Flüchtlingsströme Richtung Europa

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Guest
Maaßen hat sich deutlich überzeugender gezeigt als Lanz, ja. Ist aber auch kein Kunststück, Lanz ist ein halbgebildeter Medienaffe, dessen Job nunmal der des Clowns ist, wie eben bei allen "Künstlern" oder Menschen in der "Unterhaltungsbranche". kA warum von denen jemand irgend eine intelligente Äußerung erwartet.
Maaßen dagegen ist, nach allem was man weiß, ein hochqualifizierter Jurist mit Auszeichnungen und damit ohnehin den meisten Diskussionsteilnehmern hoffnungslos überlegen.

Aber mal was anderes, ein großartiger Artikel über den Großartigen Ghadban, der seit 20 Jahren Clankriminalität untersucht und zuerst ignoriert, mittlerweile aber zum Berater der Regierung gemacht wurde. Er bringt (als Libanese wohlgemerkt, damit sich die üblichen Verdächtigen ihren Rassimus-Einwurf in den Po schieben können) das Problem auf den Punkt: es heißt Multikulturalismus und bedeutet den absurden Fehlschluss, dass alle Kulturen gleich gut wären und gleichberechtigt nebeneinander leben können oder sollten.

https://www.nzz.ch/international/kr...n-migrationsforscher-ralph-ghadban-ld.1526857

Die Wurzel all dieser Probleme ist für ihn der Multikulturalismus. Er beschreibt ihn als «einen Nebel, der den Blick auf die Realität verdeckt». Nach seiner Interpretation steht der Begriff für das Zusammenleben verschiedener Kulturen ohne gemeinsame Grundlage.

Das unbedenkliche Pendant dazu sei der demokratische Pluralismus, der ebenfalls kulturelle Vielfalt garantiere – allerdings mit den allgemein verbindlichen Menschenrechten als Basis.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Ok, habe mir mal Zeit genommen um über diesen Post nachzudenken und ausführlich darauf zu antworten. Sorry dass das eine Weile gedauert hat.

Normatives:

Es geht mir hier gar nicht darum, was uns persönlich trennt. Ich finde deine Haltung ehrenwert und sympathisch - ich bin gegenüber Deutschen nicht per se solidarischer als gegenüber Menschen an sich.
Aber ich bin in hohem Maß am Erhalt der Leistungsfähigkeit des deutschen Staates interessiert, weil er die Institution ist, die für Millionen von Menschen Freiheit, Sicherheit und Wohlstand garantiert. Damit er das auch in Zukunft noch kann, sollte diese Leistungsfähigkeit erhalten bleiben.
Eine dauerhaft planlose Migrationspolitik schwächt den Staat langfristig - mindestens den Sozialstaat. Tatsächlich halte ich die Implikationen für weitreichender, weil ein weniger leistungsfähiger Staat ganz allgemein Freiheitsgrade verliert, über die wir als Gemeinschaft eine nachhaltig positive Rolle in der Welt spielen können - oder eben nicht.


Lass mich in umgekehrter Reihenfolg darauf antworten: Ich habe etwas gerätselt, was der zweite Teil bedeutet. Aus deinen vorherigen Posts hatte ich eher den klassischen Schneeballeffekt rausgelesen (und ja auch kritisiert), aber das hier klingt fundamentaler. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie der Kausalmechanismus funktionieren soll und ich will dir nichts unterstellen, dementsprechend würde ich dich einfach bitten, etwas genauer auszuführen, wie diese Freiheitsgrade verloren gehen.

Beim ersten Teil sind wir glaube ich einfach unterschiedlicher Meinung und ich kann auch nicht ganz verstehen, wie in deinem Modell normativ (!) über desert nachgedacht wird. Es ist natürlich wahr, dass der deutsche Staat ein unglaubliches Glück für diejenigen ist, die in ihm leben, wenn man als Alternative hat, zufällig irgendwo auf die Erde geworfen zu werden. Aber umso dringlicher erscheint es mir normativ, dieses Potenzial mit möglichst vielen Menschen zu teilen, die davon profitieren könnten, oder? In gewisser Weise sehe ich eine stärkere moralische Verantwortung gegenüber den Generationen, deren Biografien durch Deutschlands Handeln in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heftige Brüche erlitten haben, aber wenn wir ehrlich sind, sinkt die Zahl dieser Leute rapide; bald wird fast jeder Rentner im relativen Wohlstand der Wirtschaftswunderjahre aufgewachsen sein und von der "Generation, die Deutschland wieder aufgebaut hat" wird dann quasi nichts mehr übrig sein. Ich bin zwar nicht wirklich so davon überzeugt wie andere hier (bspw. Heator oder MV), dass wir tatsächlich so sehr unseres eigenen Glückes Schmied sind, aber wer sein komplettes Leben in diesem (relativen) Wohlstand gelebt hat und es trotzdem nicht geschafft hat genug Humankapital, Ersparnisse und Anwartschaften zusammenzutragen, um einen relativ (!) sorgenfreien Lebensabend zu verbringen, der hat (von bedauerlichen Ausnahmen abgesehen) in meinen Augen nicht zwingend einen höheren moralischen Anspruch auf unsere Großzügigkeit als ein potenzieller Einwanderer, der erst mal nur das Pech hatte, etwa in Mogadischu statt in Mettmann zur Welt gekommen zu sein, mal ganz von der Tatsache abgesehen, dass ich tatsächlich auch lieber Leute hätte, die sich als produktive Mitglieder der Gemeinschaft in Deutschland selbst finanzieren könnten (welche es zweifellos auch in Mogadischu gibt).
Das wird natürlich unter hier bereits dargelegten Gesichtspunkten relativiert, aber du schlägst in dieselbe Kerbe:



Für mich besteht ein echter Konflikt zwischen Egalitarismus und Solidarität auf nationaler Ebene und der Offenheit des Staates nach außen. Du deutest an, dass man im Zweifelsfall die ersten beiden Prinzipien zugunsten der Offenheit zurückfahren sollte. Ich glaube nicht, dass das tatsächlich den Werten der Mehrheit der Bevölkerung entspricht - und das Staatsvolk ist der Souverän.
Die rechte Hälfte des politischen Spektrum hat tendentiell wohl kein Problem mit einer Stärkung des Äquivalenzprinzips, dafür aber sehr wohl mit Migration per se. Die linke Hälfte möchte möglichst offen für Migration sein, gleichzeitig aber Egalität und Solidarität stärken - was angesichts unserer Art von Migration ein Widerspruch ist.


Ich bin mir im Klaren, dass das keine populäre Sicht ist. Deshalb hatte ich es ja auch im vorherigen Post eingegrenzt: Ich bin nicht für "offene Grenzen", ich bin für so offene Grenzen, wie politisch möglich. Der politische Willen hierzu erscheint mir der Flaschenhals zu sein, nicht die Wirtschaftlichkeit.



Faktisches:

Ich habe nie auf "allgemeine Vorstellungen" von Migranten abgestellt und beziehe mich auch nicht auf Migranten per se oder fordere, Migration ersatzlos zu unterbinden. Insbesondere habe ich kein Problem damit, dass auch Migranten kommen, die sich schlecht integrieren - Migrationserfolg unterliegt einer Zufallsverteilung. Aber für mich bedeutet Migrationserfolg, dass der Nutzen (aufgefasst als fiskalischer Nutzen für den Staat) von Migranten im Mittel nahe dem der einheimischen Bevölkerung liegen sollte. Und dieses Ziel verfehlen wir deutlich.

Mir ist auch unklar, wie du darauf kommst, dass Deutschlands Entwicklung einem positiven Zeittrend unterliegt: Es ist unbestritten, dass wir fiskalisch eine gewaltige Nachhaltigkeitslücke zu bedienen haben. Und dabei sind externe Risiken wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, zweites Maschinenzeitalter usw. noch nicht eingerechnet.
Den Verweis auf oberflächliche Zeittrends empfinde ich als wenig zielführend, weil sie stark durch externe Effekte überlagert werden - Wiedervereinigung, EU, Weltwirtschaft usw.


