@Gustavo
Sorry auch meinerseits. Ich hätte eigentlich gern früher geantwortet und die Antwort ist auch etwas unstrukturiert geraten, weil ich einen Teil schon mal angefangen hatte.
Allerdings habe ich keine Ahnung, wie der Kausalmechanismus funktionieren soll und ich will dir nichts unterstellen, dementsprechend würde ich dich einfach bitten, etwas genauer auszuführen, wie diese Freiheitsgrade verloren gehen.
Ich hab mich da wohl zu nebulös ausgedrückt. Mir geht es um das langfristige fiskalische Commitment einer Migrationspolitik, die sich als Kostensenke erweist. Wenn du langfristig größere Bevölkerungsanteile hast, die Nettoempfänger staatlicher Leistungen sind und weniger, die Nettozahler sind - und in geringerem Umfang -, dann bindet das Ressourcen, die für andere politische Ziele nicht mehr zur Verfügung stehen.
Für Investitionen sollte das rationalerweise keine Rolle spielen - politisch tut es das aber oft doch, wie man aktuell am Fetisch der Schwarzen Null beobachten kann.
Vor allem gilt es aber auch für Projekte, die unter konsumtive Ausgaben fallen, bspw. die Grundrente, später könnte es mal um ein Grundeinkommen gehen usw. Das alles lässt sich schwerer und schmerzhafter verwirklichen, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bevölkerung nach unten hin ausfranst.
Man kann es natürlich auch umgekehrt so sehen, dass soziale Reformen oft rascher vorangehen, wenn der soziale Druck zunimmt. Inwiefern das aber aber wiederum mit einem Erhalt der langfristigen Leistungsfähigkeit vereinbar ist, da habe ich meine Zweifel.
Aber umso dringlicher erscheint es mir normativ, dieses Potenzial mit möglichst vielen Menschen zu teilen, die davon profitieren könnten, oder?
Das sehe ich auch so. Interessant wird es bei der empirischen Frage, mit welchen anderen Prinzipien dieses Ziel konkurriert und der normativen Frage, welchem Prinzip man im Zweifelsfall den Vorrang einräumt.
Um die empirische Frage wird es unten noch gehen und sie scheint mir auch relevanter für das, was uns trennt. Trotzdem wäre es gut zu wissen, inwiefern sich bereits unsere normativen Prämissen unterscheiden.
Wenn ich mir beispielsweise aussuchen könnte, ob wir in einer Welt ohne Grenzen leben, die im Wesentlichen wie die USA funktioniert oder in einer Welt wie Skandinavien, aber um den Preis, dass man eine Grenze halten muss, über die nur eine kleine Auswahl aus dem Rest der Welt, dem es deutlich schlechter geht, einwandern darf, dann ist mir letzteres wohl lieber. Natürlich käme es auf die konkreten Bedingungen an, aber ich gehe davon aus, dass meine Präferenz unter einer recht großen Vielfalt von Annahmen robust ist.
Man kann jetzt sagen, dass das egoistsich oder wenigstens partikularistisch ist. Offensichtlich weiß ich schon, dass ich in Skandinavien geboren wurde. Andererseits weiß ich auch schon, dass ich über eine weit überdurchschnittliche ökonomische Leistungsfähigkeit verfüge. In welcher Welt mein persönlicher Lebensstandard - relativ und absolut - besser wäre, lässt sich daher gar nicht so ohne Weiteres sagen.
Trotzdem geht der Vorwurf nicht ins Leere: Unter dem Rawlsschen Schleier würde ich mich sicherlich anders entscheiden. Ist das ein moralisches Problem? Es hängt davon ab, wie universalistisch man ist. Ich glaube, dass unterschiedliche Antworten auf diese Frage entscheidend verantwortlich sind für die polarisierende Wirkung der entsprechenden politischen Fragen - u. a. nach offenen Grenzen, insbesondere auch nach dem Umgang mit Flüchtlingen: Die einen möchten ohne Wenn und Aber die Universalität der Menschenrechte garantieren, die anderen haben keine Vorbehalte starke Abschläge anhand einer moralischen Metrik vorzunehmen.
Ich bin mir im Klaren, dass das keine populäre Sicht ist. Deshalb hatte ich es ja auch im vorherigen Post eingegrenzt: Ich bin nicht für "offene Grenzen", ich bin für so offene Grenzen, wie politisch möglich. Der politische Willen hierzu erscheint mir der Flaschenhals zu sein, nicht die Wirtschaftlichkeit.
