Ich hab das hier glaube ich schonmal gesagt. Du hast dann halt so eine Uni-Pädagogin vorne die im Prinzip nur Sprechblasen von sich gibt ("Wir müssen gemeinsam arbeiten. Wir müssen mehr machen. Wir müssen zusammenhalten, stärker sein. blablabla"). Und Teile des Publikums nicken andächtig und können ihren Beifall zum Teil noch während des Vortrages nicht unterdrücken. Es ist wirklich skurril, erinnert mich immer ein wenig an das Stereotyp der schwarzen Kirche in den USA, wo sich die Kirchgänger in Extase klatschen und tanzen. Nur dass da die Musik besser ist. Auch aufgefallen ist mir, dass in diesen Diskussionen typischerweise das Lanzklima herrscht. Soll heißen man hat drei Leute die sich mehr oder weniger zustimmen, und eine fachfremde Person, die vlt. mal ein wenig dagegen schießt, aber letzten Endes auf "fremden" Terrain kämpft und vom Publikum nicht immer richtig ernst genommen wird (gerne mal ein Statistiker oder Ökonom).*
Dazu muss man fairerweise sagen: Junge Studis sind da in der Regel die schlimmsten "Jünger". Die anwesende Lehrerschaft, die ich erlebt habe, ist da eher gespalten. Einige sehen die Probleme, wollen aber am Ende doch den "guten Weg" gehen. Dazu gehört dann eben auch: bloß nicht beleidigen/anecken und vorauseilendes Gehorsam**. Andere sind desillusioniert und (aus meiner Sicht) realistischer. Ich erinnere mich sehr schön an die Wortmeldung einer Förderlehrerin für Geflüchtete, die dann eben recht deutlich gesagt hat: sie fühlt, dass ihre Arbeit verschwendetes Geld ist, da die Zielgruppe das Angebot nach eins zwei Veranstaltungen nicht wahr nimmt und weg bleibt. Von den vorne stehenden Diskutanten konnte mit der Wortmeldung niemand recht was anfangen. Man hat dann irgendwas gesagt ("ja, da gibt es natürlich auch Probleme") und ist dann schnell zur nächsten Wortmeldung.
Und dann sind da halt noch die Nähkästchen Gespräche am Abend - gerne unter Alkoholeinfluss. Da hört man dann auch von den eher idealistischen jungen Leuten gerne mal üble Stories, über die die Leute wegen peer pressure/kognitiver Dissonanz sonst nicht gerne reden. Krassester Fall war die Studentin, die Flüchtlingsfamilien freiwillig bei Behördengängen/Briefen geholfen hat, bis die sexuelle Belästigung des jugendlichen Sohns irgendwann nicht mehr so harmlos waren (der Vater hat da natürlich nichts gemacht außer Anspielungen auf eine mögliche Heirat). Ich vermute aber, viele bleiben selbst dann dabei, weil sie eben an die "gute Sache" glauben.
*Das ist jetzt natürlich der stereotype Fall. Es gibt auch vernünftige Diskussionen, wo dann eher die andere Seite in die Ecke gedrängt wird. Das wird dann aber auch gerne mal aus dem Publikum mit Buhrufen und demonstrativem/lautstarkem aufstehen - manchmal kombiniert mit "Nazischeiße"-Gebrüll - quittiert. So läuft es zumindest in den Veranstaltungen, in denen die ganze Bandbreite der Sozialwissenschaften bedient werden soll. In den expliziten Quanti/RC-Sitzungen gibt es solche Auswüchse in der Regel nicht, da ist man halt aber unter sich ... auch irgendwie langweilig ^^
**Ich hab mal vor einigen Jahren mit einem Vertreter(Lehrer) dieser Gruppe über das Thema Mohammedkarikaturen im Unterricht geredet. Er hatte sich zuvor klar pro-Laizismus/Meinungsfreiheit geäußert (tun sie ja alle), aber als man dann auf die Karikuturen zu sprechen kam, wurde er erst kurz still, um dann mit "ja im Sinne des gegenseitigen Zusammenlebens und der Rücksichtnahme vor religiösen Gefühlen" zu kommen. Bei ihm kann ich mir sehr gut Vorstellen, dass er das Mordopfer (welches ja durchaus Rücksicht auf die Gefühle der Muslime genommen hat) nicht gestützt hätte.