Olympische Schwimmbecken:
Im Vergleich zu Athen gibt es nur zwei nennenswerte Änderungen:
Das Wasser ist einen Meter tiefer (3 m Peking; 2 m Athen). Dadurch werden Wellenreflektionen und Turbulenzen abgemildert.
Der bedeutendste Unterschied ist jedoch dieser: In Athen fanden die Wettkämpfe unter freiem Himmel statt. In Peking wird im perfekt klimatisierten
Water Cube geschwommen. Die Orientierung beim Schwimmen fällt in der Halle leichter. Zudem sind die Temperaturbedingungen im Wasser und außerhalb des Wassers besser.
Beide Becken waren (selbstverständlich) Überlaufbecken. Beide verfügten auch über 10 Bahnen (eine freie Bahn an jedem Rand). Dies ist im FINA-Reglement für olympische Spiele vorgeschrieben, ebenso wie die Mindestbahnbreite von 2,5 Metern pro Bahn. Technische Revolutionen bei den Bahnleinen gab es ebenfalls nicht. Wellenabsorbierende Eigenschaften hatten die früher auch schon.
Bei den Weltmeisterschaften 2007 in Melbourne wurde ebenfalls ein 10-Bahnen-Hallenbecken mit 3 m Tiefe eingesetzt. Die Spezifikationen des Pools in China sind also keinesfalls neu, geschweige denn revolutionär.
Das Becken gilt zwar technisch als voll ausgereift, aber das galt für frühere Becken auch schon. Zum Teil wurde im Zusammenhang mit dem Becken in Peking sogar von
"schnellem Wasser" geredet. Physikalisch betrachtet ist das schlicht Blödsinn. So etwas gibt es nicht.
Die Anzüge:
Speedo ist traditioneller Marktführer. Daher muss man zunächst mal grundsätzlich festhalten: Wenn die meisten Schwimmer von Speedo ausgerüstet werden, ist es auch nicht verwunderlich, wenn die meisten Weltrekorde und Medaillen von Speedoschwimmern aufgestellt bzw. gewonnen werden.
Im Jahr 2000 (?) stellte die FINA fest, dass ein Schwimmanzug keine technischen Vorteile bringe. Ein Verbot erschien daher nicht erforderlich. Damals gab es in der Tat keinerlei messbare Fakten, die einen Vorteil durch Schwimmanzüge belegt hätten.
Dies hat sich im Laufe der Entwicklung jedoch geändert: Der neue Speedo "LZR Racer" gilt als technische Revolution. Bereits mit dem Vorgängermodell "Fastskin FS-PRO" wurden im Jahr 2007 21 Weltrekorde aufgestellt. Anfang 2008 wurde dann der LZR Racer vorgestellt. In Zusammenarbeit mit der NASA entwickelt und den Schwimmern (allen voran Michael Phelps) u. a. durch Laservermessungen auf den Leib geschnitten, galt dieser aus drei Teilen geschweißte Anzug (völlig ohne Nähte) als bahnbrechende Weiterentwicklung.
Andere Hersteller wie Adidas und Arena haben jedoch nachgerüstet. Der entscheidende Unterschied ist nur, dass Adidas z. B. seinen neuen Anzug erst kurz vor Olympia veröffentlichen konnte, während Speedoschwimmer bereits etliche Weltrekorde brechen konnten. Objektiv betrachtet gilt der Adidasanzug in etwa als gleichwertig; zumindest gibt es keine messbaren Unterschiede.
Neben den geringeren Widerständen die von den Herstellern versprochen werden, ist vor allem die Kompression, die durch die extrem hautengen Anzüge gewährleistet wird, von immenser Bedeutung.
Der Mensch ist nicht dafür bestimmt, sich im Wasser fortzubewegen. Seine große Muskelmasse (ca. 1/3 der Gesamtmuskelmasse) in den Beinen, sind im Wasser nur hinderlich. Die Kompression der Beine verhindert ein Abfließen des Blutes in die Peripherie der Beine. Die Durchblutung (und damit die Sauerstoffversorgung) der arbeitenden Muskulatur in den Armen wird dadurch verbessert.
Michael Phelps ist, anders als hier behauptet, in allen Finalläufen (die Vorläufe habe ich nicht alle gesehen) mit Speedoausrüstung geschwommen! Er hat bloß nicht immer den
Bodyskin (armloser Ganzkörperanzug) getragen, sondern eine oberkörperfreie Variante des LZR. Dies lässt sich dadurch begründen, dass die Ganzkörpervariante bei einigen Lagen für Männer einfach keine nennenswerten (messbaren) Vorteile bringt.
Soweit ich weiß ist er Schmetterling immer mit LZR "Jammer" (kurze Hose) geschwommen, Freistil hingegen immer mit LZR Bodyskin (Ganzkörperanzug).
Beides sind jedoch wie gesagt bloß Varianten des LZR Racer.
