Original geschrieben von DerEchteSenf
@Claw: Meinst du das mit dem Privateigentum ernst oder ironisch, normativ oder deskriptiv?
Natürlich ist das mein Ernst. Wenn du meine böse Zeitung nicht kaufen möchtest, weil ich böse Wörter benutze, musst du es ja nicht tun.
Und wohlgemerkt: Ich meine
nur das Privateigentum. Es heisst nicht, dass ich jetzt anfangen kann, das ganze auf öffentlichem Eigentum (z.B. der Strasse) zu veranstalten und die Innenstadt mit z.B. meiner "Hassliteratur" (wortwörtlich) vollzukleistern (insbesondere Plakate, Demonstrationen etc.). Da wären wir nicht mehr auf Privateigentum.
Wer aber in meine Wohnung tritt, meine Bücher und meine Zeitungen kauft und liest, macht eine explizite Einwilligung meine "Hasstiraden" zu lesen. Hierfür dürfte es (was die Beschränkungen betrifft, die das GG mit "Verletzung der Ehre" umschreibt)
keinerlei Einschränkungen geben.
Natürlich gibt es da jede Menge Spezialfälle, mein Punkt ist, dass für bestimmte Bereiche, rein objektiv gesehen, die freie Meinungsäußerung auf jeden Fall gelten sollte.
Aus der Sicht eines Religionsanhängers sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Gott (oder wer oder was auch immer) liest ja meine Zeitung auch ohne dass ich ein Vertrag mit ihm abschliessen kann und hört was ich in meinen Privaträumen sage auch ohne dass ich ihn eingeladen habe. Ergo ist auch eine gotteslästerliche Aussage in Sonstwo-Timbuktu zu ahnen, sobald man davon hört (sonst fällt man in Ungnade mit dem Gott, es ist ja quasi ein Glaubensbeweis, wenn man gegen den Unglauben vorgeht).
Nicht viel anders liegt es aber bei der "Ehre". Was ist Ehre? Wo finde ich sie? Ist sie mir angewachsen? Ist es etwas religiöses, der heilige Geist womöglich?
Nein, Ehre ist ein künstlicher Begriff, der das Gesamtbild einer Person in der Gesellschaft bezeichnet. Mithinein spielt auch irgendwie die recht kindliche Vorstellung, dass, wenn man jemanden daran hindert etwas zu sagen, seine Meinung ändern kann. So nach dem Motte "Wenn jeder denkt, ich wäre ein Depp, ist das mir völlig egal, wenn er es sagt, werde ich wütend.", als ob es da einen Unterschied gäbe (darauf gehe ich weiter unten nochmal kurz näher ein).
Um ehrlich zu sein finde ich das ganze auch recht primitiv, wir sollten uns darüber hinwegsetzen, das wir irgendein Recht darauf hätten, was andere über uns erzählen. Wenn wir das nicht machen, dann gibt es auch keinen Grund, weshalb der Gotteslästerungsparagraph auch voll (bzw. im weiteren Umfang als bisher) für Muslime gelten sollte.
Die Krux an der Sache ist die:
Gewalt ist überhaupt erst der Grund, weshalb wir den Ehrbegriff im Grundgesetz haben. In Gesellschaften ohne staatlichen Schutz meinen eben ein paar Dumme, dass ihre Position durch die Aussagen anderer gefährdet sei, sie sich nicht mit Worten verteidigen können und somit zu Gewalt greifen. In unserer Gesellschaft sagt man: Ok, wir teilen dir eine bestimmte "Ehre" zu und du darfst denjenigen kontrolliert über staatliche Organe bestrafen. Diese Einschränkung dient nur zur Ruhigstellung von Gewalttätern die sich nicht zu Diskussionen einlassen wollen und meinen, dass Äußerungen irgendwelche Relevanz in der Realität hätten. Ich mache bzgl. des Verhaltens von Menschen nur ungern einen Vergleich in die Biologie, aber es hat wohl mit sozialem Territorial- und Rangverhalten zu tun. Wenn der andere mich offen beleidigt, versucht er sich, in einen höheren sozialen Rang zu stellen. Dann hole ich mein Degen heraus und fordere ihn zum Duell oder erledige es direkt mit einem Stärkevergleich durch einen Boxkampf.
Die Frage ist, ob diese recht animalische Hackordnung seinen Weg in das grundlegende Gesetz einer zivilen Gesellschaft finden sollte. Ist der Mensch ein Tier oder ist der Mensch ein rationales Wesen? Das ist letztlich der Kernpunkt der gesamten Diskussion.
Im Publikum saß zumindest ein denkendes Wesen, derjenige der am Ende meinte, dass man seine Mutter ruhig beleidigen könne.
Bei stark religiösen Menschen sieht man natürlich ähnliche Reaktionen, da sie sich über die Religion definieren. Solange ihre Religion nicht geschützt ist, wird es immer ein paar Dumme geben, die dann zu Gewalt schreiten um ihre "Ehre" selbst zu schützen.
Eine Beschränkung der Redefreiheit, was z.B. Mohammed-Karrikaturen betrifft, dient (zumindest effektiv) keinesfalls dazu, eine Ehre zu schützen, die Idee ist, wie gesagt, dass es als Befriedung von Gewalttätern dient. Ein objektives Gesetz kann es deshalb auch nie sein, da es nicht auf Basis von Überlegungen von Rechten basiert, sondern einen Kompromiss mit irrationalen Mitgliedern der Gesellschaft darstellt.
Derartige Befriedungsparagraphen findet man mehrere und entstanden sind sie immer dadurch, dass a) jemand anstatt sich mit friedlichen Mitteln zu wehren zu Gewalt gegriffen hat und b) der Rest sich von dieser Gewalt beeindrucken hat lassen.
In der Diskussion im Video kam es auch heraus, dass die Sprecher für diesen Teil der muslimischen Bevölkerung zumindest auch das Gesetz gelesen und eine Schwachstelle (es werden mehrere genannt, aber es reicht glaube ich, wenn man sich erst einmal auf dieses eine konzentriert) erkannt haben, eben dieses "Ehrgefühl".
@TE)Kain: