Piratenpartei
Ärger mit den Ermittlern geht offenbar weiter
Die Piratenpartei Deutschlands hatte bereits im Laufe der vergangenen Woche mehrere Begegnungen der eher unerfreulichen Sorte mit der Polizei. Wie bereits berichtet, erlebte der Pressesprecher der Partei, Ralph Hunderlach, eine frühmorgendliche Hausdurchsuchung und beim ehemaligen politischen Geschäftsführer der Partei, Jan Huwald, wurde ein Server beschlagnahmt. Nun hat es den Anschein, als müssten Mitglieder der Partei mit weiteren Ermittlungsmaßnahmen und Unannehmlichkeiten rechnen.
Auslöser für die Fahndungsmaßnahmen sind Geschehnisse zu Beginn dieses Jahres. Damals hatten Mitglieder der Piratenpartei ein internes Dokument des bayerischen Justizministeriums veröffentlicht, aus dem hervorgeht, das bayerische Behörden verschlüsselte Telefonate via Skype und SSL-Verbindungen "abhörten". Diese Informationen waren insofern sehr brisant, als zum "Abhören" dieser Gespräche (von den Behörden als "Quellen-Telekommunikationsüberwachung" bezeichnet) Software verwendet wurde, die der zu einer heimlichen Online-Durchsuchung eingesetzten sehr ähnlich ist. Diese aber war nach damals geltendem Recht nicht zulässig.
Huwald bemerkte nun, dass sein elektronischer Zugang zur Universität, an der er Informatik studiert, gesperrt wurde. Er vermutet, dass es sich dabei ebenfalls um eine Maßnahme der Ermittlungsbehörden handelt (was in gewisser Weise naheliegend wäre, da dieser erst nach der Beschlagnahmung von Huwalds Server als Kommunikationsmittel verwendet wurde). Bestätigt wurde dies von den Behörden bisher nicht- die Beschlagnahmung ebenso wenig wie die Sperrung. Von beidem erfuhr Huwald erst durch eigene Nachforschungen. Der Zugang zu den Dokumenten zur Beschlagnahmung und damit dem Mittel, sich juristisch zur Wehr zu setzen, wurde Huwald nach Angaben der Piratenpartei durch seinen Provider verweigert.
"Bis vor einer Woche habe ich nur abstrakt gegen die allumfassende elektronische Überwachung gekämpft. Jetzt erfahre ich sie am eigenen Leib", so Huwald, dessen Studium und politische Arbeit durch die aktuelle Situation stark erschwert werden. Auch die Kommunikation mit seinem Anwalt ist aufgrund eines Auslandsaufenthaltes und der Einschränkungen seiner elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten schwierig. "Durch meinen aktuellen Auslandsaufenthalt kann ich mich mit meinem Anwalt nur elektronisch in Verbindung setzen. Nachdem all meine privaten E-Mail-Adressen gesperrt wurden, musste ich auf einen Freemailer ausweichen. Nur sind die in Deutschland zur Vorhaltung aller E-Mails an die Polizei verpflichtet. Ein vertrauliches Gespräch mit einem Anwalt ist damit unmöglich, und mir bleibt die Möglichkeit zur Verteidigung verwehrt," schildert Huwald seine Lage. Diese Schilderung allerdings zeigt auch die offenbar selbst in Fachkreisen verbreitete Unkenntnis technischer Möglichkeiten zum elektronischen Datenschutz- auch über Freemailer, zumindest jene, die (wie beispielsweise Gmail und GMX) POP3- und SMTP-Zugriff anbieten, lassen sich per
GPG verschlüsselte Emails verschicken, die von Dritten nicht mitgelesen werden können. Möglicherweise sollte die Piratenpartei angesichts der aktuellen Situation ihre Mitglieder und im Idealfall deren Rechtsanwälte über derartige Möglichkeiten informieren.
Trotz seiner komplizierten Situation will Huwald, ebenso wie Hunderlach, juristisch gegen das Verhalten der Ermittler vorgehen. Seine Partei versichert bereits ihre Solidarität: "Diese Schikanen veranlassen uns nur dazu, uns noch mehr ins Zeug zu legen. Die beiden Betroffenen haben die volle Unterstützung der ganzen Partei. Es wurde bereits beschlossen, ihnen bei den Kosten für die Verfahren unter die Arme zu greifen, und aus ganz Deutschland melden sich Parteimitglieder, die ihren Teil dazu beitragen wollen. International erregt der Fall großes Aufsehen, weltweit berichten Magazine darüber," meint Andreas Popp, der Vorsitzende der bayerischen Piraten."
Die Piratenpartei sieht die Ermittlungsmaßnahmen als Beweis dafür, dass der Quellenschutz in Deutschland zunehmend weniger geachtet wird, und fühlen sich nun umso mehr in der Notwendigkeit ihrer politischen Arbeit bestärkt. "Wir werden uns trotz dieser Einschüchterungsversuche gegen einzelne Mitglieder nicht von unserem Weg abbringen lassen, die Bürgerrechte auch im digitalen Zeitalter zu bewahren. Diese Vorfälle zeigen umso deutlicher, dass das Thema Überwachung keine Lappalie ist und dass es uns alle treffen kann. Die Überwacher müssen dringend stärker selbst kontrolliert werden, sonst bildet sich ein Staat im Staate", sagt Jens Seipenbusch, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland.
http://www.gulli.com/news/piratenpartei-rger-mit-den-2008-09-19/