Letztendlich geht es je nach Quelle um Hundertstel oder Zehntel Sekunden. Von "~2%" Zeitvorteil wie hier von Greg behauptet wurde, habe ich noch NIE irgendwas gelesen (Quelle?).
Phelps behauptet natürlich, er fühle sich im Anzug wie ein "Astronaut". Beim Eintauchen ins Wasser gar "wie eine Rakete". Das Schwimmen selbst fühle sich mit dem Anzug wie "bergab schwimmen" an. Klar. Phelps bekommt aber von Speedo auch weit über eine Mio. US-Dollar. ;-)
Technik und Training
Schwimmen ist eine Sportart, bei der die konditionellen Faktoren Kraft und Ausdauer hinter dem Faktor Technik zurückbleiben. Die technische Entwicklung hat über die Jahrzehnte kontinuierliche, rasante Fortschritte zu verzeichnen. Während man in der Leichtathletik durch relativ simple biomechanische Messungen und Berechnungen die Technik überprüfen kann, ist dies im Schwimmsport um ein Vielfaches schwieriger, da sich die Sportler dabei in einem Fluid fortbewegen. Hier sind nicht einfache Grundsätze der Mechanik entscheidend, sondern es geht um sehr komplexe (turbulente/chaotische) Strömungsphysik.
Modernste Methoden in Strömungskanälen mit Videoaufzeichnungen, Computerauswertungen und -Simulationen haben auch in letzter Zeit immer neue Erkenntnisse eingebracht.
Auch die klassische Trainingslehre hat sich weiterentwickelt. Gerade im Bereich des Trainings liegt auch ein wesentliches Problem der deutschen Delegation. Deutsche Trainer haben einfach bei weitem nicht das Know How wie etwa australische oder US-amerikanische Startrainer.
Doping
Von der Blütezeit anaboler Steroide haben Schwimmer nicht annähernd so profitieren können, wie etwa die dopenden Sportler in der Leichtathletik. Dies liegt darin begründet, dass übermäßige Muskelmasse im Schwimmsport eher hinderlich ist. Zu DDR Zeiten waren es vor allem die Schwimmerinnen, die von der hormonbedingten Vermännlichung "profitieren" konnten. Da sich Technik und Training aber stets weiterentwickelt haben, können Frauen heute auch ohne Doping schneller schwimmen als die gedopten Sportlerinnen damals in der DDR.
In diesem Punkt unterscheidet sich der Schwimmsport deutlich von der Leichtathletik, wo heute nur noch wenige Rekorde fallen.
Viele Wachstumshormone sind bis heute nicht nachweisbar. Die wenigen Wachstumshormone die inzwischen nachweisbar sind, können wegen ihrer geringen Halbwertszeit auch nur 1-2 Tage lang nachgewiesen werden. Von Wachstumshormonen profitieren Schwimmer so sehr, da zum einen die Körpergröße einen großen Einfluss auf die Stabilität der Wasserlage hat und zum anderen, weil sich gerade die Gliedmaßen bei derartigem Doping besonders deutlich vergrößern.
Man darf an dieser Stelle aber nicht den Trugschluss wagen, dass z. B. Ian Thrope Wachstumshormone genommen haben muss, nur weil er 1,96 m groß ist und Schuhgröße 54 (US-Size 17) hat. Er war nachweislich schon als Baby und als Kind überdurchschnittlich groß. Das selbe gilt für Michael Phelps. Beide Athleten sind genetisch für den Schwimmsport prädestiniert. Derartige "Mutationen" sind durchaus im Rahmen der Natur möglich. Es gibt schließlich Menschen die keine Sportler sind (somit als ungedopt angenommen werden dürften) und zum Teil sogar noch deutlich größer sind.
Zumal das potentiell durch Doping erreichbare Wachstum auch genetisch stark begrenzt ist. Ohne die entsprechende Erbanlagen wird niemand durch Hormondoping zum Riesen.
Isulindoping ist erst seit kürzester Zeit nachweisbar. In Peking wurde leider noch nicht darauf getestet. EPO ist zwar in seiner Grundform seit einigen Jahren nachweisbar, es gibt aber eine Vielfalt an nicht nachweisbaren Präparaten. Körpereigenes Blutdoping durch Transfusionen wird wohl niemals nachweisbar sein.
Gendoping ist heute schon möglich. Ob es bereits eingesetzt wird ist fraglich, da die gesundheitlichen Konsequenzen praktisch nicht abschätzbar sind.
Der Einsatz neuartige Myostatinblocker ist ebenfalls höchst riskant, da derartige Präparate bislang nur in Tierversuchen zum Einsatz kamen. Zumindest teilweise wurden dafür sogar bereits Nachweisverfahren entwickelt (getestet wird darauf zur Zeit trotz allem nicht).