Es kommt darauf an, was du unter Wirtschaftlichkeit verstehst - ich komme weiter unten darauf zurück. Ich überzeugt, dass es ökonomisch ineffizient ist, wenn man Menschen an der Grenze aussperrt. Insofern müssten die Huldiger des Leistungsprinzip, denen der Sozialstaat eher wenig bedeutet, eigentlich Befürworter offener Grenzen sein. Dass es eher umgekehrt ist - Linke und Progressive sind eher für, Konservative und selbst Wirtschaftsliberale sind eher gegen offene Grenzen -, ist eine Ironie, die sich nicht rational erklären lässt. Dahinter stecken sicherlich psychologische Faktoren.
Es stimmt zwar, dass die Migranten mit wachsender kultureller Entfernung (Ausnahme: Zuwanderer aus Südostasien) sich in Deutschland schlechter integrieren und der durchschnittliche fiskalische Effekt zunehmend negativ werden dürfte, aber es ist ja keinesfalls so, als hätten wir nicht auch jede Menge Einwanderung aus dem EU-Raum und von Spätaussiedlern, über die Leute deutlich weniger nachdenken als über türkische Einwanderer, die allerdings zahlenmäßig eine deutlich Mehrheit stellen. Wenn wir über unsere "Migrationspolitik" reden, kann nicht vergessen werden, dass wir für EU-Einwanderung quasi unbegrenzt offen sind, was sich für das Land als großes Glück erwiesen hat.
Es ist schon länger her (genauer gesagt die Sarrazin-Debatte um "Deutschland schafft sich ab"), dass ich mich genau damit beschäftigt habe, aber alle Schätzungen zu den fiskalischen Gesamtauswirkungen sind mit großer Unsicherheit behaftet, aber eher leicht negativ als frappierend.
Nochmal: Ich habe nirgendwo zwischen diesen und jenen Migranten unterschieden. Meine Aussagen bezogen sich ausschließlich auf den Durchschnitt - da ist die große Anzahl an EU-Einwanderern bereits eingepreist und trotzdem ist die Bilanz insgesamt (siehe PISA) ernüchternd.
Wenn man sich auf Nicht-EU-Einwanderung beschränkte, würde die Bilanz noch schlechter aussehen.
Wie genau die Einwanderung aus der EU hinsichtlich Qualifizierungsprofil und Humankapital aussieht, weiß ich nicht. Der größte Teil kommt afaik aus Ländern wie Polen, Rumänien und Bulgarien - wie sich das langfristig auswirkt, ist schwer zu sagen, weil es von vielen Unbekannten abhängt. Derzeit dürfte das fast alles Einwanderung in den Arbeitsmarkt sein. Wie es aussieht, wenn der Arbeitsmarkt sich abkühlt, ist unklar. Es wird u. a. davon abhängen, ob die Leute dann hier bleiben und ein substantieller Teil, inklusive der Nachkommen, zu Transferleistungsempfängern wird oder in die Heimat zurückgeht.
Aufgrund der EU-Freizügigkeit, von der wir in der Summe stark profitieren, erübrigt sich dieses Thema größtenteils. Vorstellbar wäre höchstens, wie manchmal vorgeschlagen, das Herkunftslandprinzip bei den Sozialleistungen. Ob hier der Ertrag den Aufwand und die politischen Spannungen wert wäre, wage ich zu bezweifeln. Denn selbst wenn es langfristige negative Zuwanderungseffekte gibt, dürften diese in der Größenordnung sehr überschaubar sein, weil die Herkunftsländer demographisches Ödland sind. Deren Bevölkerung schrumpft zum Teil ja stärker als unsere. Das ist ne andere Hausnummer als Afrika.
Bezüglich der Arbeitsmigration habe ich von einem Migrationsforscher (afaik bei Jung & Naiv) mal die These gehört, dass es kein Problem gäbe, wenn wir die Grenzen dauerhaft öffnen würden: Die Leute würden einfach kommen und arbeiten und dann wieder gehen, weil sie mit dem Angesparten in der Heimat deutlich besser leben können. Wenn sie aber wissen, dass sie eventuell nicht wieder reinkommen, erzeuge das einen Lock-In-Effekt: Die Leute bleiben hier und werden eher zu Transferleistungsempfängern, holen eventuell noch die Familie nach.
