Tomato Potato. Sie darf beim NDR nicht weitermachen, weil sie den Mitarbeitern nicht passt. Für den BR ist sie anscheinend noch "gut genug", ist der BR jetzt ein rechtspopulistisches (oder gar rechtextremes, um bei Reschke zu bleiben) Sendeorgan?
Nee, das ist nicht tomato tomatoe, das ist imo schon sehr erheblich. Dass sie nicht weitermachen durfte, nur weil sie den Mitarbeitern nicht passt, wissen wir überhaupt nicht, das ist Spekulation und wird in dem Artikel lediglich indirekt auf Aussagen von Ruhs gestützt, die es aber mit der Wahrheit schon mehrfach nicht so genau genommen hat. Du könntest den Spieß auch umdrehen und sagen ohne den Protest der Mitarbeiter hätte der Sender vielleicht schon an ihr festgehalten, aber eben nicht weil sie von ihrer Arbeit inhaltlich überzeugt waren, sondern weil sie den politischen backlash vermeiden wollten, der zu erwarten war (und dann ja auch extrem* heftig kam). Als der Artikel bei der Welt aktuell war vor zwei Monaten hatte die
SZ ebenfalls etwas über die Causa geschrieben, die hatten allerdings im Gegensatz zum Spiegel den Vorteil, dass Ruhs mit ihnen gesprochen hat. Letzter Absatz des Artikels:
Julia Ruhs hat im Gespräch mit der SZ keinen Hehl daraus gemacht, dass der etwas gemäßigtere Ton der Folgen zwei und drei auch taktischer Natur war, um in neuen Folgen die großen Aufregerthemen zu bespielen. Beim NDR ist man offenbar um Sicherheitsabstand bemüht.
Das klingt für mich als wäre sie selbst der Meinung gewesen, die erste Folge war völlig okay und Folgen 2 und 3 waren moderater gehalten, um den Frieden im Sender zu wahren, bis sie ihr einen festen Vertrag geben. Folge 1 ist aber auch exakt das, woran sich die Gemüter zu erhitzt haben; erst nachdem die Folge ausgestrahlt wurde kam der Brief. Wenn die Programmdirektion mit Ruhs gesprochen hat und Ruhs ihnen gesagt hat dass sie im Stil von Folge 1 weitermachen will könnte ich gut verstehen, dass die Programmdirektion keine dauerhafte Zusammenarbeit wünschte.
*dass der BR an ihr festhält und der NDR nicht dürfte auch nicht unbeträchtlich damit zu tun haben dass für den NDR vier Bundesländer zuständig sind, in denen nur in einem die CDU regiert, während für den BR nur eins zuständig ist, d.h. sie sind den Launen der Unionsparteien ungleich heftiger ausgesetzt
Bleiben wir doch mal bei deinem Beispiel: willst du mir ernsthaft verkaufen, es gäbe einen NDR-Mitarbeiteraufstand nach einer Tränendrüsen-Suppenküchendoku? Es ist einfach offensichtlich, dass politische Präferenzen hier eine Rolle spielen. Für dich ist das okay, da sie auch in anderen Aspekten versagt hat, ich sage lediglich: mag ja sein, aber ich vermute stark bei der eigenen peer group würde man da nicht so genau hinschauen, es würde kein derartiges internes Mobbing geben und die Mitarbeiter würden sich auch nicht offen für ihre technische Mitwirkung am Endprodukt schämen. Es ist jetzt auch beileibe nicht die erste reißerische ÖR-Reportage, und ich kann mich auf Anhieb auch an keinen Fall mit derartigen Konsequenzen erinnern.
Ich glaube das jetzt schon auch ein gewisser Druck im NDR herrscht, weil sie eben beweisen müssen, dass konservativ gefärbte Reportagen im Sender möglich sind (das war ja das erklärte Ziel der ganzen Aktion). Vielleicht klappt das mit der qualifizierten Bild-Dame ja jetzt ganz wunderbar und die Sache verläuft im Sande.
Nur ftr: Ich habe in keinem Wort gesagt, dass ich es anders sehe und mich nervt die Unterstellung ein bisschen, dass du es für möglich hältst ich würde vor der Möglichkeit die Augen verschließen oder dass ich das prinzipiell okay finde nur weil ich nicht finde dass die Frau nicht gefeuert wurde (weil sie eben nicht gefeuert wurde). Es würde mich weder wundern noch halte ich es für unrealistisch, dass tendenziell eher linke Journalisten bei tendenziell eher konservativen Formaten genauer auf Inhalt und journalistischen Anspruch schauen als bei Formaten, die in ihr eigenes Weltbild passen. Allerdings finde ich schon, dass man auf der anderen Seite auch nicht ganz die Augen davor verschließen sollte, dass von rechts der Mitte seit mittlerweile gut einer Dekade deutlicher Druck auf den ÖRR gemacht wird, insofern ist es jetzt auch nicht so als gäbe es auf der anderen Seite kein Korrektiv.
Ob das plus Berufsethos (den ich den Leuten dort auch wirklich nicht absprechen würde) als Qualitätskontrolle reicht, weiß ich ehrlich gesagt nicht, weil ich dafür zu wenig ÖRR (jenseits der Talkshows) schaue. Ich hab vor nicht allzu langer Zeit mal zwei oder drei Folgen Monitor gesehen (weil es in meinem Youtube-Algorithmus auftauchte), was ja zusammen mit Panorama (was ich glaube ich noch nie gesehen habe) als "linkes" Format genannt wurde und ich muss sagen dass ich es jetzt nicht sonderlich gut fand und in der Auswahl der Experten zu den jeweiligen Themen auch ziemlich unausgewogen, aber vom journalistischen Anspruch auch schon noch weit über "klar".
Frage nebenbei: Findest du die Grundidee denn überhaupt erstrebenswert? Wenn ich mich recht entsinne hast du dich in anderen Kontexten immer eher dagegen ausgesprochen, die "Ängste der einfachen Bürger ernstzunehmen". Ich persönlich weiß nicht was ich davon halte, ehrlich gesagt. Aber ich finde es frustrierend, wenn Sachverhalte nicht als das dargestellt werden, was sie am Ende sind. Hier geht es nicht nur um Kompetenz und Qualifikation.
Die Grundidee finde ich tatsächlich sehr gut. Klaus von Beyme hat mir mal gesagt für ihn ist das Gute daran, SPD-Mitglied ohne professionelle Absicht zu sein ist, dass man dann nicht auch jeden Blödsinn vertreten muss, den die Partei macht. Ich bin zwar selbst kein SPD-Mitglied aber vermutlich ist mir die SPD als Partei politisch am nächsten und genau so wie von Beyme sehe ich es auch: Da passiert auch auf links sehr viel Blödsinn und es wäre auch nicht schwer, den aus konservativer Sicht aufzuspießen.
Gerade deshalb finde ich es so ärgerlich, dass man Julia Ruhs die Sendung gegeben hat: Wenn man so eine Sendung macht, sollte man es seriös machen mit genau denselbem journalistischen Anspruch, den man auch an die Gegenseite stellt. Für unseriösen konservativen "Journalismus" gibt es Deutschland schon genug Platformen, Ruhs bespielt ja bereits eigenständig eine davon (Focus Online-Kolumne). Was ich von ihr bis dahin gesehen hatte war halt eher die Kategorie Springer-Kulturkampf-Blödsinn. Das brauchen wir in der Tat meiner Meinung nach nicht im ÖR.