Ich glaube hier liegen wir am weitesten auseinander. Mir ist nicht klar, wie auf diese Aussagen kommst. Es stimmt zwar, dass die Migranten mit wachsender kultureller Entfernung (Ausnahme: Zuwanderer aus Südostasien) sich in Deutschland schlechter integrieren und der durchschnittliche fiskalische Effekt zunehmend negativ werden dürfte, aber es ist ja keinesfalls so, als hätten wir nicht auch jede Menge Einwanderung aus dem EU-Raum und von Spätaussiedlern, über die Leute deutlich weniger nachdenken als über türkische Einwanderer, die allerdings zahlenmäßig eine deutlich Mehrheit stellen. Wenn wir über unsere "Migrationspolitik" reden, kann nicht vergessen werden, dass wir für EU-Einwanderung quasi unbegrenzt offen sind, was sich für das Land als großes Glück erwiesen hat.
Es ist schon länger her (genauer gesagt die Sarrazin-Debatte um "Deutschland schafft sich ab"), dass ich mich genau damit beschäftigt habe, aber alle Schätzungen zu den fiskalischen Gesamtauswirkungen sind mit großer Unsicherheit behaftet, aber eher leicht negativ als frappierend. Und das ist nur der marginale Effekt eines einzelnen Migranten, keine Effekte in einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell: Auch wenn Migranten im Schnitt ein geringeres Humankapital anhäufen als Deutsche ist erst mal unsicher, wie elastisch die Anforderungen bestimmter Beschäftigungen sind; in einem Staat, in dem die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zunehmend schrumpft, ist ein zusätzlicher Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichem Humankapital ceteris paribus wertvoller als in einem Staat, in dem die arbeitende Bevölkerung wächst. Dass viele Tätigkeiten generell nur von Leuten mit einem IQ von 120 oder höher ausgeführt werden können, wie du weiter unten behauptest, halte ich für völlig unbelegt: Das wären weniger als 10% der Bevölkerung. Meines Wissens gehen die meisten Arbeiten davon aus, dass die Effektheterogenität für Humankapital keineswegs so hoch ist, dass wir besondere Effekte für das obere Ende auf wirtschaftliches Wachstum ausmachen können.
Generell wissen wir wenig über diese Thema (und die Arbeiten, die wir haben, sind leider nicht sonderlich gut), aber deine Gewissheit, dass ein Migrant mit (nach migrantischem Gruppenmittel) durchschnittlichem Humankapital einen stark negativen fiskalischen Effekt hat, erscheint mir ein bisschen aus der Luft gegriffen. Im Gegenteil würde ich behaupten, wir wissen relativ genau, was einen sehr viel größeren Effekt auf das Wohlergehen der Menschen in Deutschland hat: Inwiefern wir es schaffen, die positiven Effekte von Wirtschaftswachstum breit zu verteilen. Alle Projektionen, die ich gesehen habe, gehen davon aus, dass Deutschlands Wirtschaft auch in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren weiterhin wachsen wird. Die entscheidende Frage wird sein, wie dieser zusätzliche Wohlstand sich verteilt. Der Effekt von Migration erscheint mir dagegen vernachlässigbar, solange wir von realistisches Szenarien ausgehen. Das ist natürlich keine sonderlich robuste Voraussage, wenn man tatsächlich wahllos und quasi unbegrenzt "Pässe über Afrika" abwirft.


Zum zweiten Punkt muss ich sagen, dass ich das für ausgemachten Unsinn halte: Es gibt keine "Nachhaltigkeitslücke", zumindest wenn es sich auf Arbeiten nach dem generational accounting bezieht, insofern ist das absolut bestritten. Das ist keine seriöse Forschung; konsequenterweise waren Kotlikoffs Prognosen bzgl. zukünftiger Steuerniveaus (um zukünftige Sozialausgaben zu finanzieren) oder Ausgabenkürzungen auch immer meilenweit von der Wahrheit entfernt. Schon das Konzept ist etwas widersinnig* und wenn du dir den Kram anschaust, den Raffelhüschen in den letzten Jahren (insbesondere das "Update" von 2019) publiziert hat, müsste eigentlich klar sein, dass das nahe an der Scharlatanerie ist. Wobei die Vermutung nahe liegt, dass der gewünschte Effekt sowieso weniger die wissenschaftliche Haltbarkeit ist als die Meinungsmache im Sinne der INSM.
Effektiv kannst du am Zeittrend eben ablesen, dass du den Effekt von Humankapital massiv überschätzt: Die "oberflächlichen" Änderungen sind eben nicht diejenigen der Weltwirtschaft, sondern diejenigen der Änderung der Bevölkerungszusammensetzung, zumindest wenn die zu erklärende Variable Wirtschaftswachstum ist und wir realistische Änderungensraten der Bevölkerung anlegen. Wie gesagt: Wenn in Deutschland auf einmal die Bevölkerung von Ägypten lebte, sähe die Sache anders aus. Das ist aber unrealistisch.



*"Schulden" (gemessen an der heutigen Wirtschaftsgröße) anhand der momentanen Gesetzeslage in die Zukunft zu projezieren, für die noch überhaupt keine Gegenleistung erbracht wurde, ist ein purer Taschenspielertrick


Insbesondere den Verweis auf PISA finde ich skurril. PISA zeigt den negativen Einfluss von Migration auf das Humankapital für quasi alle Einwanderungsländer, die nicht stark selektieren.
[...]
Und am Arbeitsmarkt hört es ja nicht auf. Der IQ beeinflusst quasi alle erwünschten Outcomes positiv: Er erhöht allgemein die Produktivität, reduziert Kriminalität, verbessert Sozialkompetenz und Gesundheit - die gesteigerte Lebenserwartung ist aus fiskalischer Sicht der einzige Nachteil.


Das ist alles nicht falsch✝, aber stell dir das ganze Mal als großangelegtes Experiment vor: Du änderst ja nicht das Humankapital der angestammten Bevölkerung, sondern ergänzt sie durch Einwanderer, deren Humankapital geringer ist. Ich gehe mal davon aus, dass SUTVA mehr oder weniger hält --> Dadurch, dass Einwanderer mehr Kriminalität, weniger Bildung oder weniger Gesundheit zeigen, ändert sich an der Kriminalität, Bildungsaffinität und Gesundheit der angestammten Bevölkerung nichts. Ich sehe immer noch nicht, was der Mechanismus sein soll, mit dem du stark negative Veränderungen für die angestammte Population erklärst. Dadurch, dass jemand mit einem IQ von 120 jetzt von 1000 Menschen mit einem durchschnittlichen IQ von 100.7 umgeben ist statt von 780☨ mit einem durchschnittlichen IQ von 103, ändert sich in meinen Augen verschwindend wenig:
- Sind die zusätzlichen 220 wirtschaftlich weniger produktiv? Ja, aber wie oben gesagt: Dass sie so unproduktiv sind, dass das für den einzelnen einen wirklichen Unterschied macht erscheint mir zumindest äußerst zweifelhaft
- Sind die zusätzlichen 220 krimineller? Ja, aber wie hier lang und breit ausdiskutiert ist Kriminalität in Deutschland statistisch ein geringes und abnehmendes Problem, zumal sie stark überdurchschnittlich aneinander begangen wird
- Sind die zusätzlichen 220 weniger gesund: Ja, aber hier sind die Effekte individuell --> Die großen Gesundheitsprobleme der Deutschen sind im Verhalten des Einzelnen angelegt (Übergewicht, Krebs), von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheiten sind in Deutschland kein nennenswertes Problem

Wiederum: Ich stelle nicht in Abrede dass ceteris paribus Migranten mit höherem Humankapital besser wären. Wenn ich MVs normativen Maßstäbe anlegen würde, würde ich wohl zwangsläufig bei MVs Haltung rauskommen. Aber da ich das nicht tue und du es ja offensichtlich auch nicht tust, verstehe ich immer noch nicht so genau, woher bei dir die starken negativen Effekte der Migration kommen. Ich sehe es weder für diejenigen in der autochthonen Bevölkerung, die hohes Humankapital haben noch für diejenigen, die mittelmäßiges Humankapital haben. Wenn es dir hauptsächlich um diejenigen geht, die niedriges Humankapital haben, müsste ich über die ganze Sache nochmal neu und anders nachdenken, weil ich dir das (im Gegensatz zu anderen hier, die ihr Herz für die autochthone Unterschicht immer genau dann erkennen, wenn sie mit den Einwanderern konkurrieren soll) abkaufe. Aber im Grunde genommen habe ich das Gefühl das ist nicht, worauf du hinauswillst, aber ich muss zugeben, ich verstehe nicht genau worauf du TATSÄCHLICH hinauswillst, ich würde es aber gerne verstehen. Also: Wie funktioniert der Mechanismus? Wie kommen wir von A zu B?



✝ Ich wäre vielleicht mit der Interpretation etwas vorsichtiger: Zweifellos sind Tests wie PISA g-loaded, aber die relativen starken Verbesserungen der Testergebnisse in Deutschland seit 2000 (insbesondere trotz der gestiegenen Migrantenquote) sind kaum mit gesteigerter Intelligenz zu erklären, insofern müssen die Messfehler relativ hoch sein; genauso halte ich es für fragwürdig, ob die starken Unterschiede innerhalb der Bundesländer bei PISA-E (sowohl für Migranten, wo es eventuell noch mit unterschiedlichen Herkunftsländern erklärbar wäre, als auch für Nichtmigranten) tatsächlich durch so stark unterschiedliche Intelligenzverteilungen zustande kommen

☨ Die OECD legt eine andere Definition für Migrationshintergrund an als die bundesdeutsche Statistik; die 22% für Deutschland, die mit dem Rechenbeispiel korrespondieren, sind der Dokumentation von PISA 2018 entnommen
 
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