30jährigen Doktorandin, zumal ich über deren Umstände nichts weiß. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass es für Giffey nochmal einen besonderen Geschmack hat, weil sie sehr offensiv mit ihrer Authentizität wirbt.
Was mich übrigens deutlich mehr ärgert, als dass die SPD und Giffey diesen Move so durchziehen, ist das öffentliche Klima, in dem sowas reüssiert. Das ist dasselbe Muster, wie wir es bei allen anderen prominenten Plagiatsfällen gesehen haben: In weiten Teilen beschränkt sich die Diskussion darauf, dass politische Verbündete die Betreffenden in Schutz nehmen, politische Gegner sie verurteilen und die Presse sich in einer He-said-she-said-Berichterstattung gefällt.
Das ist gerade für letztere fahrlässig und erweist der Sache der Wahrheit im politischen Diskurs keinen Dienst.