Klingt interessant, aber wie belastbar das ist, kann ich nicht beurteilen.
Noch ein kleiner Disclaimer, bevor ich versuche die Sachfragen auzudröseln:
Ich sprach eingangs der neu aufkommenden Diskussion afair mal von Risiken, die nicht genug berücksichtigt werden. Das impliziert, dass es um Unsicherheiten geht. Ich würde nicht sagen, dass ich hier einen hohen Grad an Gewissheit habe.
Insbesondere habe ich nie suggeriert, dass der Effekt von Migrationspolitik den von Verteilungspolitik trumpft. Zu Verteilungsfragen gibts genug Threads, wo ich von einigen als säbelrasselnder Sozialist wahrgenommen werde. Es kann also keine Rede davon sein, dass ich die Effekte von Verteilungspolitik kleinrede. Aber das hier ist nicht der Verteilungspolitikthread.
Zur fiskalischen Bilanz von Zuwanderung und fiskalischer Nachhaltigkeit
Mein Wissen zu dem Thema beschränkt sich im Wesentlichen auf Holger Bonin als einzige Quelle (afair eine Empfehlung deinerseits):
https://www.bertelsmann-stiftung.de...wanderung_zum_dt_Staatshaushalt_141204_nm.pdf
[Seite 35-37]
Die bisher dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die in Deutschland lebenden Ausländer in ihrer fiskalischen Position zwar im Durchschnitt deutlich hinter den Deutschen zurückliegen, aber dennoch weniger an Sozialtransfers vom Staat beziehen, als sie an Steuern und Beiträgen zahlen. Genügt dieser positive Nettofinanzierungsbeitrag aber, um damit auch noch die übrigen laufenden und künftigen Ausgabenverpflichtungen der öffentlichen Hand zu bedienen? Um diese Frage zu beantworten, ist das für fiskalische Nachhaltigkeitsrechnungen und auch in der Literatur zu den fiskalischen Effekten von Zuwanderung (Rowthorn 2008) gebräuchliche Vorgehen, die nicht individuell zurechenbaren Staatsausgaben im Basisjahr mit einem einheitlichen Wert pro Kopf auf die Bevölkerung zu verteilen. Bei der Vorausrechnung für zukünftige Jahre wird dieser Pauschalbetrag – wie bei den Generationenkonten einem Status-quo-Prinzip folgend – dann lediglich einer konstanten jährlichen Trendwachstumsrate unterworfen. [...]
Einen individuellen Finanzierungsbeitrag, der höher ist als die zugerechneten allgemeinen Staatsausgaben, leisten im Durchschnitt nur die am Ausgangspunkt der Rechnung 20- bis 33-jährigen Ausländer und die 5- bis 48-jährigen Deutschen. Jedes Neugeborene schafft über den gesamten Lebensverlauf gerechnet ein ganz erhebliches Defizit: Bei Ausländerkindern steht ein Kohortendefizit von 196.000 Euro, bei den Deutschen von immerhin noch 41.100 Euro zu Buche. Dieselben Werte ergeben sich dem Prinzip nach auch für alle künftig geborenen Generationen, soweit sie sich fiskalisch wie ihre Eltern verhalten werden und der Staat in Zukunft nicht bei den allgemeinen öffentlichen Ausgaben spart. Gewichtet man die Kohortensalden der lebenden Generationen mit der jeweiligen Altersstruktur der beiden Bevölkerungsgruppen, verschlechtert die deutsche Bevölkerung des Jahres 2012 das inter-temporale Staatsbudget pro Kopf um durchschnittlich 3.100 Euro, die ausländische Bevölkerung pro Kopf um 79.100 Euro.
Die genannten Werte zeigen, dass die Fiskalpolitik in Deutschland im Ausgangsjahr der Berechnungen nicht nachhaltig war. Weder die lebenden noch die künftigen Generationen würden insgesamt gerechnet genügend Nettosteuern zahlen, um die allgemeine Staatstätigkeit zu finanzieren. Somit muss die Staatsverschuldung auf Dauer steigen.
