August Kubizek - Adolf Hitler mein Jugendfreund
Oh nicht schon wieder! Wann werden wir mit ihm fertig sein?
1953 ist das Buch bereits erschienen, sein Inhalt in späteren Publikationen in Zweifel gezogen und in noch späteren wieder weitgehend rehabilitiert worden. Aber worum geht es überhaupt?
Im Jahre 1904 kommen während der Vorstellungspause im Musiktheater zu Linz zwei sechzehnjährige Jungen ins Gespräch. Im Stehparterre tauschen sie sich über einen Solisten aus, der beiden negativ aufgefallen war. Der eine ist der musikalisch begabte August Kubizek, den Namen des zweiten Jugendlichen kennt heute jeder Mensch auf der Welt. Es ist der Beginn einer Freundschaft, die, von langen Pausen unterbrochen, bis zu Hitlers Tod anhalten wird.
Kubizek ist ein unpolitischer Mensch. "Du bist ein politischer Trottel", offenbart ihm Hitler sogar. Das ist Kubizek auch vollkommen bewusst und er stört sich nicht daran. Politik interessiert ihn einfach absolut nicht. Sein Interesse gilt der Musik und auf diesem Gebiet, das ebenfalls zu Hitlers Leidenschaften zählt, ist er seinem Freund haushoch überlegen. Hier kann er "Adolf" (so nennt Kubizek den Freund über die gesamte Länge des Buches) Paroli bieten und Hitler sieht schnell ein, dass er hier zurückzustecken hat. In jedem anderen Belang allerdings fühlt er sich Kubizek voraus und bombardiert ihn geradezu mit langen Reden zu allen möglichen Themen, die ihn beschäftigen und das sind viele. Er hält hier bereits schon gestenreich Reden vor dem Ein-Mann-Publikum Kubizek, der es nicht nur über sich ergehen lässt, sondern von dem intelligenten, wachen und energetischen Geist Hitlers beeindruckt ist. Es sind zwei Einzelgänger, die sich gefunden haben. Keiner von beiden hat andere Freundschaftsbeziehungen.
Hitler fordert Kubizek unheimlich viel ab, die Themen gibt meist er vor. Sie reichen von Geschichte über Politik und sozialen Fragen bis in entlegene Nichtigkeiten. Hitler interessiert sich für alles. Er beschäftigt sich mit allem, hat zu allem feste Ansichten und Verbesserungsvorschläge parat, die sich der geduldige Kubizek von seinem Freund anzuhören hat. Hitlers aufbrausendes Temperament ist hier bereits vollständig ausgeprägt. Die gemeinsame Leidenschaft ist allerdings die Kunst, namentlich die Musik, aber auch bildende Kunst und Architektur. Sie führen endlose Gespräche darüber und lernen einander immer besser kennen und schätzen. Sie sind in dieser Lebensphase nach wie vor Jugendliche. Sechzehn, siebzehn Jahre alt.
Es kommt selten vor, dass Hitler Kubizek um Rat anhält, doch eines Tages ist es soweit. Auf einer Flaniermeile in Linz fasst Hitler Kubizek am Arm und deutet auf ein junges Mädchen, das mit seiner Mutter spazieren geht. Hitler hat sich leidenschaftlich in diese junge Frau verliebt und hat nicht die geringste Ahnung wie er damit umgehen soll. Kubizek, der auch kein Frauenheld ist, aber von abgeklärtem und kontemplativen Charakter, wird zu Hitlers Spion in Liebesdingen und findet heraus, wer sie ist und was sie so treibt. "Du musst tanzen lernen, Adolf."
Jedoch kommt es nie so weit, dass Hitler sie anspricht. Alles was er tut, ist, sich ihr regelmäßig anzunähern und Blickkontakt mit ihr aufzubauen. Aus diesen Momenten schafft er sich eine rein innerlich stattfindende Romanze, die es in sich hat und die ihn von keinem Anzeichen des Liebesschmerzes verschont lässt. Stephanie, so heißt das Mädchen, wird sein Lebensinhalt und sein Antrieb. Was den Lehrern und der Mutter nie gelungen war, gelingt allein diesem Mädchen. Nämlich den auf Selbststudium und Müßiggang bedachten Hitler einen Lebensplan aufstellen zu lassen. Es wird ihm bewusst, dass er Beruf und Stellung braucht, um diesem Mädchen den Hof machen zu können. Und so fasst er den Plan, sich in Wien zum Kunstmaler ausbilden zu lassen, was ihm ermöglichen soll, innerhalb von vier Jahren endlich auf Stephanie zugehen zu können (sic!). Aber noch steckt er in Linz fest, im Haus der Mutter, mit der kleinen Schwester und seinem einzigen Freund Kubizek. Während Stephanie schon mit Offizieren flirtet, verspinnt er sich, angefeuert von der Musik Wagners, deren Anhänger beide Jungen sind, immer weiter in seine Leidenschaft für das Mädchen.
