Dem muss ich widersprechen, aus meiner Sicht liegt (im Fall 1) schon keine Notwehrlage vor:
In Betracht kommen grundsätzlich zwei Anknüpfungspunkte für eine Notwehrlage, nämlich zum einen die unmittelbare Situation zwischen Täter und Opfer vor dem Stich (I) und die Situation zwischen Opfer und Mädchen zuvor (II).
Hinsichtlich Variante I ist das spätere Opfer dem Täter gefolgt. Sobald das Opfer den Täter erreichte, stach dieser es nieder. Dies ist tatbestandlich eine gefährliche Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1. StGB.
Als Rechtfertigungsgrund kommt für Dich Notwehr in Betracht. Notwehr ist die erforderliche Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Ein Angriff ist die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten. Schon hier ist nicht ersichtlich, welche Rechtsgüter konkret beeinträchtigt sein sollen. Unterstellt, ein Angriff läge vor, müsste dieser gegenwärtig sein. Gegenwärtig ist ein Angriff, wenn er unmittelbar bevorsteht, stattfindet oder andauert. Hier folgte das Opfer dem Täter lediglich, wurde diesem gegenüber also nicht handgreiflich. In Betracht kommt also nur die Variante des unmitttelbaren Bevorstehens. Dies wird beispielsweise dann angenommen, wenn eine Waffe in Anschlag gebracht wird, also wenn eine Handlung klar und allein zu dem Zwecke vorgenommen wird, einen Angriff einzuleiten. Dies ist einem Nachlaufen per se nicht zu entnehmen. Ebensogut hätte sich das spätere Opfer nur verbal auseinadersetzen wollen, etc. Der Sachverhalt von heise.de gibt jedenfalls keinen Anlass, von einer anderen Bewertung auszugehen.
Damit scheidet eine Notwehr an dieser Stelle mangels Notwehrlage aus.
Hinsichtlich Situation II kommt Notwehr im Rahmen der Nothilfe in Betracht. In diesem Fall lag ein Angriff auf das Mädchen vor (Nötigung, KV, etc), jedoch lag zwischen Angriff und Stich eine beträchtliche zeitliche wie räumliche Zäsur, sodass der Angriff als abgeschlossen und damit nicht mehr gegenwärtig klassifiziert werden muss. Eine Notwehrlage lag also auch in diesem Falle nicht mehr vor.
Im Ergebnis komme ich also dazu, dass in Situation I mangels Angriff und Gegenwärtigkeit, in Situation II mangels Gegenwärtigkeit ein Notwehr-/Nothilferecht zu versagen ist. Für mich durchaus nachvollziehbar.
Zur Erforderlichkeit bei der Notwehr gibt es übrigens mehrere Ausnahmen. Neben der von Dir genannten gibt es beispielsweise noch den Angriff schuldlos Handelner, enge familiäre Bande und die
Notwehrprovokation.
Edit:
Mir ist gerade noch was eingefallen: zu denken wäre eventuell an einen Erlaubnistatbestandsirrtum. Aber selbst dann hätte ich erhebliche Bedenken bei dem Einsatz des Messers. Doch auch bei Annahme des ETBI stünde nach herrschender Ansicht am Ende eine Strafbarkeit, nämlich das fahrlässige Verkennen der Situation und dann erfolgt die Bestrafung aus § 229 StGB (allerdings dann mit geringerer Strafe, insofern durchaus interessant).