Es gäbe jetzt viel dazu zu sagen, weshalb Berechnungen dieser Art letztlich immer inadäquat sind. Aber ich akzeptiere das Ergebnis erstmal als best guess, bis ich eine stark abweichende alternative Hypothese sehe.
Mein Hauptaugenmerk gilt der beträchtlichen Differenz zwischen dem fiskalischen Saldo von Deutschen und Ausländern. Selbst wenn wir die Nachhaltigkeitslücke als zu spekulativ fallen lassen und von einer Nullkonvergenz des Staatshaushalts ausgehen, bleibt der deutliche negative Saldo der Zuwanderer bestehen.
Ich hab in den letzten Tagen intensiv darüber nachgedacht, was man zu diesem Thema noch Sinnvolles sagen kann und muss zugeben, dass mich das intellektuell überfordert. VWL ist mir in weiten Teilen ohnehin ein Buch mit sieben Siegeln und das Problem erscheint mir mit all seinen Facetten derart komplex, dass ich lügen müsste, wenn ich so tun würde, als wenn ich ein einigermaßen klares Bild der Situation hätte.
Ich beziehe mich gerade deshalb immer explizit auf fiskalische Effekte, weil es mir der einzige Aspekt zu sein scheint, zu dem man auf Grundlage der Generationenbilanz überhaupt eine klare Aussage treffen kann. Fundamental Sinn ergibt diese Betrachtung für mich nicht.
Zum Beispiel: Wenn wir ein niedriges Lohnniveau für Zuwanderer unterstellen und von einem Steuermodell ausgehen, das keinen Mindestlohn kennt, dafür aber hohe Lohnsubvention in Form einer negativen Einkommensteuer, dann verschlechtert das die fiskalische Bilanz eines Zuwanderers, weil ihm die Lohnsubvention als staatlicher Transfer verbucht wird. Den gesparten Lohn wird der Unternehmer entweder investieren oder er wird höhere Gewinne haben, die dann teilweise steuerlich abgeschöpft werden - und zwar überproportional hoch im Vergleich zum Niedriglohn des Zuwanderers. Gleichwohl werden dem Zuwanderer diese Mehreinnahmen nicht zugebucht, weil er ja größere staatliche Transfers empfängt. Man kann es so sehen, dass der Zuwanderer für seine mangelnde Verhandlungsmacht über den Lohn nicht nur wirtschaftlich ausgebeutet, sondern auch noch bilanziell abgestraft wird.
Stellen wir uns ein alternatives Gesetzesmodell vor, in dem wir statt einer Lohnsubvention oder ergänzend dazu einen relativ hohen Mindestlohn haben, dann ist der Zuwanderer deutlich besser gestellt, weil sein Arbeitgeber ihm idealerweise einen so hohen Lohn zahlt, dass er keiner staatlichen Transfers mehr bedarf. Dafür sinkt entweder der Gewinn des Unternehmers, was weniger Steuereinnahmen bedeutet, oder er investiert weniger oder er erhöht die Preise, was wiederum durch höhere Kosten für alle Konsumenten querfinanziert wird.
Wenn ich das nicht völlig falsch denke, führen die beiden Modelle zu einer ganz unterschiedlichen fiskalischen Interpretation aus Sicht des Staates, die nicht notwendigerweise zur gesamtwirtschaftlichen Bilanz korrespondiert.
Ein weiteres Beispiel wäre, dass die fiskalische Bilanz sich unterscheiden kann, jenachdem ob ein Arbeitnehmer dieselbe Wertschöpfung im öffentlichen oder privaten Sektor erbringt.
Die Bilanzen aus Sicht der Wertschöpfung und des rein fiskalischen Nutzens bestehen also parallel und beeinflussen sich gegenseitig, aber sie müssen nicht mal in jedem Fall miteinander korrelieren.
Die Frage ist also, wie sich halbwegs plausible Aussagen dazu machen lassen. Das grundlegende Modell dürfte in etwa so aussehen: Die Bevölkerung erbringt eine gewisse Wertschöpfung. Auf einen gewissen Teil davon greift der Staat durch Steuern und Abgaben zu und verteilt sie in Form von öffentlichen Gütern zurück an die Bevölkerung. Wenn wir Verteilungseffekte erstmal unberücksichtigt lassen, gehen wir davon aus, dass jedem Bürger die gleiche Summe öffentlicher Güter zusteht. Wenn mehr Bürger dazukommen, deren Wertschöpfung deutlich unter der des Bevölkerungsdurchschnitts liegt, dann erwerben sie a priori Ansprüche auf dieselben öffentlichen Güter, schulden dem Gemeinwesen also prima facie dieselben Clubbeiträge, die sie aber aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Wertschöpfung nicht erbringen. Damit wäre die Bilanz jedes Zuwanderers negativ, der eine im Vergleich zur vorhandenen Bevöklerung unterdurchschnittliche Wertschöpfung erbringt.