Er plant sogar, sie zu entführen und sich mit ihr gemeinsam von einer Brücke zu stürzen. Er ist offenbar vollkommen liebeskrank und Kubizek ist der einzige, der von diesem Geheimnis weiß und der einzige, der ihn mit Rat und Tat unterstützen kann, was in erster Linie bedeutet, ihn von seinem verrückten Entführungsplan abzuhalten.
Endlich kommt der Umzug nach Wien und Kubizek bleibt in Linz zurück. Er lernt immer noch im Tapeziergeschäft seines Vaters, obwohl seine Leidenschaft allein der Musik gehört. Aus Wien kommen dann Hitlers Briefe.
"Ich will und muss den Benkieser wieder sehen!" (Ein von Hitler verwendeter Code für Stephanie in Briefen an Kubizek; Benkieser ist irgendein Mitschüler)
Was Hitler verschweigt, ist seine Ablehnung an der Kunsthochschule. Die Mutter wird sterbenskrank und Hitler kommt zurück, um sie zu pflegen. Er zieht sich eine Schürze an und übernimmt den Haushalt bis zu ihrem Tod, der ihn vernichtend trifft. Der einzige, der für ihn da ist, ist Kubizek.
Von der Kunsthochschule abgelehnt, entschließt sich Hitler nun zu einem Architekturstudium. Nach wie vor gilt seine Leidenschaft der Kunst, nicht der Politik. Und es gelingt ihm sein erstes agitatorisches Meisterstück: Kubizeks Vater davon zu überzeugen, dass sein Sohn wenig dafür geeignet ist, das Tapeziergeschäft zu übernehmen und dass nur eine musikalische Laufbahn für ihn in Frage kommen kann und so folgt Kubizek seinem Freund dankbar nach Wien.
Hitler war nicht normal. Das ist etwas, das man dem Buch entnehmen kann. Die Pläne für den Umbau von Linz bspw. sind noch während der Zeit dort bis ins letzte Detail ausgearbeitet worden ohne den geringsten Zweifel an deren Verwirklichung über dreißig Jahre später. "Ach, Geld!"
Sein Hauptantrieb, jetzt mit Kubizek in Wien, ist aber immer noch der Benkieser bzw. die schöne blonde Stephanie.
In der gemeinsamen Bude übt Kubizek am Flügel und hört sich Hitlers Monologe an. Es geht wieder um alles. Es gibt nichts, das Hitler unbeschäftigt lässt. Er entwirft Wohnanlagen für die Bevölkerung Wiens in Parzellen zu 4, 8, höchstens 16 Haushalten. Er plant den Alkohol zu verbannen und durch ein modisches Kaffeegetränk zu ersetzen. Er fantasiert und entwirft in jedem Lebensbereich, liest sich durch die Wiener Bibliotheken, denn er hat Zeit. Einem geregelten Studium geht er im Gegensatz zu Kubizek nicht nach. Ein Antisemit ist er in dieser Lebensphase noch nicht.
Und eines Tages ist er weg. Einfach spurlos verschwunden im Gewühl der Großstadt. Erst in den zwanziger Jahren wird Kubizek ihn in den Zeitungen wiederfinden und ist erstaunt darüber, dass aus dem Freund, den er zeitlebens als Künstler wahrgenommen hat, ein Politiker geworden ist. Er bedauert ihn dafür. Doch es soll noch bis in die dreißiger Jahre andauern, dass sich ein Kontakt wieder einstellt; ein Wiedersehen findet erst nach der Machtergreifung statt.
Wer ist dieser Mann, der, nichtmal NSDAP-Mitglied, eines Tages in einem Bayreuther Hotel erscheint und mit dem Reichskanzler für eine Stunde in einem Zimmer verschwindet?
"Du bist ein politisches Kind."
Tja, wenigstens kein Trottel mehr.