Prinzipbedingt sind die Doper den Kontrolleuren stets einen Schritt voraus. Aber die abschreckende Wirkung ist nicht zu verachten. In der westlichen Welt gibt es inzwischen ein einigermaßen enges Netz unabhängiger Kontrollen auch im Training. Ein noch so kleiner Fehler könnte eine Karriere wie die eines Michael Phelps in Sekunden für alle Zeiten vernichten. Olympische Dopingproblem werden acht Jahre lang für zukünftige Tests aufbewahrt. Die Kontrollen im Rahmen des amerikanischen Believe-Projekts, dem sich Phelps freiwillig angeschlossen hat, sind über noch längere Zeiträume möglich. Die Vorstellung dass sich Athleten derzeit alles reinknallen was heute noch nicht nachweisbar ist, ist daher in ähnlicher Weise naiv, wie jene, dass der Schwimmsport frei von Doping ist.
Anders ist es natürlich in Ländern wie China, wo es kaum unabhängige Kontrollen gibt. Wenn eine chinesische
Liu Zige mit 19 Jahren, ohne zuvor jemals international in Erscheinung getreten zu sein, plötzlich gestandenen Spitzenschwimmerinnen buchstäblich davonfliegt, wird die ohnehin ernsthaft lädierte Glaubwürdigkeit natürlich endgültig überstrapaziert.
Ich persönlich denke, man sollte die Leistungen im Schwimmsport sehr wohl und unbedingt kritisch betrachten. Die Vielzahl der nicht nachweisbaren Dopingmethoden, die immer weiter fortschreitenden Leistungsverbesserungen und die Erfahrungen aus dem Radsport lassen eine unkritische Betrachtungsweise einfach nicht mehr zu.
Wer aber von vornherein sämtlichen Sportlern Doping unterstellt, nur weil sie außerordentliche Leistungen vollbringen, geht eindeutig zu weit. Man darf nicht vergessen, dass KEIN sauberer Sportler auch nur die geringste Möglichkeit hätte, seine Glaubwürdigkeit ein für alle Mal unter Beweis zu stellen.
Es ist natürlich bitter wenn die Leistungen allzu fragwürdig (Bolt, Phelps, Liu, ...) werden, aber wir dürfen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit auch im Sport unter keinen Umständen relativieren. Dafür sind sie viel zu wertvoll. Ich jedenfalls fände es todtraurig, wenn wir die Leistungen von Phelps beispielsweise, die ja ohne Frage so außergewöhnlich sind, wegen unberechtigter Dopingunterstellungen herabwürdigten, obwohl er in Wirklichkeit sauber wäre.
Schwimmregeln
Die letzten Änderungen der Schwimmregeln durch den Schwimmweltverband FINA gab es im Jahr 2005. Sie betreffen allerdings nur das Brust- und Rückenschwimmen:
Beim Brustschwimmen ist demnach nun ein einziger Delfinschlag nach dem Start in der Tauchphase erlaubt.
Beim Rückenschwimmen gab es Änderungen beim Start und bei der Wende: Beim Startsprung dürfen die Zehen nun an der Wand auch über Wasser gehalten werden. Sie dürfen jedoch nicht über eine Überlaufrinne oder dergleichen greifen. Während der Wende ist die Tätigkeit der Beine nun praktisch freigestellt. Zuvor musste die Beinbewegung "Teil der kontinuierlichen Wendenbewegung sein".
Ein paar Anmerkungen zu Aussagen aus dem Forum:
- Durch irgendein Dopingmittel "Fett statt Zucker zu verbrennen" macht physiologisch gesehen keinen Sinn.
Fettverbrennung ist dafür einfach deutlich zu träge und darüber hinaus der Zuckerverbrennung ohnehin prinzipiell unterlegen. Der Nachteil beim Zucker gegenüber Fett ist lediglich, dass er sich nur begrenzt speichern lässt. Für Belastungen unter 60-90 min ist das aber irrelevant.
Schwimmen, gerade auf den relativ kurzen Distanzen bis 200 Meter stellt darüber hinaus in erster Linie eine anaerobe Belastung dar. Insofern ist die Verbrennung von Fett wegen Sauerstoffdefizit ohnehin nicht möglich.
- Stephanie Rice ist die 400 m Lagen im August 2007 in Chiba, Japan in 4:37,18 min geschwommen. Ihr neuer Rekord liegt bei 4:29,45 min. Meinen Berechnungen zufolge ergibt dies eine Verbesserung von knapp 8 s (7,73 s), nicht etwa von "11" Sekunden. Folglich etwa eine Sekunde pro 50-m-Bahn. Sicherlich sehr beachtlich, aber nicht unbedingt alienhaft.
- Es gab zwei Weltrekorde bei den Vorläufen (4x100 m Freistilstaffel Männer (USA) und 200 m Freistil Frauen (Pellegrini)), zwei Weltrekorde in den Halbfinalläufen (100 m Rücken Frauen (Coventry) und 100 m Männer (Sullivan)). Die übrigen 21 Weltrekorde fielen in den Finals. Die Behauptung "in jedem Vorlauf" sei irgendein Rekord gebrochen worden, ist maßlos übertrieben.
Ich finde 25 Weltrekorde sind genug. Da kann man sich doch wohl jegliche Übertreibungen sparen...