Nun gibt es gute Gründe, weshalb dieses Modell inadäquat ist:
-Skalierbarkeit bzw. fiktive Kosten: Ein großer Teil der wertvollsten öffentlichen Güter erzeugt auch bei einer Ausweitung des Kreises der Begünstigten gar keine oder nur deutlich unterproportional höhere Kosten. Dem kann man in der fiskalischen Bilanz begegnen, indem man gewisse, nicht oder nur bedingt skalierende Ausgaben herausnimmt. Inwiefern diese Korrektur schon ausreichend ist, kann ich ad hoc nicht beurteilen.
-Additivität: Es wird die implizite Annahme gemacht, dass sich Wertschöpfung rein additiv verhält. Das ist in einer modernen arbeitsteiligen Wirtschaft unplausibel.
-Alterseffekte: Die fiskalische Bilanz hängt stark vom Lebensalter ab und Zuwanderer kommen in der Regel in einem Alter, das relativ nah am Maximum ihres Kohortensaldos liegt (siehe Bonin). Die negativen Effekte hängen also wesentlich von der Performanz der folgenden Generationen ab, über die wir keine sicheren Aussagen treffen können.
-Verteilungseffekte: Die vereinfachte Annahme, dass jeder Einwohner gleichmäßig von den öffentlichen Gütern profitiert, entspricht nicht der Realität.
Usw.
Ich weiß nicht, ob die VWL genug belastbare Erkenntnisse bereitstellt, um dieses Basismodell in eins zu verwandeln, das als solide Grundlage politischer Entscheidungen taugt. Am Ende müsste man wohl auch noch soziale und kulturelle Faktoren mit aufnehmen, um im Sinne eines umfassenden Gesamtnutzens zu bewerten, ab wann ein Zuwanderer für die aufnehmende Gesellschaft einen Gewinn bedeutet.
Diese Diskussion im Detail zu führen halte ich für wenig fruchtbar. Intuitiv gehe ich davon aus, dass diese Schwelle deutlich unter dem fiskalischen Break-even-Point liegt. Der hat den Vorteil, dass er einigermaßen quantifizierbar ist und weniger Raum für Beliebigkeit lässt. Darum beziehe ich mich quasi ausschließlich darauf, wenn ich vom "Nutzen" der Zuwanderung spreche. Bonins Zahlen sind hier für mich ein valider Ansatzpunkt und angesichts der großen Differenz zwischen Deutschen und Ausländern halte ich es für legitim von einem deutlich negativen Nutzen auszugehen, ohne diesen genauer quantifizieren zu können.
Die stärkste Entlastung für die Position der Zuwanderer erzeugt imo der Alterseffekt: Die Einwanderung erfolgt oft zeitlich nahe am Produktivitätsmaximum. Für ein Alter zwischen Anfang 20 und Anfang 30 macht das die Kohortenbilanz sogar positiv (siehe dazu Bonin). Das ist erstmal eine gute Nachricht.
Für eine Gesamtbewertung stellt sich nun die Frage, wie stark sich die für die Lebensbilanz relevanten Eigenschaften auf die nächsten Generationen vererben, wenn wir unterstellen, dass die Zuwanderer dauerhaft hier sesshaft werden. Insbesondere ist zu fragen, wie schnell die fiskalische Position der Nachkommen von Zuwanderern gegen eine fiskalische neutrale Position konvergiert und welche Mehrkosten die politischen Maßnahmen verursachen, die dazu notwendig sind.
Hier kommen die Rolle des Humankapitals und die Erkenntnisse aus PISA und Co uns Spiel. Die können uns immerhin grobe Hinweise darauf liefern, was wir erwarten können. Und es sollte an diesem Punkt nicht überraschen, wenn ich vorausschicke, dass die Aussichten bei mir eine gewisse Sorge wecken.
*** Fortsetzung folgt. ***